Auf Hufen durchs Todestal (Mai 19, 2008)

Juli 3, 2008  
Themen: Chile

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"cabalgata" (spanish for horse ride) towards Valle de la Muerte (Death Valley)

Endlich war der Tag gekommen. Augustas hatte seit Wochen von einem Reitausflug in die Atacama-Wüste geträumt. Als er das Webseiten-Projekt mit  Atacama Horse Adventures in San Pedro an Land gezogen hatte, erwähnte er einige Male, wie schön es doch wäre, wenn wir für den Lohn der Arbeit einen Reitausflug geschenkt bekämen. Ohne zu fragen, hat sich dieser Traum schließlich ganz von allein erfüllt, als Stephanie uns von sich aus zu einem Reitausflug einlud. Wir durften sogar die Route wählen.

Während Augustas schon einmal auf einem Pferd gesessen hatte, war es für mich das allererste Mal im Leben. Wir frühstückten noch, als Stephanie bereits die Pferde vorbereitete. Sie wählte den beigen Hengst Atila für mich, den schwarzen Negro für Augustas und für sich selbst ein Pferd, das als Außenseiter auf der Koppel galt, da es gekauft und nicht vor Ort großgezogen wurde. Sie schnallte die Sättel auf die Pferderücken, legte uns alsbald Poleinas (Chaps) an, um unsere Hosen zu schonen und half uns anschließend aufs Pferd zu steigen. Mich erinnerte der Aufstieg an meine Turnjahre, in denen ich auf ähnliche Weise auf dem Doppelbarren agieren mußte. Zuvor hatte ich mir viele Gedanken darüber gemacht, was die Pferde wohl denken und empfinden, wenn wir uns auf ihre Rücken schwingen. Doch ich kam bis zum Aufstieg

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einfach nicht dahinter. Stephanie wies uns in die Navigation der Pferde ein, schwang sich selbst auf ihren Hengst und schon ritten wir hinaus in die trockenste Wüste der Welt.

Zu Beginn fühlte sich das Navigieren der Pferde etwas merkwürdig an; besonders bei der Überwindung von Hindernissen wie der Autobahn und steil ansteigenden und abfallenden Bergen. Stephanie begleitete uns mit vielen Ratschlägen und übernahm pfeifend die Kontrolle über unsere Pappenheimer, wenn sie, wie zu Beginn häufig, nicht spuren wollten. “Pferde wissen ganz genau, ob sie einen Profi auf dem Rücken tragen oder einen Anfänger. Da sie zwar gerne arbeiten, das Faulenzen aber genauso lieben, freuen sie sich, wenn der Reiter nicht weiß, wie er sie anzutreiben hat.” Dies und noch viel mehr eröffnete uns Stephanie während dem Ausritt und schaffte es auf diese Weise, die Handhabung und Lenkung der Pferde um vieles zu erleichtern.

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Obwohl weit entfernt von einem Western galoppierendem Cowboytrupp, genossen wir den Weg zur und die Erkundung der Valle de la Muerte (Todestal). Ich verstand während dieses Ausritts, was so besonders am Reiten ist und verliebte mich regelrecht in diese Art der Fortbewegung. Ich träumte intensiv von einem Tag, an dem wir mit Pferden einen Ausritt durch die Berge wagen konnten, allerdings einer, den wir allein leiten würden und der zeitlich unbegrenzt wäre. Doch dazu fehlte noch viel.

Als wollte die Natur mir einen Streich spielen, ließ sie den Himmel an diesem Tag besonders blau strahlen. Einige Tage zuvor hatte ich Stephanie eröffnet, dass ich noch keinen vergleichbar blauen Himmel wie den in Zaragoza in Spanien gesehen hatte. Jetzt mußte ich diese Aussage revidieren, denn was da über unseren Köpfen thronte, war mit dem Blau des Zaragoza-Himmels identisch. Stephanie lächelte und ich kam mir vor, als würde ich Schlafwandeln.

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Die Passagen, die wir auf dem Weg zur Valle de la Muerte durchschritten, wuchsen links und rechts mächtig über uns hinaus. Selbst zu Pferd ließ uns die Gegend klein aussehen, regelrecht machtlos. Das sich treiben lassen in den starken Farbkontrasten der Wüste, den aufragenden, rötlichen Bergen und den dunkelblauem Himmel wirkte bezaubernd.

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Unterwegs begegneten uns andere Besucher des Todestals, die entweder zu Fuß, mit einem Fahrrad, dem Auto oder wie wir mit dem Pferd unterwegs waren. Von allen Fortbewegungsarten gefiel mir unsere am besten, denn die Eleganz und die geschmeidigen Bewegungen der Pferde gaben diesem Ausflug erst die richtige Atmosphäre.

Ritten wir drei nebeneinaner, dauerte es keine fünf Minuten, bis Negro und Atila mit Stephanies Hengst zu stänkern anfingen. Anfangs begriffen wir dies noch nicht und ließen die Pferde gewähren. Stephanie wußte jedoch genau, worauf die Beiden aus waren. Mit der Zeit mußte Stephanie nicht mehr den Weg räumen, sondern wir bewegten unsere Hengste zum Einhalten eines gebührenden Abstands. Der arme, hinzugekaufte Kerl tat mir furchtbar leid. Da wir auf diesem kurzen Ausritt mit nur drei Pferden bereits die Spannung zwischen diesen Wesen zu spüren bekamen, fragte ich mich, wie es ihm wohl als einziger Außenseiter von 40 Pferden auf der Koppel erging.

Nachdem wir die Valle de la Muerte hochgaloppiert waren, ließen wir die Pferde ein wenig im Schatten ausruhen. Stephanie hatte alle Hände voll zu tun, um die Pferde unter Kontrolle zu behalten. Grund dafür waren unsere Äpfel und Birnen, die wir aus den Rucksäcken zauberten. Als wir Stephanie schließlich eine Birne reichten, neigten sich die Pferdenasen in ihre Richtung und die Pferdemäuler waren bereit, die Frucht für sich selbst zu reservieren. Doch Stephanie gab nicht nach.

breathtaking views

Ich hatte mein Gymnastikband auf den Ausflug mitgenommen, doch zögerte mittlerweile, es zu benutzen. Ich fühlte, dass die Pferde das Schwingen des Bandes irritieren könnte und ließ deswegen von der Idee ab. Augustas erinnerte sich ausgerechnet in jenem Moment an unser Vorhaben, in der Wüste ein paar Bilder mit dem Band zu machen und drängte mich zu dessen Benutzung. Vage rollte ich es aus und machte eine Kreisbewegung damit. Die Pferde rissen ihre Köpfe nach oben und bereiteten Stephanie Mühe, sie am Zaumzeug festzuhalten. “Benutzt das Band bitte außerhalb Sichtweite, es irritiert die Pferde.” Hatte ich doch recht behalten. Um das Ganze nun doch noch zu vollbringen, zerrte ich Augustas verbal bis in einen Winkel, wo die Pferde uns nicht zusehen konnten. Das rote Band und meine Verkleidung leuchteten im Kontrast mit dem weißgelben Wüstensand und tiefblauen Himmel. In diesem Moment war ich der Star des Universums.

artistic body work above Death Valley

Wir waren gerade fertig mit den Aufnahmen des schwingenden Bandes, da erspähten wir eine sechsköpfige Reisetrupp, die auch zu Pferd unterwegs war. Sie befanden sich weit entfernt, hoch oben über unserem Standpunkt.

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Auf dem Weg zurück zu Stephanie, sahen wir einen schwarzen Hund im Schatten liegen. War das Jack, unser treuer Begleiter? Nein, er gehörte wohl zu der anderen Reitgruppe. Aber er war scheinbar genauso schlau wie Jack. Der begleitete uns zwar den gesamten Ausritt über, spielte aber eine Art Schattenhasche. Er lief uns ein ganzen Stück voraus, machte es sich in der Kühle eines Bergschattens breit und wartete, bis wir an ihm vorbeizogen. ‘Da seid ihr ja endlich! Was für lahme Enten, pah!’ So oder so ähnlich dachte Jack mit Sicherheit. Manchmal war ihm aber das Vorauslaufen zu anstrengend und so lief er gemächlich im Schatten der Pferde mit uns mit. Stephanie erzählte, dass es bei aufkommender Müdigkeit sogar soweit kommt, dass Jack den Pferdetrupp zum Anhalten zwingt, indem er sich ihnen mitten in den Weg setzt. Das macht er so lange, bis er aufs Pferd aufsteigen darf, auf dem er sich dann wie ein nasser Sack hängen läßt. Man stelle sich dazu den Reiter auf dem Sattel vor und Jack hinter ihm, die Vorderläufe auf der rechten Seite des Pferdes, die Hinterläufe auf der link
en herunterhängend. Ein urkomisches Bild, dass mich sicher vor Lachen vom Pferd fallen ließe, würde ich diesem Ereignis persönlich beiwohnen.

as fast as they were gallopping down the hill - a western film is nothing compared to it

Wir stiegen wieder auf und als wir lostrabten kam mit vollem Schwung die andere Reitgruppe angebraust. Die Reiter schwangen ihre Füße in die Pferdeleiber, was die Tiere zu ungeahnten Geschwindigkeiten bewegte. Dazu pfiffen und jauchzten die Reiter lautstark, so dass man annehmen konnte, wir wären in einem Wildwesternfilm gelandet. Es war schon faszinierend, wie der Wüstensand aufstob, als sie sich galoppierend den Hang hinunterbewegten. Wir hätten das gerne nachgemacht, waren aber gleichzeitig froh, nicht unter ihnen zu sein. Wir übten uns mit unseren knapp zweistündigen Reitanfängerkünsten lieber im Trab und glitten sanft und langsam den Hang hinab.

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Der Weg zurück war weitaus schneller als der Hinweg. “Die Pferde wissen, dass es Heim geht und dort Wasser und Heu auf sie wartet”, erklärte Stephanie. Rückzu bräuchten sie kaum gelenkt zu werden, denn sie kannten den Weg gut. Die Überwindung von Steigungen war nicht die leichteste Aufgabe für die Pferde. Sie sträuben sich vor dieser Arbeit. In solchen Momenten benötigten wir Stephanies Movitation, um sie entsprechend anzutreiben, denn wir behandelten sie eher wie kostbare Porzellantassen. Mein Pferd liebte es zu resignieren. Es dachte wohl, ich würde es mir noch einmal anders überlegen. Nichts da! Mit Stephanies Zuspruch und der Überwindung, ein wenig fester in den Leib meines Hengstes zu treten, erklommen wir schließlich die notwendigen Gipfel. Hinunter war um einiges leichter für das Pferd, doch für uns noch reichlich ungewöhnlich. Wären da keine Steigbügel gewesen, hätten wir sicher einer Rutschpartie über die Köpfe der Pferde hinweg beigewohnt. Die letzten Meter bis zur Ranch sehnten auch wir uns herbei, denn uns taten nach diesem sanften Ausritt gehörig die Hintern weh. “Mit der Zeit bildet sich eine entsprechende Hornhaut am Hintern, man spürt es also irgendwann nicht mehr”, meinte Stephanie triumphierend. Wie viele Reitstunden würden wir wohl für die Bildung einer solchen Schicht an unseren Allerwertesten benötigten?

saving my face, especially nose, from being burned - I felt like a real cowboy!

Zurück auf der Ranch fanden wir Juan in der Küche vor. Hier kam dann die Episode mit der Waschmaschine, die wohl zusätzlich zu Juan’s unerklärlichem Stimmungswandel beigetragen hatte. Während wir die versprochenen Eierkuchen (Pfannkuchen) zubereiteten, bekam Stephanie das ganze Ausmaß von Juan’s schlechter Laune zu spüren. Die Luft brannte, doch da Juan nicht mit der Sprache herausrückte, waren Stephanie die Hände gebunden. Juan änderte seine Meinung, alleine auf den abendlichen Ausritt zu gehen, innerhalb kürzester Zeit. Stephanie war also gezwungen, die Pferde für den Ausritt fertig zu machen. Wie sie das wohl meisterte? Kurz vor Stephanies Ausritt schafften wir es glücklicherweise, uns ausgiebig an den selbstgemachten Eierkuchen mit Früchten, Marmelade und sogar flüssiger Schokolade zu laben. Stephanie begann diese abendliche Tour also zumindest mit einem wohlgefüllten Magen.

Der Vollmond stand in einem bezaubernden Glanz über San Pedro, als wir gegen 18Uhr in Stephanies Haus einkehrten. Wir erledigten unsere Einkäufe und während wir auf der Straße überlegten, sahen wir Juan in einem der Läden stehen. Wie konnte das sein? War der Ausritt etwa schon vorbei? Wo war dann Stephanie? Wir hatten wenig Lust, mit Juan zu kommunizieren und so begnügten wir uns mit der Erklärung, dass Stephanie wahrscheinlich noch die Pferde im Stall versorgte.

Bei Stephanies Rückkehr erfuhren wir jedoch die ganze Wahrheit. Juan war eine halbe Stunde nach Beginn des Ausritts zur Stadt zurückgekehrt, weil es ihm angeblich zu kalt war. Das es Stephanie mit ihrem dünnen Jäckchen nicht anders erging, interessierte ihn wenig. Sie bat Juan also nur darum, seinen Umhang an sie abzutreten und vergnügte sich allein mit der englischen Reisegruppe. Juan war schon ein komischer Kauz, doch diese Anfälle ließen Stephanie nicht auf die Palme gehen. Am nächsten Tag schien alles wieder in Butter. Der Teufel, der ihm wohl während der letzten Tage geritten hatte, schien erfolgreich ausgetrieben und auf die Ranch kehrte wieder Harmonie zurück.

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