Die ganze Welt für nur 2 Dollar

August 9, 2007  
Themen: Ecuador

Welche Art von Geschäften gibt es wohl am meisten in Cuenca? Der erste Platz geht wahrscheinlich an die zahlreichen Kioske, die vor allem Mobiltelefonzubehör verkaufen. Diese Läden bieten außerdem Telefonkarten und Telefonfreischaltungen an… Es scheint, dass ist ein grosses Geschäft hier.

Fast an jeder Ecke befindet sich ein Internetcafe ($0,50 – $1,00 US). Unserer Meinung nach verdienen diese Niederlassungen den dritten Platz im Wettbewerb um Quantität.

new computer and no programs? do not worry, here you can get what you need...

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Ja, haben wir da nicht den zweiten Platz vergessen? Natürlich! Wir vergaßen die Läden, in denen man für 2 Dollar die ganze Welt kaufen kann. Wir sprechen hier über Geschäfte, die DVDs, CDs und Computerprogramme verkaufen. In einem dieser wahren Schatztruhen erwarben wir zum Preis von 2 Dollar eine Windows XP Installations-CD mit allen Registrierungscodes. Zum gleichen Preis gibt es jegliche vorstellbare Computersoftware. Solltest du in den Regalen einmal nicht finden was du benötigst, frag einfach nach dem Softwarekatalog. Dies ist ein riesiger Ordner mit einer endlos langen Liste von Software-Screenshots. Die meisten dieser Programme sind auf dem “Weiss-Markt” für unglaubliche hunderte, wenn nicht gar tausende Dollar erhältlich. Hier in diesen Läden erkläre einfach was du brauchst und am Abend wartet auf dich eine speziell dafür angefertigte CD.

in town for $1,5 - $2

 

newest cinema hits included

Ehrlich gesagt verdienen diese Läden mit dem Verkauf von DVD Filmen und Musik CDs das meiste Geld. Für 1,50 Dollar kannst du die neuesten und ältesten Hollywood sowie europäischen Filme erwerben. Die Qualität ist erstaunlicherweise genauso gut wie die Originalfilme. Home-Cinema pur. Augustas erinnert sich daran, dass er vor 5 Jahren in China DVDs sogar schon für 1 Dollar bekommen konnte. Leider war damals die Qualität der Filme ausgesprochen schlecht (aufgenommen im Kino oder ähnlichen Orten). Zudem hatten diese Filme eine geringe Klangqualität und die CDs waren in den meisten Fällen zerkratzt, was dann Schäden am DVD-Player verursachte. In Ekuador kann man sich als Käufer von DVDs und CDs wirklich glücklich schätzen – die Piraten setzen auf Qualität für die Zufriedenheit ihrer Kunden…

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copies of music and movies everywhere

Da wir für einige Monate in Ekuador bleiben werden, haben wir zwei alte Computer gekauft. Einer von diesen hat glücklicherweise einen DVD-Player. Keine Frage, in den ersten zwei Wochen verfielen wir bei solch einem Angebot und einen derart langem Entzug natürlich der “Kinokrankheit”… Wir haben mittlerweile 10 Filme in unserem Regal 😉

Vor einigen Tagen aßen wir in dem vegetarischen Restaurant “Paradies” (ein grosses Mittagsmahl kostet nur 1,20 Dollar; aber das ist eine andere Geschichte…). Dort schlich ein Junge mit seinem Rucksack um die Tische und bot den Essensgästen Filme zum Kauf an. Er kam auch an unseren Tisch und versuchte uns zum Kauf des Filmes “Transporteure” (irgend so ein Robocop-Fiction-Film) zu bewegen. “Entschuldige, aber wir mögen solche Filme nicht.” Er liess nicht locker. Um höflich zu bleiben, begann Augustas wählerisch zu werden, in der Hoffnung den Jungen damit loszuwerden.

Augustas: “Wir bevorzugen ernste Filme, so zum Beispiel “Amellie” oder den italienischen Film “Das Leben ist schön”.
Junge: “Ok, warte eine Sekunde…”

Wir sahen uns mit hochgezogenen Augenbrauen an. Der Junge durchsuchte nachdenklich seinen Rucksack und präsentierte uns in kürzester Zeit 4 weitere Filme: eine dümmliche Komödie, zwei Discovery-Channel Dokumentarfilme und einen unbekannten Film, welcher auf seiner Verpackung eine Art Pinocchio-Figur zeigte. Der Junge nahm einen Film nach dem anderen zur Hand und gab eine ausführliche “Vorschau” zu jeden dieser Werke. Wir versuchten unser Schmunzeln zu unterdrücken und fragten uns gleichzeitig, wieviel Geduld der Junge wohl noch übrig hatte. Ich hielt mich in der ganzen Sache geschickt zurück, doch Augustas fand zu jedem dieser Filme eine negative Bemerkung. Schliesslich schaute der Junge mit Kennerblick und offensichtlicher Berücksichtung von Augustas’ Kritik auf die uns präsentierte Sammlung, packte zwei der Filme zurück in seinen Rucksack und legte überzeugend einen der Dokumentarfilme und den Film mit der Art Pinocchio auf dem Umschlag vor uns auf den Tisch. Augustas grübelte. Handelte es sich hier wirklich um den wahren Pinocchio? Irgendwie fehlte ihm die bekannte lange Nase… Mh.

Augustas versuchte es mit einer neuen Strategie. Er wechselte das Thema. “Möchtest du einen Apfel?”, fragte er den Jungen. “Natürlich, ich mag Äpfel”, entgegnete der Junge. Augustas gab ihm zwei Äpfel. In diesem Moment gesellte sich ein kleiner Junge mit einem Fussball in der Hand zu uns. “Und was verkaufst du?”, fragte Augustas den Kleinen. “Oh, das ist mein jüngerer Bruder…”, folgte die Erklärung unseres jungen CD-Verkäufers.

even very old Mexican classics

even very old Mexican classics

Es folgte eine weitere Runde Film-Propaganda und selbstverständlich Kritik von Augustas’ Seite. Schliesslich lag nur noch ein Film auf dem Tisch. “Was für ein schwieriges Brot wählerisch zu sein!”, dachte Augustas. Seufz… Augustas schaute erneut auf den unbekannten Pinocchio-oder auch nicht Pinocchio Film und versuchte erneut seine Strategie “wir mögen solche Filme nicht… wir geniessen Filme zu sehen, die uns zum Nachdenken anregen…” Ups. Es schien als hätte der Junge nur auf diese Aussage gewartet. Er zeigte mit seinem Finger auf den einzig verbleibenden Film und behauptete, “dieser Film hat eine wundervolle Botschaft… blablablablabla…” Vor lauter zuhören haben wir leider nicht richtig verstanden, was für eine Botschaft das denn sein sollte. Es schien, dass der Junge wirklich mit allen Wassern gewaschen war, denn er begegnete jeglichen von Augustas’ skeptischen Argumenten mit prompten Antworten.

Augustas und der Junge begannen ein neues Spiel. Augustas schob die CD dem Jungen zu, und dieser machte genau das Gleiche. Mehr und mehr Kritiken zu dem Film kamen aus Augustas’ Mund, doch der Junge genoss das Spiel mit den schwächer werdenden Argumenten und verkündete mit Überzeugung, dass dieser speziell für uns ausgewählte Film EINE BOTSCHAFT hat!

Ich genoss das ganze Schauspiel, während Augustas schließlich aufgab.

Augustas: “Wieviel kostet der Film?
Junge: “Nur einen Dollar.”
Augustas: “Okay, okay, dann gib mir den Film…”

Augustas verlor… Der Junge hatte sich durch seine Ausdauer und sein Redegeschick den Dollar reichlich verdient. Nun schauten wir uns das Bild etwas genauer an. Die Figur auf dem Umschlag glich eher einem Strassenfeger als Pinocchio…

“Wo kaufst du diese Filme eigentlich?” Augustas wollte hinter das Geschäftsgeheimnis steigen. “Nun, ich arbeite mit den Vereinigten Staaten von Amerika!”, liess der junge Geschäftsmann verlauten, der wohl niemals Details über seine Aktivitäten offen darlegen würde.

Zurück zu Hause bemerkte Augustas, dass es sich bei dem Film nur um eine gewöhnliche CD und nicht wie bisher um eine DVD handelte. Augustas legte die CD in den DVD-Player und wir stellten fest, dass es sich um einen spanisch-sprachigen Film, wahrscheinlich “made in Lateinamerika”, handelte. Die Qualität ließ zu wünschen übrig. Zuvor hatte Augustas dem Jungen angekündigt, dass wenn Augustas den Film nicht mag, er die CD wieder umtauschen müsse… Aber für den Moment, verstaubt der Film erst einmal im Regal. Wer weiss, vielleicht kommt ja irgendwann ein depressiver Moment, an dem es Zeit wird, sich den schlechten Streifen zu Gemüte zu führen…

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