Dreißig Jahre gebührend feiern (Mai 17-21, 2008)

Juli 3, 2008  
Themen: Chile

 17. Mai 2008. Augustas 30. Geburtstag war endlich da. Wie sehnsüchtig hatte ich doch auf diesen Tag gewartet! Zwei lange Monate hatte ich klammheimlich mit der Hilfe seiner Familie und meinem Freund Peter aus New York versucht, ein passendes Geburtstagsgeschenk für ihn zu organisieren. Ein Laptop sollte es sein und zwar ein ASUS Eee PC 8GB mit zusätzlicher externer Festplatte. Damit könnte Augustas endlich problemlos entlang des Weges programmieren und wir würden außerdem enorme Internetkosten sparen. Leider ging das Paket erst in den Tagen nach seinem Geburtstag auf den Weg nach Chile. Ich arrangierte also, dass seine Familie dicht hält, bis das Paket sicher in Chile ankommt.

Augustas birthday cake, a surprise organized by Stephanie

Augustas birthday cake, a surprise organized by Stephanie

Ich stand sozusagen mit leeren Händen da, was Augustas auch nicht anders erwartete. Wenn er wüßte…! Doch noch war die Zeit für diese Überraschung nicht gekommen. Stattdessen wartete eine andere auf ihn. Früh am Morgen, als wir zu Stephanie kamen, fand Augustas ein zuckersüßes Tortenstück mit zahlreichen Kerzen auf dem Tisch. Hinzu kam eine wunderschöne Geburtstagskarte. “Danke, Katyte, danke!”, meinte er, während er mich liebevoll in den Arm nahm. “Wieso dankst du mir, der Kuchen stammt von Stephanie.” Wahrscheinlich war ihm klar, dass ich Stephanie zu dieser Idee verholfen hatte. Doch ich schwieg wie ein Grab. Wir zündeten die Kerzen an und Augustas bließ sie in einem Zug aus. Was er sich wohl gewünscht hatte?

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the beans goulash is ready!

the beans goulash is ready!

Es war ein herrlicher Morgen. Da Augustas zum Mittag mein spezielles Bohnengulasch bestellte, erfüllte sich auch dieser Wunsch. Das ganze Kochtheater kostete uns zwar mindestens drei Stunden, da wir nur einen Topf besitzen, aber am Ende lachte ihn sein neuestes Lieblingsgericht an.

Statt in einer Bar eine Menge Geld auszugeben, gönnten wir uns einen besonderen Ausflug zur Valle de la Luna (Mondtal). Wir liefen um 4:30 Uhr morgens los, um den Sonnenaufgang dort zu erleben. Das Ganze unternahmen wir zu Fuß, denn zu so früher Stunde auf dieser abgelegenen Route ließ sich keine Mitfahrgelegenheit finden. Der Weg war holprig, wir kamen einige Male davon ab, fanden einen toten, in zwei geteilten Hund, froren und schwitzten, umgingen das Eintrittsgeld und erreichten schließlich die Valle de la Luna – ein magischer Ort und wie der Name schon sagt, eher mit der Beschaffenheit des Mondes zu vergleichen als mit der Erde. Bevor wir den Wüstengipfel in der Valle de la Luna erklammen, markierte Augustas mit seinen Füßen eine “30” – für seine am Vortag errungenen Lebensjahre – in den Sand.

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Nachdem wir die fantastische Szenerie tief auf uns wirken ließen, liefen wir immer weiter in die Wüste hinein, statt vernünftigerweise umzukehren und gegen 10 Uhr wieder zurück in San Pedro zu sein. Diese Entscheidung kostete uns Blasen an den Füßen, verbrannte Nasen und nahezu völlige Erschöpfung. Auf der anderen Seite bekamen wir dafür wunderschöne Salzkristalle, die Steinformationen namens Tres Marias (Drei Marias) und die Cordillera de Domeyko (Domeykobergkette) zu sehen, stapften durch endlos viel Wüste, bestaunten unglaublich überlebenswillige Pflänzchen, stolperten übere Lamakot statt Lamas und errangen letztlich sogar zwei Ehrenplätze in einem leeren Bus, gesandt von einer der Kupferminen in der Atacamawüste. Eine perfekte Entschädigung für unsere Mühen.

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Am folgenden Tag war es endlich soweit. Augustas Traum von einem Ausflug zu Pferd ging in Erfüllung. Stephanie hatte uns dazu eingeladen und brachte uns auf den Pferderücken von Atila und Negro zur Valle de la Muerte (Todestal). Für mich war es das erste Mal hoch zu Roß. Für Augustas das zweite. Völlige Grünschnäbel also. Nach anfänglicher Schüchternheit im Navigieren unserer Pferde, konnten wir das sanfte Wippen im Trab durch die Wüste voll und ganz genießen. Nach knappen 4 Stunden waren wir allerdings froh, von den Pferderücken wieder absteigen zu können, denn unsere Hintern taten gehörig weh.

Nach einem Tag Pause, entschieden wir unseren Aufenthalt in San Pedro mit einem Besuch zum Salar de Atacama, einem Salzsee, abzuschließen. Den Salzsee erreichten wir nie, fanden aber ein totes Pferd, Ruinen von ehemaligen Wüstenbewohnern, ein Haus, in dem sogar noch eine 1001 Mal geflickte Hose hing, einem Topf mit einem Loch, brachen etliche Male in den Wüstenboden ein und fanden letztendlich orginelle Kunstwerke gefertigt aus Wüstensand.

the house with the door we found above treasures in old trousers pot with hole on wooden pole

Wir begaben uns nach Salta, Argentinien. Da sich bereits in San Pedro unsere Psion-Computer verabschiedet hatten, fing er an, ernsthaft über den Kauf eines ASUS Computers nachzudenken. ‘Hilfe!’, schoß es mir durch den Kopf. Wie konnte ich ihn nur

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davon abhalten, bis ich sicher war, der ASUS kam in Santiago an? Ich versuchte es mit Hinhaltestrategien, so wie ‘wir haben jetzt kein Geld’, ‘laß uns auf die Bezahlung des kommenden Internetprojektes warten’, ‘vielleicht wäre es besser erst nach Chile zurückzukehren und dann weiterzusehen’ usw.

Als ich schließlich herausfand, dass der ASUS Computer in Santiago eingetroffen war, hielt ich es nur noch zwei Tage aus. Dann brach die ganze Wahrheit über dieses Geburtstagsgeschenk mitten auf der Straße aus mir heraus. Augustas Augäpfel sprangen vor Erstaunen fast aus seinen Augenhöhlen, er fing an euphorisch zu lachen und knuddelte mich bis zum Umfallen. Ach, was für eine Erleichterung nach 2,5 Monaten Stillschweigen! All die Emotionen, die sich bei den Vorbereitungen dieser Überraschung angesammelt hatten, schoßen nun aus mir wie ein Feuerwerk heraus.

Eigentlich hatte ich von Correos Chile (Postamt Chile) erfahren, dass ich das Paket für mindestens 30 Tage problemlos in der Zentrale in Santiago aufbewahren lassen kann. Sollte es nicht nach dieser Zeit automatisch zurück an den Absender geschickt werden, müßte auf dem Paket “Lista Sobrante – Por favor retener 90 dias” stehen. Die Anzahl der Aufbewahrungstage konnte ich selbst bestimmen.

Das alles schienen perfekte Konditionen für uns planlose Tomaten. Das Blatt wendete sich, als wir endlich das Correos Chile per Telefon erreichten. Wir wollten einfach nur eine Bestätigung, dass das Paket sicher angekommen ist und nicht aus Versehen zurückgesendet wird. Gabriel, der Chef der Abteilung in der Hauptzentrale von Correos Chile erklärte Augustas, dass das Paket maximal 30 Tage aufbewahrt werden würde. Das brachte uns ins Schwitzen, denn zwischen Salta (Argentinien), wo Augustas mitten in einem Internetprojekt steckte, und Santiago de Chile lagen lockere 2400km. Augustas bat Gabriel, das Paket bis zum 2. Juli vor der Rücksendung zu bewahren. Bis dahin müßten wir es irgendwie bis Santiago schaffen.

Wir begannen unsere Reise nach Santiago in Richtung Mendoza, das parallel zu Santiago auf der argentinischen Seite lag. Nach zwei Tagen und nur 60km Fortschritt in unsere Richtung, gaben wir auf. Wir trampten zurück nach Salta, um die Strecke über Tucuman und Cordoba zu nehmen. Die Entscheidung war goldrichtig, denn wir erfuhren, dass der Pass in Mendoza wegen Schneef
ällen gesperrt ist und wir besser den Paso Jama, den nördlichsten Grenzübergang nehmen sollten. Neben einem Mittagessen in Salta spendiert von Adriana, schafften wir es am gleichen Abend bis Jujuy, wo uns Faustino zu sich nach Hause einlud. Nach einem reichen Abendessen, einer fantastisch warmen Dusche und einer kurzen, super bequemen Nacht in seines Kinders Betten, wurden wir am Morgen von Pedro mitgenommen. Der navigierte einen nagelneuen Bus, den wir nunmehr zu dritt behausten.

in front of our bus

In Susques, 140km vor der chilenischen Grenze, steckten wir für zwei Tage fest. Auch hier hatten Schneefälle zugeschlagen, was für die Jahreszeit reichlich ungewöhnlich und unerwartet kam. Wir konnten dem Schnee also nicht entkommen. Nach zwei Tagen frieren und steigender Ungeduld, schafften wir es endlich bis San Pedro de Atacama. Von dort ging es in einem Ritt bis Calama, dann Antofagasta und bis nachts 2 Uhr bis 190km vor Copiapo. Nach einer etwas frischen Nacht, erreichten wir Copiapo, wo uns gegen 13 Uhr Fernando mitnahm. Der war direkt bis Santiago unterwegs, was sich perfekt traf. Leider saß er in einem alten, klapprigen LKW, der die Kilometer nicht schrumpfen, sondern wachsen ließ. Eine Nacht in einer Tankstelle 90km vor Santiago und eine morgendliche Fahrt in einem luxuriösen Chevrolet brachten uns schließlich ans Ziel.

IMG_1718 IMG_1724 cooking was a challenge due to the altitude; here with Pedro who is waiting for boiled water to make his instant soup as you can see looking at our water bottle

 

temperatures reach -15 at night, and inside the bus it was not much warmer the second night of being stuck in Susques due to snow falls on the Chilean side (and thus closing of the border), Pedro let us sleep in his cabin in the bus - a divine act, making us sleep the entire night without cold or other disturbances IMG_1780 a rare sight IMG_1783

Am frühen Nachmittag des 30. Juni stürmten wir das Postgebäude. Neben Augustas Paket waren gleichzeitig meine langersehnten, 10 Jahre alten Nike-Turnschuhe angekommen. Da uns von drei Mitarbeiter des Correo Chile verschiedene Informationen zur Aufbewahrungsfrist gegeben hatten, bestanden wir vor Begleichung der Aufbewahrungsgebühr auf das Vorlegen der Relamentos (der Regeln).  Die bekamen wir allerdings nicht zu sehen, so sehr wir auch darauf beharrten. Stattdessen wurden uns die Pakete wieder weggenommen und wir wurden gebeten, auf Gabriel zu warten, der sich gerade irgendwo und nirgendwo befand. Reichlich bedient pfiffen wir schließlich auf die Postklauseln, die uns Aufschluß über die wahren Regeln zur Aufbewahrung von Paketen geben sollten. Wir bezahlten die 12000 Pesos (€ 16) Aufbewahrungskosten (300 Pesos täglich ab dem 11. Tag) und schloßen glücklich die Pakete in unsere Arme. Wir breiteten uns beim Auspacken enorm aus, was zu einer Warnung führte. Jedoch nicht von den Postbeamten, sondern einer Dame, die sich Sorgen um Diebe in der Gegend machte.

finally Augustas holds his birthday present in his hands

Augustas war seelig und wäre am liebsten gleich in einer Ecke mit seinem neuen Spielzeug verschwunden. Wir wollten jedoch noch Karla treffen, die den letzten Tag in Santiago war, bevor sie in die USA zurückflog. Karla hatten wir auf der Reise entlang des Rio Napo kennengelernt. Sie war es gewesen, die den lebenswichtigen Kontakt zu Eva hergestellt hatte, die in Iquique an einem Malariaprojekt arbeitet. Über all die Monate blieben wir in Kontakt und versprachen, Karla in Santiago zu besuchen.

Neben dem Computer kam mir mittels Karla die Idee, Augustas Freunden und Familie eine Möglichkeit zu geben, ihm Geburtstagskarten zu schicken. Karla stellte ihre Adresse zur Verfügung und ich sandte sie an alle mir bekannten Email-Kontakte. Das Resultat waren eine handvoll Karten, die Augustas bei unserem Aufeinandertreffen mit Karla in die Hand gedrückt wurden. Eine weitere Überraschung, die wahrhaftig gelungen war.

thanking Karla for the birthday card surprise

Und damit endete Augustas 30. Geburtstag nach insgesamt 1,5 Monaten. Also wenn das nicht unter “ausgiebig feiern” fällt, dann weiß ich auch nicht.

Vielen Dank noch einmal an alle, die den Heimlichkeiten beigesteuert haben und die Wünsche von Augustas in Erfüllung gehen ließen. Ohne euch, hätte ich das nie geschafft!

PS: Wer weiß, ob ich mir mit der Organisation dieser Überraschung nicht selbst ein Grab geschaufelt habe… Seht hier:

if I had known this...

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