Flirtende Vierjährige (März 7-9)

Mai 18, 2006  
Themen: Belize

Obwohl uns sehr wohl bewusst war, dass Trampen in Belize unerwünscht ist, hielten wir sobald wir aus dem Blick der Grenzbeamten verschwunden waren unseren Daumen wieder hoch. Hier dauerte es nicht lange und eine Kanadierin in einem schäbigen, aber funktionstüchtigem Kombi hielt für uns an. Sie hatte gerade einen Freund an der Grenze eingeladen und nun auch uns zwei. Auf der Fahrt überhäuften wir sie gleich mit Fragen bezüglich eines ruhigen Plätzchens für unser Zelt und sie schlug uns eine Pferdekoppel vor. Dort angekommen, hätten wir gern bleiben können, allerdings war alles sehr offen und keine Möglichkeit uns ein wenig im Busch zu verstecken. Wir entschieden also mit ihr nach Corozal zu fahren, da sie eine weitere Idee hatte. Nach vielen Kurven und Ecken, die uns am Ende nicht mehr verstehen liessen, in welcher Ecke von Corozal wir uns befanden, hielt sie plötzlich an.

Wir standen auf einer Strasse, umgeben von verschiedenen Grundstücken mit kläffenden Hunden und einem kleinen Weg, der in ein undurchsichtiges Walddickicht führte. Wir bedankten uns und kamen uns zum ersten Mal etwas hilflos vor. Wo hatte sie uns nur abgesetzt? Sollten wir jetzt etwa durch dieses waldähnliche Naturstück laufen? Was verbarg sich dahinter? Ist das überhaupt angebracht in der Dämmerung? Noch dazu, dass sie uns gleich auf die Cliquen vorbereitet hatte, die sich regelmäßig nachts in der Nähe der Lagune treffen (wo der Waldweg hinführen sollte), machte uns etwas unsicher. Das schwierige war wohl auch, dass ich nun nicht mehr einfach über Stock und Stein loslaufen konnte, sondern immer diesen Karren hinter mir herziehen musste. Der hingegen mochte unebenes Gelände nun überhaupt nicht.

Ich entschied mich also die Dame anzusprechen, die im angrenzenden Grundstück das Unkraut mit einer Machete kürzte. Während unseres Gespräches erklärte ich, dass wir einen Stellplatz für die Nacht suchten und nach einiger Zeit bat sie uns an, dass doch gleich auf ihrem Gelände zu tun. Obwohl es ein noch nicht umzäuntes, direkt an der Strasse gelegenes Grundstück war, stimmten wir diesem Angebot mit Freude zu. Elvira wollte auch sofort loslegen, dass schon von Unkraut befreite, aber ein wenig schmutzige Fleckchen des Grundstücks sauber zu fegen. Wir hielten sie davon ab, da wir es bevorzugten unser Zelt auf dem noch vorhandenen Rasen abzustellen. Elvira bot uns ausserdem an, bei ihr im Haus gegenüber Trinkwasser zu holen insofern wir welches bräuchten, sowie das Badezimmer zu nutzen. Wir freuten uns wie immer über solche hilfsbereiten Menschen.

Kaum liessen wir uns auf dem Grundstück nieder, kam eine kleine Meute mit Kindern auf uns zu. Zusätzlich gesellte sich Dunya zu uns, eine der älteren Töchter von Elvira. Dunya war sehr aufgeschlossen und freute sich von Herzen uns helfen zu können. Sie erklärte uns auch gleich, dass Gott ihnen so viel gäbe und sie das mit uns teilen möchten. Wir nahmen dankend an. Die kleinsten der Kinder verschwanden kurz nach dem Zeltaufbau im Inneren dessen. Ihr Lachen erfüllte die Abenddämmerung, doch irgendwann wurde Dunya gebeten, die Kleinen aus dem Zelt zu beordern. Das taten sie widerwillig, aber doch recht fix. Dunya schien in solchen Angelegenheiten sehr strikt zu sein.

Später kam dann der Herr des Hauses, Isidro, auf uns zu. Obwohl er bereits 78 Jahre alt war, sprühte er nur so vor Energie. Sein Mund stand seit unseres Aufeinandertreffens auch nicht mehr still. Isidro liebte es zu witzeln und erzählte uns recht zu Beginn, dass er wohl schon sein Flugticket gen Himmel hätte. Etwas bestürzt konnten wir nicht so recht über diesen Witz lachen, doch bald erklärte er uns mittels eines anderen Witzes, dass er nur herumspinne und dies gerne tat. Wir lachten alle herzlich und als er dann anfing zu verstehen, wie wir durch die Weltgeschichte reisen, konnten wir uns kaum noch halten. Nicht nur das wohl jeder bereits verstanden hatte, wie wir reisen und was trampen ist, nein, Isidro musste eine Theatervorstellung der Extraklasse hinlegen, damit seine Frau Elvira, nach seinem Ermessen hatte sie es wohl noch nicht verstanden, auch als Schlusslicht unsere Reisegewohnheiten verstand.

Irgendwann wurden wir dieser Energie aber müde, da wir ja bereits einen langen Tag hinter uns hatten. Wir wollten auch endlich etwas essen und begannen zu kochen. Die kleinen Mädels der Familie und der Nachbarschaft fanden auch das sehr interessant. Während Dunya uns von ihrem selbstgebackenen süssen Brot kosten liess, genauer gesagt brachte sie uns einen ganzen Teller voll davon, teilten wir ein Stück unseren selbstgebackenen Brotes mit ihnen. Dunya mochte es, aber die kleinen verzogen nur ihre Mienen. Sie hatten etwas Süsses erwartet, was bei unserem “salzigen” Brot nicht der Fall war. Ich sah auch aus den Augenwinkeln, wie die Kleinen kurz nach dem Abbeissen das Stück wieder ausspuckten. Geschmäcker sind halt verschieden.

Nach dem Essen gings dann fix noch ins Bad. Dieses befand sich auf dem Hof hinter dem Haus. Als ich dort ankam, wurde Dunya, die gerade bereit war eine Dusche zu nehmen, von der Mutter aus dem Bad verscheucht. Ich bat sie einfach fertig zu duschen und mich dann zu rufen, da führte aber kein Weg hinein. Das Resultat war dann, dass ich ins Bad geschoben wurde und Dunya im Dunkeln, umwickelt mit einem Handtuch auf dem Hof verweilte, bis ich fertig war. All meine Ablehnungen wurden nicht akzeptiert, so dass ich mich irgendwann geschlagen gab und das Bad betrat. Was will man bei so viel Hilfsbereitschaft schon machen? Das Bad hatte keine Tür, nur einen Vorhang der mittels eines Steines vor dem Wegwehen gesichert war. Die Dusche wackelte etwas, funktionierte aber. Da ich mir an diesem Abend aber nicht einen Schwall von kaltem Wasser über den Körper rieseln lassen wollte, zog ich es vor das Wasser in einen Eimer zu füllen und mit einer Tasse daraus zu schöpfen. Ach, ich fühlte mich danach wie neu geboren und freute mich jetzt, satt und sauber, endlich auf ausgiebigen Schlaf.

Obwohl wir am nächsten Morgen vorhatten weiterzureisen, nahmen wir bei unserer Verfassung davon Abstand. Wir waren so fertig vom Vortag, dass wir selbst nach dem Aufwachen nicht so recht aus der Liegeposition herausfanden. Aus dem Zelt hatten wir uns schon recht früh befreit, da es vor Hitze einfach nicht auszuhalten war. Wir lagen also einfach weiter im Schatten auf unseren Matratzen und genossen einen faulen Morgen. Beim Erspähen der Familie baten wir um einen weiteren Tag auf deren Grundstück und sie stimmten ohne weiteres zu. Laut Isidro könnten wir solange bleiben wie wir wollten, und wenn es ein ganzes Jahr sein sollte!

Um den Tag ein wenig zu nutzen, machten wir einen Spaziergang entlang der Lagune. Da wir die Sonnencreme vergaßen, gingen wir im Bogen wieder zurück, diesmal allerdings durch das Waldstück, welches wir am Abend zuvor nicht betreten wollten. Unser Gefühl hatte uns nicht getäuscht, denn sobald wir weit genug im Wald waren, erspäten wir einen Wohnwagen umgeben von ein wenig Garten und Gott sei Dank! einem Zaun. Es sprangen nämlich wie aus dem Nichts plötzlich drei riesen Hunde an den Zaun, fletschten die Zähne und bellten sich die Kehle aus dem Hals. Mein Herz rutschte in die Hose, schlug dreimal schneller und ich wollte nichts als weg. Nur zwei Schritte weiter, beim nächsten Haus, sprangen zwei weitere, noch größere und Kampfhunden gleiche Tiergestalten an den Zaun. Oh man, was für ein greuliches Gebell! Und die Besitzerin steckte in einer derart gelassenen Art ihren Kopf aus der Tür, dass mir der Mund offen stehen blieb. Sie rief ihre Hunde noch nicht einmal zur Ordnung. Wir baten sie dann durch zurufen, ihre Hunde zu beruhigen, damit wir mit trockenen Hosen durch das Waldstück kamen. Sie meinte nur, dass diese nicht aus dem Zaun herauskönnten. Ich ging mit Augustas so schnell wie möglich an diesen agressiven Gestalten vorbei und brauchte noch eine Weile, bis ich mich wieder eingefangen hatte. So was aber auch. Naja, ist ja nichts passiert, aber der Schreck sass mir noch eine Weile im Nacken. Da half auch nicht die Tatsache, d
ass ein Zaun zwischen diesen Biestern und uns lag.

Sonnencreme geholt, Stadt erkundet und wieder zurück zu unseren Gastgebern. Wir sprachen diesen Abend noch eine Weile mit der ganzen Familie. Sie wollten wissen, wo Litauen ist. Da wir eine Europakarte mithatten, zeigten wir ihnen wo wir eigentlich zu Hause waren. Sie verstanden die Karte nicht so ganz, da irgendwann der Bruder fragte, wo auf der Karte denn Belize sei. Es war eine reine Europakarte, doch Dunya meinte leichthin, sie würde ihm das gleich suchen. Wir erklärten ihnen, dass sie Belize auf dieser Karte nicht finden können. Erst in diesem Moment begannen sie zu verstehen, von wie weit weg wir kommen, auch wenn sie noch immer ein wenig orientierungslos auf unsere Karte schauten. Später am Abend genossen wirein erneutes Bad und verabschiedeten uns diesmal etwas zeitiger, da wir am nächsten Morgen definitiv weiterziehen wollten. Zum Abschied hüpfte die vierjährige, jüngste Tochter von Elvira um den Hals von Augustas. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und würdigte mich keinen Blickes. Eigentlich hätte ich ja spätestens dann eifersüchtig werden müssen, aber so ist das. Wenn kleine Fräuleins mit einen Herren flirten, dann sollte die eigentliche Partnerin doch bitte gleich ihre Sachen packen und gehen. Der Abschied wurde somit von einem herzlichen Lachen erfüllt, das Gelächter war sogar bis auf die Strasse hinaus zu hören.

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