Cuenca – Verkehrsknotenpunkt berühmter Tramper

September 1, 2007  
Themen: Ecuador

Agnese – ein Traveller aus Lettland, ist recht bekannt in der Gemeinschaft der Tramper. Sie ist erst vor kurzem 27 Jahre alt geworden, hat bereits zwei Studien abgeschlossen – Musik und Wirtschaft, spielt mit unwahrscheinlicher Leichtigkeit die verschiedensten Musikinstrumente, hat noch nie in ihrem Leben gearbeitet und hat bereits etliche Länder dieser Welt bereist – die meisten davon per Anhalter. Auf diese Weise ist sie allein durch den Mittleren Osten, Griechenland und Lateinamerika gereist – nicht gerade einfache Länder für eine alleinreisende, junge Frau…ihr versteht mich schon. Vor zwei Jahren ist Agnese durch die gesamten Länder Zentralamerikas getrampt und kam letzten Herbst (2006) für einen weiteren Besuch zurück nach Mexiko. Im Januar floh sie regelrecht nach Ekuador, denn sie langweilte sich zutiefst. Mittlerweile hat Agnese bereits ein halbes Jahr in Ekuador verbracht – das Maximum für jeden Besucher dieses Landes, der kein Visa für einen längeren Aufenthalt besitzt. Vor einigen Tagen hat sie schließlich Peru erreicht.

Kurz bevor sie nach Peru entschwand, schafften wir es nach einer einjährigen “Jagd” endlich Agnese in Cuenca zu treffen. Wir waren letztes Jahr zur gleichen Zeit am gleichen Ort, und zwar in Mexico City, doch sind wir uns wie durch ein Wunder nicht über den Weg gelaufen. Wir blieben die ganze Zeit über in Kontakt und nun haben wir es endlich geschafft Angese wiederzusehen. Sie kam zu einen Besuch in unsere neue Wohnung in Cuenca und blieb für ein paar Tage. Während dieser Zeit hat sie uns dramatische Geschichten über das Schlafen auf Parkbänken, unglaublich geschickt eingefädelte Diebstähle und einige unerwünschte Annäherungen von Männern erzählt.

Vor zwei Monaten erfuhr sie den größten Diebstahl ihres Reiselebens. Agnese erzählte uns, dass sie sich bei ihrer Ankunft in Ekuador sicherer als nie zuvor gefühlt hatte (abgesehen von Europa). Sie sprach von Ekuador wie von einem Paradies, unschuldig, friedfertig, wunderschön, bis zu diesem entscheidenden Tag, an dem sie an einer Bushaltestelle in Quito (die Hauptstadt Ekuadors) mitsamt ihrem Gepäck auf einen Freund wartete. Da sie diesen Freund kurz anrufen musste und sie mit ihrem Gepäck nicht in die nahestehende Telefonzelle (“Cabinas”, in den gängigen Telefon-Shops) hineinkam, ließ sie ihren nahezu 30kg schweren, alten Rucksack und eine 25kg schwere, knallrote Reisetasche in der Bushaltestelle zurück. Ihr Telefongespräch dauerte genau 40 Sekunden, doch als sie zurückkam, war ihre 25kg schwere, auffällig rote Reisetasche verschwunden! Niemand hatte etwas gesehen oder gehört. Jeder spielte den Unschuldigen, doch die Tasche war weg. Um die Wahrheit zu sagen, als wir zum ersten Mal von diesem Unglück hörten, dachten wir, dass ihr gesamtes Hab und Gut gestohlen wurde. Wir hatten nie etwas von einem zweiten Gepäckstück gehört. Ihr alter, schäbiger Rucksack stand dagegen unangetastet noch in der selben Ecke, in der sie ihn zurückgelassen hatte. Agnese konnte es einfach nicht glauben. Wer stiehlt schon eine dermaßen auffällige, extrem schwere Tasche? Agnese reiste mit dieser knallroten Reisetasche voller Designerklamotten, Schuhe (vor allem High-heels) und Dingen umher, die sie während ihrer Reise geschenkt bekommen hatte. Wir fragten uns natürlich in diesem Moment, was Agnese mit zwei derartig schweren Gepäckstücken beim Trampen verloren hat. Vielleicht war es einfach zu viel für einen Tramper und das Schicksal hat hier für sie entschieden. Wer weiss.

Augustas wusste einige Geschichten zu erzählen, in denen mir klar wurde, dass “viel zuviele Dinge” einfach Agneses Stil waren bzw. sind. Sie war seit jeher mit übermäßig viel Gepäck gereist. Einmal trampte sie geradewegs von der Schweiz nach Lettland und hatte neben ihrem ohnehin schwerem Rucksack, ein Videoüberwachungssystem (Kamera einschließlich eines kleinen Monitors), dass sie preiswert in einem Geschäft gefunden hatte (doch wer in der Familie braucht so etwas schon?), und obendrei auch noch eine Gitarre bei sich!

Als Agnese hier in Cuenca ankam, hatte sie ihren knapp 30kg schweren, reichlich gebeutelten Rucksack mit, einen Tagesrucksack, in dem sie ein Kopfkissen, eine Decke und andere Geschenke hatte, eine kleine Tasche und ein A3-Karton-Umschlag, in dem sich Zeichnungen eines Freundes befanden, die sie geschenkt bekommen hatte. Ihre Reise geht weiter… 😉

Ein weiteres, unerwartetes Aufeinandertreffen mit einem berühmten Tramper passierte vor ungefähr vier Wochen, als wir noch auf der Suche nach einer Wohnung wahren. Wir hatten das www.CouchSurfing.com Mitglied Ben kontaktiert, der in Checa lebt und dort für zwei Jahre als Peace Corps Volunteer arbeitet (ein Programm für US Bürger). Checa is ein kleines Dorf, ungefähr 15 km von Cuenca entfernt. Wir dachten, dass dort die Mieten etwas günstiger sind und haben uns deswegen dorthin begeben.

An einem Montag morgen kamen wir in Checa an und in Bens Haus hielten sich zwei weitere Besucher aus den USA auf – ein Paar, dass zu jenem Zeitpunkt seit 10 Wochen durch Südamerika reiste.

– “Hallo, wir sind Katja und Augustas”, erwähnten wir zu dem Besucher, der sich in der Küche aufhielt.
– “Oh, hallo, ich bin Ben.”
– “Toll, das scheint das Haus der Bens zu sein ;)”, meinte Augustas witzelnd.

Wir hatten nicht wirklich viel Zeit, um die Konversation fortzusetzen, da wir mit dem Präsidenten von Checa (das ist der Bürgermeister des Dorfes) reden wollten. Leider konnte dieser uns aber kein geeignetes Angebot für eine Wohnung machen. Um genau zu sein schien es, als ob die Leute in dem Dorf nicht sehr offen gegenüber Ausländer waren, zumindest waren sie nicht wirklich bereit, uns bei der Suche nach einer Bleibe zu helfen.

Es war Zeit für uns, nach Cuenca zurückzukehren. Ben zeigte uns noch schnell, wo wir den Bus nehmen konnten, als sich Augustas an die MS Office CD (für die Installation auf unseren Second-Hand Computern) erinnerte, die er sich von Ben borgen wollte. Wir liefen also gemeinsam zurück zu Bens Haus. Während Ben nach der CD suchte, setzten wir das Gespräch mit dem amerikanischen Päärchen fort. Wir redeten über dies und jenes, wie lange wir bereits unterwegs waren, wo wir gewesen sind, was unsere Pläne sind, wann wir zurückkommen…das allgemeine Blabla. Dann erwähnten wir etwas vom Trampen. Während wir durch Kolumbien getrampt waren, hatten sie Peru per Anhalter auf den Kopf gestellt. Dann fanden wir heraus, dass wir alle mit dem polnischen Trampern Kinga & Chopin, die eine fünfjährige Reise durch die Welt gemacht hatten (1998-2003), vertraut waren. Augustas zückte daraufhin unsere “Visiten”-Karte, wo unsere Namen, unsere Email-Adresse und unsere Website draufstehen. Ben, der amerikanische Besucher, schaute sich die Karte an, verzog das Gesicht und meinte, “Warte mal! … Ich kenne eure Website. Ich kenne euch Zwei. Ich bin der amerikanische Tramper mit dem Spitznamen bassdrumben”. “Ja! Natürlich! Wir kennen dich auch!” Was für eine Überraschung. Wir wussten, dass sich Ben (bassdrumben) irgendwo in der Nähe aufhielt, weil Kinga’s Künstlerfreundin Katy [ www.katwise.com ] uns erzählt hatte, dass er sich zusammen mit seiner Freundin in Südamerika aufhielt. Wir konnten es nicht glauben. Wir könnten es als “reinen Zufall” bezeichnen, doch wir wissen, dass es keine Zufälle im Leben gibt. Alles passiert aus einem bestimmten Grund.

[im Bild: bassdrumBen neben Katja und Gastgeber Ben mit einer Tasse in der Hand]

Naoma, 2 x Ben, and us in Checa during an accidental history meeting of hitchhikers

Für die unter euch, die sich für die Reiseberichte (in englisch) von Ben (bassdrumben) interessieren, sind eingeladen seinen Newsletter zu lesen:
http://groups.yahoo.com/group/bassdrumben/
(Ben ist ein Tramper, der den suedlichsten Punkt der Erde damit erreicht hat; mehr Informationen dazu here

Vor einigen Monaten arbeitete Ben als Ingenieur in einem US Hauptforschungsquartier in der Antarktis. Das Magazin “Antartic Sun” hat einen Artikel über ihn veröffentlicht:
http://antarcticsun.usap.gov/2006-2007/documents/10-29-2006_antarcticsun.pdf
[die letzte Seite des PDF-Dokuments]

Übrigens, vor einiger Zeit haben ein paar Filmstudenten eine Reportage mit dem Namen “Wide Open” (Weit Offen) über Ben und seine Reisen durch die USA angefertigt. Hier mehr dazu:
http://www.WideOpenTheMovie.com/

Um zu einem Ende zu kommen, stellt euch einmal vor, wir gehören auch zu den “großen Trampern” auf dieser Liste. Am Ende könnten wir behaupten, dass Cuenca der Verkehrsknotenpunkt für berühmte Tramper ist, nicht wahr? Wer wird wohl der Nächste sein, der unseren Weg hier kreuzt…? 😉

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