Ueberfallen und genoetigt von Ameisen (August 28-29)
September 11, 2006
Themen: Guatemala
Bereits um 4 Uhr morgens rafften wir uns flux auf, mit dem Vorhaben bei Tagesanbruch von der Farm verschwunden zu sein. Der Regen machte uns einen Strich durch die Rechnung. Wir verliessen die Farm erst gegen 8 Uhr, hatten aber Glueck, dass bis dahin keiner auf der Farm vorbeischaute. Wir schlichen uns hinaus, verriegelten das Tor und wuschen unsere Gesichter und Haende ein paar Meter weiter im Regenwasser, was die Strasse hinunterfloss. Wir liefen ein Stueck weit, hielten aber bald an, um auf ein Auto zu warten. Wir hatten nicht viel Hoffnung, da seit unseres Erwachens nur ein Auto die Strasse passiert hatte.
Als wir dann bei einer Familie vorbeikamen, die von jung bis alt im Hof versammelt war und uns verwundert anschaute, erfuhren wir, dass kein Transport die Strasse passieren wird, da der Fluss, der letzte durch den wir am Vortag durchwaten mussten, zu hoch sei. Wir bedankten uns herzlich und fragten, ob wir unseren Abfall bei ihnen lassen koennten. Daraufhin zeigte ein Junge mit seinem ausgestrecktem Arm auf die gegenueberlegende Strassenseite, die einzig aus Natur bestand, und meinte ‘schmeisst es einfach dorthin’. Ich schuettelte mit regem Unverstaendnis meinen Kopf und meinte nur, dass wir genau das vermeiden wollen. Daraufhin begegnete uns Unverstaendnis von deren Seite. Wir gingen soweit, bis wir aus der Sichtweite der Familie verschwunden waren und machten eine Pause.
Keine 10 Minuten spaeter hoerten wir einen Minibus hupen. Als dieser nahe genug kam, war auf den ersten Blick zu sehen, dass nicht einmal eine Ameise mehr haette Platz darin finden koennen. Wir warteten und bald kam der naechste Minibus, der angenehm leer war. Wir nahmen Platz und genossen es uns bei guatemalischer Radiomusik gen Chacté zu bewegen.
Dort angekommen erstanden wir ein paar frische, knackige Aepfel und bewegten uns in Richtung San Luis. Da wir nicht genau wussten, wo Chacté liegt, gingen wir mit dieser Entscheidung in die falsche Richtung. Nach 20 Minuten bergab laufen wurden wir so skeptisch, dass wir einige Arbeiter fragten, wo lang es nach Coban geht. Wir wurden auf die Richtung verwiesen aus der wir kamen. Wir trampten das Stueck zurueck, und am anderen Ende von Chacté angekommen bekamen wir prompt eine Mitfahrgelegenheit in unsere Richtung.
Der Fahrer, seine Frau und ein dritter maennlicher Begleiter hatten es sehr eilig. Sie wollten nach Copan, Honduras. Wir nach Coban, Guatemala. Sie luden uns auf und wir vereinbarten, dass sie uns bis zur Abzweigung Richtung Sebol mitnehmen. Sie fuhren wie die Henker. Wir hatten zu kaempfen, dass wir in den Kurven nicht mit einem Mal aus dem Wagen fielen. Ich schaetzte die Geschwindigkeit auf um die 200km/h. Auch wenn es letztlich etwas langsamer war, wir schienen die Schnellsten auf der Strasse zu sein.
Wir fuhren kurvenreiche Strassen, bis wir das Richtungsschild nach Sebol entdeckten. Wir haemmerten wie wild auf das Auto ein, damit es anhielt und wir unsere Route weiterziehen konnten. Mitten auf der zweispurigen Schnellstrasse, wo es keine Haltemoeglichkeit gab, hielt unser Fahrer an. Wir klaerten, dass wir ueber Sebol weiterreisen werden. Daraufhin wendete der Fahrer mitten auf der Schnellstrasse. Wir hatten grosses Glueck, dass in dem Moment kein Auto kam, denn die Wendestelle lag nicht weit von einer Kurve entfernt. Wir wurden zu unserer gewuenschten Strasse gebracht und verabschiedeten uns.
Erst beim Anblick der Strasse wurde uns klar, dass wir uns auf einen reichlich unbefahrenen Weg katapultiert hatten. Wir reagierten schnell. Da unsere Fahrer noch fuer einen Snack anhielten, liess ich mir zeigen wo genau sie entlang fahren werden. Bis zum Rio Hondo hiess es. Wir stiegen wieder auf und weiter ging die rasante Fahrt. Wir machten es uns diesmal ein wenig bequemer und verschwendeten vorsichtshalber keinen Gedanken an die Geschwindigkeit.
Waehrend der Fahrt passierten wir einige Armee- und Polizeikontrollposten, bei denen mir jedes Mal das Herz in die Hose rutschte, da wir uns noch nicht in Guatemala registrieren haben lassen. Gluecklicherweise hielten sie uns nicht an. In Rio Dulce, am Lago de Izabal hielten unsere Fahrer an. Rio Dulce ist fuer uns ein wenig attraktiver Ort, voller Autos, Geschaefte, und Touristen. Waehrend unsere Fahrer Fisch einkaufen gingen, warteten wir am Auto und beobachteten traditionell gekleidete Frauen beim Tortilla herstellen. Wir kauften 4 Stueck fuer 1 Quetzal (0,10 Euro). Sie schmeckten nach nicht viel, so dass wir unsere halbzerquetschten Bananen dazwischenlegten, um sie leckerer zu machen. Dann hiess es wieder aufsitzen. Die zwei Tortilladamen staunten nicht schlecht, dass wir weissen “Touristen” uns auf die Ladeflaeche eines Pick-Ups setzten. Als ich dann laechelte, gab es ein herzlichen Laecheln zurueck von beiden Damen. Dazu schwangen sie vor Freude ihre Haende als Abschiedsgruss.
Wir hielten noch ein paar mal an, bis wir nach knapp 5 Stunden endlich in Rio Hondo ankamen. Unsere Hintern waren bereits wundgesessen und wir waren ausserordentlich froh, endlich absteigen zu koennen. Ein Stueck weiter, kurz vor einem Hotel versuchten wir erneut unser Glueck und wurden bald bis El Rancho gebracht.
Als wir uns aufmachten El Rancho zu Fuss zu verlassen, kam uns ein Herr mit einem Kind an der Hand hinterhergelaufen. Als wir erklaerten wo wir hin wollten, mahnte er uns, dass auf der Strasse nach Coban viele nur darauf warten wuerden, Leute wie uns auszurauben. Wir bedankten uns fuer die Auskunft, liessen diese Information aber nicht sehr weit in unseren Kopf vordringen. Wir schafften es bald, ein weiteres Auto anzuhalten. Dieses machte alsbald an einem Restaurant halt, wodurch wir ueberlegten, fuer diese Nacht nicht gleich dort zu bleiben, da es auf der gegenueberliegenden Strassenseite einen guten Platz zum zelten zu geben schien. Nach einem Gespraech mit der Imbissbesitzerin auf der anderen Strassenseite und dem Erkunden der naeheren Umgebung liessen wir aber davon ab. Wir entschieden uns mit dem Pick-Up bis Morazan weiterzufahren. Dazu wurden wir wiederum an einer Kreuzung herausgelassen, da Morazan nicht direkt an der Schnellstrasse liegt. Statt nach Morazan zu gehen und Einwohner zwecks Uebernachtung um Hilfe zu bitten, schlug Augustas einen Ort vor der nicht weit von der Kreuzung entfernt lag. Wir hatten ihn waehrend der Fahrt gesehen. Dort stand ein alter, grosser verrosteter Benzintank. Wir gingen bergauf und warteten einen unbeobachteten Moment ab, um ueber den Stachdrahtzaun zu steigen und uns hinter den Bueschen zu verstecken. Schliesslich sollte niemand wissen, dass wir die Nacht dort verbringen wollten. Wir erkundeten unser Nachtlager ein wenig, um einen geeigneten Standort fuers Zelt zu finden. Dabei mussten wir durch dermassen viel Dornengestruepp und Dornenbaeume, dass es mir die Hosen an einigen Stellen ein- und zerriss. Endlich fanden wir ein optimales Plaetzchen und befreiten es von all dem Dornengestruepp. Als wir zurueck zu unseren Rucksaecken schlichen, um sie zu unserem Nachtlager zu transportieren, hielt ein Auto an. Wir hockten uns neben die Rucksaecke und warteten ab. Als dann eine Frau um die Ecke kam, in der Absicht unversehrt ihr Pippi zu erledigen, taten wir als packten wir etwas zusammen. Die Frau muss vielleicht einen Schreck bekommen haben, dass auf so einem verlassenen Stueck Erde zwei Auslaender pausierten. Sie drehte sofort um, und fuhr mit Mann und Kind davon.
Wir bauten das Zelt auf und verschwanden bald erschoepft in dessen Inneren. Da wir uns seit Tagen nicht gewaschen hatten, ich mir aber einen Sonnenbrand an Armen und Beinen zugezogen hatte und diesen mit reichlich Creme behandeln wollte, fand ich selbst bei unserem Wassermangel noch eine Moeglichkeit, mich etwas frisch zu machen. Ich nahm den Waschlappen, den ich fuer Notfaelle bei mir trug, unsere kleine Plastikdose und ein Taschentuch. Dazu vielleicht 200ml Wasser. Ich liess den Waschlappen mit Wasser vollsaugen und fing an meinen Koerper abzureiben. Fuer empfindliche Stellen nahm ich das Taschentuch. Ich wusch mich im Dunkeln, abwechselnd den Koerper abreibend und die Waschutensilien auswaschend. Ich schaffte es nach geraumer Zeit sitzend meinen gesamten Koerper zu waschen. Freudig trug ich die Creme auf, die wie Eiscreme auf meiner geschundenen Haut zerschmolz und wie von einem Schwamm aufgesogen wurde. Augustas, der waehrend der ganzen Prozedur geschlafen hatte, machte es mir nach.
Da wir hungrig waren und nichts weiter als Kartoffeln, Moehren und Haferflocken hatten, entschieden wir uns spaet am Abend zu kochen. Augustas hockte draussen beim Campingkocher und bereitete alles zu. Dabei wurde er wie verrueckt von Ameisen angefallen. Er huepfte die ganze Zeit von einer Stelle zur anderen, um irgendwie seine Fuesse zu retten. Dazu kamen so eine Art Mini-Fliegen, die liebend gerne am Blut eines Menschen saugen. Augustas befand sich nicht gerade in einer angenehmen Lage, was aber auf das Resultat unseres Nachtmahls keinen Einfluss hatte.
Leider dauerte der anschliessende Erholungsschlaf nur knappe zwei Stunden an. Dann wurde der unbewusste Schmerz, den ich bereits seit einiger Zeit an den Beinen und am Gesaess verspuerte, unertraeglich. Ich wachte auf und wusste, dass ich von Ameisen angegriffen wurde. Sie bissen ueberall hin, in Beine, Hintern, Arme, Bauch, Ruecken… Augustas schien nicht davon betroffen zu sein. Wir machten die Taschenlampe an und sahen die Bescherung. Mein ganzer Rucksack war von einer Armee von Ameisen befallen. In allen nur erdenklichen Winkeln bildeten sie verkehrsreiche Strasse und geschaeftiges Treiben. Scheinbar waren sie irgendwie durch das Belueftungsfenster hineingekommen, was auch komplett mit Ameisen voll war. Meine Matraze war auch dabei in Beschlag genommen zu werden, da sie direkt an meinen Rucksack grenzte. Wir suchten krampfhaft nach einer Loesung, wobei uns nur mein Gesichtsreinigungsspray einfiel. Wie wild spruehten wir auf die Ameisen ein, in der Hoffnung, dass es sie ausser Gefecht setzen wuerde. Zu allem Uebel versagte uns die Taschenlampe ausgerechnet in diesem Ueberlebenskammpf den Dienst. Wir halfen uns mit Streichhoelzern und spaeter mit einer Kerze, was zwar bezueglich der leichten Entzuendbarkeit unseres Zeltes und unserer Matrazen keine behagende, aber notwendige Aktion war. Dazu kam noch, dass wir bei jedem sich naehernden Auto die Kerze ausblasen mussten, da wir in der stockdunklen Nacht sonst definitiv entdeckt worden waeren. Als der Gesichtsreiniger keine Wirkung zeigte, kam mir noch die Idee, Wunddesinfektionsspray zu benutzen. Das legte die Ameisen teilweise lahm, ob sie aber wirklich ausser Gefecht gesetzt waren, konnten wir nur erhoffen. Die Ameisen verschwanden ein wenig, wohl aber eher unter meinem Rucksack anstatt aus dem Zelt. Nach einer Stunde gaben wir den Kampf auf. Ich tauschte die Seite mit Augustas, so dass er nahe der Ameisen schlief und nicht wieder ich mit Bissen belaestigt wurde. Bevor wir endlich wieder schlafen gingen, gab mir Augustas noch eine Massage, obwohl es bereits 3 Uhr morgens war.
Bis zum Morgen ging es dann recht ruhig in unserem Zelt zu. Beim Aufwachen entdeckten wir noch immer eine ausreichende Menge an Ameisen, die uns allerdings in Ruhe liessen. Eigenartig war fuer uns, dass sie den Rucksack mit dem Essen ueberhaupt nicht interessierte. Einzig mein Rucksack schien sie magisch anzuziehen. Erschoepft von dieser Nacht, packten wir zusammen und hofften auf eine baldige positive Wende unserer Weiterreise.
Waehrend des Zusammenpackens kam ein Mann vorbei, der einen Revolver an seinem Guertel trug. Er erkundigte sich nach dem Grund unseres Aufenthaltes, den wir klar darlegten. Der Mann war so eine Art Wachperson, der den alten, noch gefuellten! Benzintank bewachen musste. Als wir soweit fertig waren und nur noch das Zelt zusammengelegt werden musste, wurde ich auch noch von einer Wespe gestochen. Da lief das Fass dann endgueltig ueber und ich fing an vor Schmerz zu heulen. Ich hatte die Nase voll und war sauer, dass die Wespe ausgerechnet in die duennste Stelle meines kleinen Fingers stechen musste, der daraufhin auf das mindestens zweifache anschwoll.
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