Ueber drei Ecken nach Suedamerika (Mai 11 – 31)
Juni 11, 2007
Themen: Europa
Wir waren also zurueck in Costa Rica und eigentlich haetten wir uns jetzt Gedanken zur Ueberquerung des Darien-Gap machen muessen, da es ja von Panama nach Kolumbien keine Strasse gibt. Doch blieb uns das erspart, da uns das Glueck mal wieder auf die Spruenge geholfen hatte.
Zurueck nach Panama im Maerz 2007. Wir waren gerade in Panama Stadt und hatten bereits einen Aushang in der Marine gemacht, da wir ja vorhatten Ende Mai oder Anfang Juni mit einem Segelboot von Panama nach Kolumbien ueberzusetzen. Da erhielten wir eine Email von Augustas’ Stiefvater: “Wuerdet ihr eine Einladung zu Audrones (Augustas’ Mutter) Geburtstag, wo ihr als Ueberraschungsgeschenk auftauchen sollt, annehmen?” Wir konnten es nicht glauben. Mit so etwas hatten wir nicht im Entferntesten gerechnet.
Wir waren begeistert, da wir so endlich unsere Familien und Freunde wiedersehen konnten. Es war ein unbeschreibliches Gluecksgefuehl sich vorzustellen, was solch ein Ueberraschungsbesuch bei uns und auch bei unseren Familien und Freunden ausloesen wuerde. Wir hatten Schmetterlinge im Bauch und Glueckstraenen tauchten bei den Gedanken an solch einen unangekuendigten Besuch auf. Wir sagten zu und beschlossen keinem ein Woertchen davon zu verraten.
Im Grunde genommen grenzte diese Einladung wirklich an ein Wunder. Wir konnten auf diese Weise nicht nur unsere Bunde zwischen Familien und Freunden auffrischen, sondern auch problemlos von Zentral- nach Suedamerika reisen, und zwar mittels eines Gabelfluges. Es kostete uns einige Zeit, bis wir endlich einen passenden und bezahlbaren Flug in Zusammenarbeit mit www.Traveltopia.de gefunden hatten. Wir fanden auch alsbald eine Adresse, an die unsere Flugtickets in Costa Rica gesendet werden konnten. Das glueckte uns mithilfe des www.Hospitalityclub.org Mitglieds Roy, der in San Jose lebte.
Es stand also fest, wir wuerden am 11. Mai 2007 in den Flieger steigen und ueber Venezuela und Frankreich nach Deutschland fliegen. Wir mussten jeden Besuch genau planen, da wir nur drei Wochen fuer unseren “Urlaub” in Europa hatten.
Unser Besuch blieb mittels viel Geschick geheim und so landeten wir still und leise am 11. Mai 2007 um 13 Uhr in Berlin. Wir standen etwas unter Zeitdruck, da wir uns fuer 14 Uhr am Ostbahnhof bereits eine Mitfahrzentrale nach Leipzig organisiert hatten. Alle unsere Fluege hatten aber Verspaetung gehabt, so dass wir uns sputen mussten. Sputen konnten wir uns letztlich nicht, da unser gesamtes Gepaeck nicht mit angekommen war. Eine Meldung beim Verlustbuero ergab, dass sich die ganzen Sachen noch in Venezuela befanden. Mh. Gar nicht schlecht, fand ich. So mussten wir wenigstens nicht mit unserem Gepaeck durch Berlin gurken. Wir gaben eine Verlustanzeige auf und uns wurde versichert, dass wir die Rucksaecke wiederbekommen wuerden. Ein kurzer Anruf bei unserer Fahrerin der Mitfahrzentrale ergab ueberraschend, dass sie die Abfahrtszeit kurzfristig auf 15 Uhr verschoben hatte. Welch ein Glueck! Wir hatten also noch genuegend Zeit. Zudem fanden wir heraus, dass bei Verlust der Gepaeckstuecke in dem Falle ein Nottaschengeld von der Air France gezahlt wuerde, wenn wir nicht im Ankunftsort ansaessig waren. Das waren wir nicht und somit betrug das Taschengeld 100 Euro pro Person, was uns den Verlust der Sachen regelrecht versuesste. Wir muessten das Geld zwar vorschiessen und erst die Belege einreichen, um die Kosten fuer eine Ueberbrueckungsausstattung (ein paar Unterhosen, Struempfe, etc.) wiederzubekommen, aber die Klausel in der Verlustenmeldung besagte, dass wir das Geld wiederbekommen wuerden. Also besser ging es ja wohl nicht.
Um 17 Uhr waren wir endlich in Leipzig und standen alsbald vor der Grundschule, in der meine Mutter Stephanie arbeitete. Sie war die erste Person, die es zu ueberraschen galt. Wir schlichen uns ins Schulgebaeude und hoerten schon bei Betreten der Treppe die Stimme meiner Mutter. Froehlich plaudernd kam sie uns immer weiter entgegen. Wir machten den Fotoapparat startklar, denn wir wollten diesen Ueberraschungsmoment gern bildlich festhalten. Dann war es so weit. Meine Mutter entdeckte uns. Wir gruessten mit einem unschuldigen und freundlichen “Hallo”, was meine Mutter froehlich traellernd erwiderte. Ich grinste, denn genau das hatte ich mir gedacht. Sie hatte uns nicht gleich erkannt. Meine Mutter brauchte eine ganze Weile, bis sie wahrnahm, wer da eigentlich vor ihr stand. Mit einem “Ihr seid unmoeglich!”-Ausdruck in ihrem Gesicht lichteten sich die Wolken und meiner Mutter wurde klar, dass ihre Tochter samt Freund vor ihr standen. Ach, was fuer ein herzliches Wiedersehen! Ich konnte meine Freudentraenen nicht unterdruecken und so richtig reden konnte ich auch nicht. Spaeter erklaerte meine Mutter, was bei unserem Auftauchen in ihrem Kopf vorging. Zuerst: “Wer sind denn diese Eltern, die hast du ja noch nie hier gesehen?” Als sie dann merkte, dass Fotos von ihr geschossen wurden, stellte sie erschreckt fest, “Um Himmels willen! Journalisten! Wie schaffe ich mir die nur wieder vom Hals?” Das Wissen ueber diese Gedanken verbunden mit dem Gesichtsausdruck meiner Mutter bei unserem Auftauchen, fuehrte zu regelrechten Lachkraempfen unsererseits. Genauso hatte ich mir das Wiedersehen vorgestellt!
Die naechste Ueberraschung war fuer meine juengste Schwester Carmen und ihre Tochter Aliyah bestimmt. Meine Mutter hatte die beiden Samstag Nachmittag unschuldig zum Kaffee eingeladen. Leider waren wir an dem Tag lange wegen dem Kauf von Anziehsachen unterwegs, da unsere Rucksaecke noch nicht angekommen waren und wir dringend etwas waermeres zum Anziehen brauchten. Zudem hatten wir erfahren, dass der Dalai Lama zur Osgar-Verleihung ins Neue Rathaus Leipzig eingeladen war und seinen Besuch bereits angekuendigt hatte. Statt also nach dem Einkauf schnurstracks zum Haus meiner Mutter zurueckzukehren, nutzten wir die einmalige
Gelegenheit, einen kurzen Blick auf diesen wunderbaren Menschen zu werfen. Wir mussten lange warten, doch wurden letztlich belohnt. Wir sahen ihn inmitten von 12 oder mehr Sicherheitsleuten an uns vorbeischreiten. Unsere Knie wurden weich und Gluecksmaennlein tanzten in unseren Baeuchen, als er wuerdevoll und mit seinem so tiefgreifenden, zufriedenen Laecheln an uns vorbeizog.
Wir kamen also erst am spaeten Nachmittag an und wer haette es gedacht, meine Schwester Carmen hatte auch ohne meine Anwesenheit sofort erraten, wer da ploetzlich aufgetaucht war. Meine Mutter hatte, wie ueblich, eine Menge spezieller Leckereien fuer uns eingekauft und sie stolz auf ihrem Kuechentisch praesentiert. Ein fluechtiger Blick darauf genuegte und Carmen wusste sofort, dass wir aufgetaucht waren. Auch hier gab es ein herzliches Wiedersehen, viele Umarmungen und Kuesschen. Obendrauf fertigten Mutti und Carmen die leckerste Kartoffelsuppe der Welt, nach althergebrachten Familienrezept, an. Oh, welch ein Festschmauss! Den Abend verbrachten wir hauptsaechlich mit Spielen, denn die vierjaehrige Aliyah nahm uns komplett in Anspruch.
Am naechsten Morgen machte ich mich allein nach Gera auf, da dort meine Schwester Christina mit Partner Dirk und ihren drei Soehnen wohnt. Dirk machte verwundert die Tuer auf und schon schlich ich mich still und leise in die Kueche, wo Christina am Herd stand. Bei meinem “Hallo, da bin ich mal wieder” drehte sie sich erstaunt um und laechelte mich mit ihrem “Typisch!”-Blick an. Es war so wunderschoen Christina in meinen Armen zu halten. Wahre Wiedersehensfreude gab es auch bei Tina’s Kindern. Dem folgten Stunden voller Spielereien,
Fragerunden und Erlebnisberichten. Ich lernte den Kindern neue Zahnputztechniken und erklaerte was man als Vegetarier so alles ist. Da kamen Fragen wie, “Isst du auch Schokolade?” Ja, esse ich. “Cool, na dann mag ich vegetarisches Essen.” “Kannste auch Eis essen?” Ja, kann ich. “Vegetarier sein ist ok.” Mich brachten diese Feststellungen wirklich zum Schmunzeln.
Am gleichen Tage folgte der Besuch bei meiner Tante Brigitte und meinem aeltesten Bruder Rene. Auch dort stand Ueberraschung ins Gesicht geschrieben, als wir sie beim Nachhausekommen gleich im Treppenhaus begruessten. Sie zeigte uns daraufhin sofort ihre Katzenfamilie, die sie draussen im Hof liebevoll versorgte. Die 5 Katzenkinder waren gerade einmal 9 Wochen alt. Diese kleinen, flauschigen, buntgestreiften Katzenbabies waren ein Anblick fuer die Goetter. Kurz darauf stellte meine Tante erschrocken fest, dass sie nur zwei Pfannkuchen fuers Vesper gekauft hatte. Aber meine Mutter hat uns ja voraussehenderweise mit einem Beutel frischer Baeckerbroetchen lossgeschickt, so dass meine Tante unseren Besuch geniessen konnte, anstatt sich Sorgen ueber das Fuellen unserer Baeuche zu machen. Es glueckte uns an diesem Tage sogar einmal, ein tolles Foto von uns allen zu machen. Normalerweise nehmen Rene und Brigitte naemlich sofort reissaus.
Jetzt fehlte nur noch mein Bruder Marco, der allerdings bis zum Schluss unseres Ueberraschungsbesuches in Europa warten musste, da er in einem anderen Teil Deutschlands lebte.
Dorit, eine herzensgute Freundin, lud uns in ihr Haus ein, so dass wir von Anfang an eine Unterkunft in Berlin hatten. Ach, war es schoen Dorit wiederzusehen! Wir hatten 2005 neun Monate zusammen gearbeitet und mit ihrem besonderen Humor gab es immer etwas zu lachen. Das ist nach wie vor so und bescherte uns in Dorit’s Haus ausgelassene Heiterkeit. Richy, Dorit’s 16jaehriger Sohn, erstaunte mich bei seinem Auftauchen. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, reichte er gerade so an meine Groesse (1,68m) heran und keine 1,5 Jahre spaeter wies er stolze 1,85m oder so auf. Ich war sprachlos.
In Berlin angekommen, ueberraschten wir nach und nach meine Freunde Christian, Therese und Irene. Fuer mehr blieb uns leider keine Zeit, obwohl es noch so viele andere wichtige Menschen in meinem Leben gab, die ich gerne in Berlin wiedergesehen haette. Da niemand ueber unseren Besuch Bescheid wusste, kam es halt dazu, dass ich einige Freunde nicht erreichte. Aber ich hatte viel Glueck in diesen Tagen.
Mit Christian fing es an. Ich hatte ihn nicht zu Hause erreicht und wusste nur, dass er an der B1 in einem McDonalds arbeitete. Welches McDonalds das war und ob er gerade arbeitete wusste ich nicht. Dorit entschied also einfach, mit mir zu einem McDonalds an der B1 zu fahren. Dort angekommen verriet ein verwunderter Blick von Christian’s Chefin, dass wir richtig waren. Christian wurde aus dem Drive-In geholt. Er kam mit seinem “Ich-bin-so-genervt-von-der-ganzen-Sch…-hier”-Gesichtsausdruck um die Ecke. Ruckartig blieb er stehen und mit seiner jeher witzig-ernsthaften Art sprudelte er heraus, “Frau Lachmann! Was machen Sie denn hier?” Ich
konnte mich nicht mehr halten und lachte lauthals los. Typisch Christian! Er spruehte mir noch weitere Fragen entgegen, da er immer noch nicht verstand, dass ich da wirklich und wahrhaftig vor ihm stand. Da er noch arbeiten musste, vereinbarten wir ein Treffen fuer den kommenden Abend am Ostkreuz, einer gemuetlichen Kneipengegend.
Die Ueberraschung fuer Therese war auch herrlich. Auf dem Weg zu ihr stellte ich fest, dass ich mich zwar noch heilwegs daran erinnerte, wie ich zu ihrem Haus gelange, doch hatte ich mir falscherweise die alte Adresse aufgeschrieben. Jetzt konnte ich also noch nicht einmal nachfragen, wie ich zu ihr finde, im Falle ich wuerde mich doch nicht mehr an den Weg erinnern. Ich konzentrierte mich und versuchte in die Vergangenheit einzutauchen. Und so fand ich letztlich Therese’s Haus. Oben an der Wohnungstuer angekommen klingelte ich, doch nichts ruehrte sich. Ich klingelte ein zweites Mal. Nichts. Sollte ich sie etwa verpasst haben? Das konnte eigentlich nicht sein, da sie ja erst um 12 Uhr arbeiten musste. Und da sie gerne lange schlaeft, vermutete ich sie auch nirgends anders als im Bett. Vielleicht schlief sie ja tief und fest. Ich versuchte es noch einmal. Da hoerte ich die Tuere knacken und ein paar Schritte. Ich hatte sie aus ihren Traeumen gerissen. “Wer ist denn dort?” Ich antwortete und sie wusste sofort Bescheid. Verschlafen oeffnete sie die Tuer und war wohl nicht nur von ihren Traeumen, sondern auch von meinem ploetzlichen Auftauchen voellig benommen. Nach einem bischen Orientierung und der noetigen Zeit richtig aufzuwachen, erfreuten wir uns wie frueher in ihrer Wohnung – einer typischen Berliner Studentenwohnung (die ich abgoettisch liebe, denn auch ich habe einmal in solch einer gewohnt!) – an unserem Wiedersehen. Wir schluerften unseren Tee, tauschten Neuigkeiten aus und ich lud Therese fuer den kommenden Abend zu dem Treffen mit Christian ein. Schliesslich hatten wir alle zusammen studiert, so dass es sicher berauschend sein wuerde, unsere verrueckte Mini-Studitruppe wieder beisammen zu haben.
Danach ging es zum Suite-Hotel Berlin, dass in der Naehe des Potsdamer Platz steht. Dort arbeitete meine langjaehrige Freundin Irene. Als ich im Hotel ankam, wurde ich gebeten, eine halbe bis eine Stunde zu warten, denn Irene war gerade in einer Besprechung. Nun gut, da musste ich meine Aufregung noch ein wenig zurueckhalten. Mein Magen knurrte, so stopfte ich mir derweilen ein trockenes Broetchen in den Mund. Keine 10 Minuten spaeter hoere ich schwungvolle Schritte aus der Ecke der Versammlung kommen. Wie ein Blitz tauchte Irene ploetzlich auf, laechelte mir zu und begruesste mich fuer den Tag, als waere ich ein Hotelgast. Jetzt blieb mir gleich das Brot im Hals stecken, denn ihr Auftauchen kam doch ein wenig rasant und unvorbereitet. Sie laechelte, laechelte, fing an zu stutzten und begriff letztlich wer sich da gerade aus dem Sessel erhob. Mir kullerten sogleich die Freudentraenen die Wangen hinunter, was Irene scheinbar erschreckte. “Was ist denn los? Was ist passiert?” Mit diesen Worten fielen wir uns in die Arme. Ich atmete ein paar Mal richtig durch und kriegte endlich wieder ein Wort heraus. Oh, wie sich Irene freute! Wir gingen sofort hinaus auf die Terrasse, damit wir ungestoert ein wenig Zeit miteinander verbringen konnten. Viel Zeit blieb uns naemlich nicht, da Irene bald wieder an die Arbeit musste. Ich schien ausserordentliches Glueck gehabt zu haben, Irene im Hotel anzutreffen, denn sie war den ersten Tag wieder auf Arbeit, seit unzaehligen Seminaren ausserhalb. Auch wuerde sie in zwei Tagen schon wieder unterwegs sein. Froehlich tauschten wir uns ueber Leben und Traeume aus, und ich konnte endlich ihren Traum von Hochzeitskleid sehen. Also wenn sie damit nicht die gesamte Hochzeitsgesellschaft blendet, dann scheinen wohl alle bereits zuvor blind gewesen zu sein!
Wir machten uns nach Litauen auf. Das bedeutete aber erst einmal 7 Stunden warten, um aus Berlin herauszukommen. Das hatten wir noch nie erlebt, aber alles hat ja einen Grund. Als uns dann endlich ein super nettes polnisches Paar mitnahm, wurden wir bei unserer Ankunft in Polen von ihnen sogar zum Mittagessen eingeladen. Diese Staerkung hatten wir wahrlich noetig, denn viel war von unseren spaerlichen Vorraeten nach 7 Stunden Warten nicht uebriggeblieben. Weiter ging es problemlos mit LKWs, fuer einige Zeit sogar mit zwei LkWs! Augustas fuhr in dem einem mit, ich in dem anderen. Gut das mein litauischer Fahrer spanisch sprach, so konnten wir uns wenigstens mit Worten verstaendigen.
Am Morgen des 19. Mai 2007 gegen 11 Uhr trafen wir in Vilnius ein. Wir nahmen eine Dusche bei Freunden, assen zum Erstaunen aller Spaziergaenger direkt auf dem Boulevard, und putzten gar unsere Zaehne in aller Oeffentlichkeit. Wir waren sicher, dass die Leute selbst Augustas fuer einen Auslaender hielten. Dann machten wir uns auf zum Haus von Augustas Mutter. Die Feier sollte zwischen 15 – 16 Uhr beginnen.
Wir stiegen an der letzten Bushaltestelle aus und jetzt hiess es noch ein Stueck zu trampen, um bis zum Haus zu gelangen. Ich versuchte noch ein paar Blumen zu finden, was letztlich vergeblich war. Waehrenddessen glueckte ungewollt die erste Ueberraschung. Izabele, Augustas Schwester, fuhr an der Bushaltestelle vorbei, wo Augustas auf mich wartete. Izabele sah Augustas, doch verstand sie das alles noch nicht ganz. Traeumte sie etwa? Sie fuhr langsam an ihm vorbei, waehrend ihr Kopf sich immer weiter nach hinten verdrehte. Sie konnte den Blick nicht von Augustas wenden. Das Auto hielt an und sie schien endlich begriffen zu haben. Weinend stieg sie aus dem Auto und fiel Augustas um den Hals. Ich war mittlerweile zurueck und nun knuddelten wir uns auch erst einmal eine Weile. Es war herzzerreissend, wie Izabele da vor uns stand.
Wir stiegen ins Auto und lernten gleich Augustas Neffen Tijus Ukas kennen. Was fuer ein suesser Fratz! Mit grossen Augen blickte uns der 6 Monate alte Bub an und bei meinem Laecheln kriegte er es irgendwie mit der Angst zu tun. Von zwei anderen Verwandten, die auch im Auto sassen, wurde Tijus aber sofort abgelenkt, bevor sich sein Mund ganz zum Weinen verzog.
Ein ganzes Stueck vor dem Haus stiegen wir aus. Wir wollten ja schliesslich zu Fuss in die Party hineinspazieren. Von weitem konnten wir Augustas Mutter auf dem Balkon sehen, doch sie schien uns nicht wahrzunehmen. Dann sahen wir Robert. Er hatte uns erspaeht und rannte so schnell er konnte zu Audrone. Er fuehrte Sie bis zum Fenster in der oberen Etage des Hauses und zeigte auf sein groesstes Geburtstagsgeschenk – uns. Wir bogen mittlerweile ins Grundstueck ein, liefen die Treppe hinauf und da kam Augustas Mutter auch schon traenenueberstroemt auf uns zugelaufen. Augustas standen die Traenen in den Augen, als er sich mit seiner Mutter in den Armen lag. Sie knuddelten und drueckten sich, und schienen gar nicht mehr voneinander loslassen zu wollen. Dann kam auch ich an die Reihe. Audrone’s Mund plapperte waehrend dieser Begruessungszeremonie aufgeregt vor sich hin. Sie meinte allen Ernstes, “Ich wusste, warum ich dieses Mal wasserfestes Make-Up besorgt hatte!” Und wir mussten eingestehen, dass war wirklich notwendig gewesen.
Nun kam auch der Rest der Familie zum Knuddeln dran und danach ging es zur Begruessung der Verwandten, die sich bereits zur Feier eingefunden hatten. Nach und nach fuellte sich der Garten mit Gaesten, und immer wieder fuehrte unsere Anwesenheit zu Erstaunen, Freudentraenen und zum Lachen. Wir waren wirklich unmoeglich, einfach so aufzutauchen.
Als Augustas Grosseltern auftauchten, versteckten wir uns erst ein wenig. Wir wollten ihnen Zeit geben, ihrer Tochter Audrone zu gratulieren. Waehrend sie sich fuer das obligatorische Gratulationsfoto bereit machten, kamen wir freudig auf sie zugelaufen. Eine Sekunde Stille, gefolgt von Schock. Wir waren es wirklich. Die Augen der Grosseltern fuellten sich mit Wasser, die Stimmen fingen an zu zittern, und wir waren Gottseidank schon da, um sie aufzufangen. Augustas Grossvater Antanas setzte sich glatt seine Sonnenbrille auf, damit keiner seine nassen Augen sieht. Es war so ruehrend. Die beiden rissen sich kurze Zeit spaeter regelrecht von uns los, um andere Gaeste zu begruessen, damit sie sich erst einmal wieder fangen konnten. Augustas Grosseltern hatten immer Verstaendnis fuer unseren Weg gehabt, doch waren sie oft traurig bei dem Gedanken daran, dass sie uns nicht noch einmal wiedersehen werden. Und nun standen wir vor Ihnen. Wahrlich und leibhaftig. Spaeter, waehrend der Feier, zogen sie uns immer wieder nah an sich heran und mochten einfach nur neben uns sitzen, unsere Hand halten oder unseren Kopf streicheln. Dabei meinten sie einmal traeumerisch, “Wir fuehlen uns wie in einem Maerchen.”
Die Geburtstagsfeier war aussergewoehnlich fuer meine Erfahrungen, relativ normal schien sie aber fuer die Litauer zu sein. Das Motto der Feier war “Fruehling” und somit musste jede Dame ein entsprechendes Kleid bzw. Kostuem tragen. Geschmueckt wie beim Fasching, stachen die bunt und originell gekleideten Damen hervor. Es gab eine Fotoausstellung ueber Audrones Leben, ein riesiges, leckeres Bueffet, die Lesung von Audrones erstem veroeffentlichten Poesiebuch, die Praesentation der Geschenke, Spiele, Taenze, Gesang, und sogar einen Musiker, der bis in die Nacht seine Stimme mit lustigen Liedern klingen liess. Die Kinder rannten froehlich umher, uebten sich im Playback, tobten auf der Mini-Huepfburg und speisten mit Freude im Kinderkreise. Die Stimmung war wundervoll, so dass die Gaeste wirklich bis in die Nacht tanzten und lachten.
Augustas Onkel Marius half uns mit einem Dach ueber dem Kopf, da wir wegen meiner Katzenallergie nicht in Audrones Haus bleiben konnten. Wir bekamen das Zimmer von Luka, Augustas Cousine, und fuer den Sonntag sogar Marius Auto. Damit brausten wir am Morgen wieder zu Audrones Haus, da Augustas Grossvater Geburtstag hatte und somit gleich dort weitergefeiert wurde, wo man am Vortag aufgehoert hatte. Auf dem Weg dorthin hielten wir an einigen Wiesen an, um einen selbstgepflueckten Blumenstrauss zusammenzusuchen. Die Idee hatten auch die anderen Gaeste, denn der Geburtstagstisch war voller selbstgepflueckter Blumen. Wir vertilgten die Reste vom Vortag und gegen Nachmittag brachten wir die Grosseltern nach Hause.
Kaum im Haus der Grosseltern angekommen, wurden wir mit selbstgemachten Erdbeersorbet und Eiscreme verwoehnt. Dazu wurde uns ein Video ueber ein Interview von Augustas Mutter und Robert gezeigt, was erst kuerzlich ausgestrahlt wurde. Antanas praesentierte uns ein Abzeichen, was er zu seinem 70. Geburtstag vom Olympischen Kommitee erhalten hatte. Antanas war in juengeren Jahren ein gefeierter Sportler Litauens gewesen, der sich 1964 sogar fuer die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Japan qualifizierte (im Weitsprung). Das Abzeichen galt es natuerlich zu bewundern, denn es gab nur eine handvoll Sportler, denen diese Auszeichnung bisher verliehen wurde.
Der Abschied von den Grosseltern fiel schwer, denn sie wuerden den kommenden Tag bereits zur Kueste Litauens fahren, um dort ihren jaehrlichen Urlaub zu geniessen. Wir konnten also keine Zeit mehr mit Ihnen in Vilnius verbringen, obwohl wir noch 4 Tage da sein wuerden. Wir drueckten uns so oft und so lange, dass uns die Grosseltern irgendwann regelrecht fortschickten, damit das Ganze nicht zu emotional wurde.
Es gab in Vilnius viel zu erledigen, doch blieb uns immer noch genug Zeit, um unsere Freunde zu sehen und sie gluecklich zu machen. Mit meiner Freundin Jovita haben wir sogar ein Fotoshooting vorm Vilnius Rathaus gemacht, einfach um uns ein wenig auszutoben und Jovita froehlich zu stimmen.
Wir versammelten uns einen Abend auch mit einer grossen Truppe von aktiven Trampern, die sich regelmaessig in einer Kneipe im Zentrum Vilnius treffen. Das Treffen wurde vom Vilnius Tramper Club organisiert und wir luden kurzerhand jeden, der unsere Reise verfolgt sowie unsere Freunde dorthin ein. Augustas brachte noch eine Torte mit, denn das ist in dem Tramper Club ueblich, wenn man mehr als einen Monat per Anhalter unterwegs gewesen ist. Augustas Mutter und Robert nahmen auch an dem Treffen teil, was zu einer heiteren Stimmung fuehrte. Die Bedienung war so durcheinander und brachte entweder nicht das bestellte oder gleich das Doppelte, das Augustas Mutter die Menge mit ihren Bemerkungen zum Lachen brachte.
Ein letztes gemeinsames Abendessen und schon mussten wir wieder Richtung Deutschland brausen. Die Rueckfahrt traten wir zusammen mit Robert an, der auf dem Weg nach Belgien war. Wir mussten also diesmal nicht zuruecktrampen. Wir machten fuer einen Tag Halt in Berlin, denn dort fand das jaehrliche BeachCamp, organisiert von den Berliner Mitgliedern des www.HospitalityClub.org, statt. Unter all den Teilnehmern trafen wir Freunde wieder, die wie wir das Reisefieber gepachtet haben. Da war unter anderem Dainius gerade zurueck aus Afrika, Maria und Oleg zurueck aus Suedamerika sowie Veit und Viola zurueck aus Indien.
Am Sonntag hiess es dann endlich auf zur letzten Mission. Es galt noch immer meinen Bruder Marco und seine zukuenftige Frau Peggy zu ueberraschen. Das Trampen klappte wie geschmiert, denn direkt vom Beachcamp in Berlin bekamen wir einen Lift ueber 300km. Der Fahrer war so bettreif, dass ihm schon auf dem Weg zur Autobahn die Augen zufielen. Ich bliess Alarm und Augustas uebernahm waehrend der ganzen Fahrt das Steuer. Danach fehlte nicht mehr viel und im Eilzugtempo erreichten wir Dortmund. Leider waren wir etwas weit ausserhalb gelandet und suchten nun zu Fuss Anbindung an den oeffentlichen Nahverkehr. Dabei erwischte uns der Regen und mit triefend nassen Socken und Hosen erreichten wir letztlich die Bushaltestelle. Von dort dauerte es nur noch 1 Stunde, bis wir endlich vor der Wohnungstuer von Peggy und Marco standen.
Wir klingelten, hielten dabei aber den Tuerspion zu, denn wir wollten uns erst zeigen, wenn die Tuer aufging. Es war nichts zu hoeren. Wir klingelten ein zweites Mal. Wieder nichts. Da nahm ich kurz meine Hand vom Spion. Wir sahen einen Lichtwechsel hinter dem Spion, so dass wir sicher waren, da war jemand da. Wir klingelten ein drittes Mal und endlich ging die Tuer einen Spalt weit auf. Ganz langsam schob sich Peggy’s Kopf in einer 90 Grad Schraegstellung bis zur Nasenspitze hervor. Ploetzlich ertoente, “Ne! Ne!”. Die Tuer wurde komplett aufgerissen. Peggy liess erstaunt ein weiteres, “Ne! Ne!” verlauten. “Das ist doch nicht wahr! Das ist cooooool, das ist ja sooooooooo coooooooollll!!!” Peggy war komplett aus dem Haeuschen. Sie fing an herumzuhuepfen und sprang mir regelrecht in die Arme. Ich konnte mich mal wieder vor Lachen kaum halten, vor allem wegen Peggy’s erstaunten und uebergluecklichen Ausrufen. “Ah! Ihr seid hier! Wuhuuuuuuuu! Endlich wiedersehen! Das ist so cool! Super cool! …” Sie huepfte weiter und weiter, und immer wieder nahmen wir uns in die Arme und huepften zusammen ein paar Runden. Was fuer eine Begruessung! Peggy konnte es nicht fassen und hielt dieses Begruessungsritual mindestens 20 Minuten durch. Dann kam auch Augustas an die Reihe und immer wieder, “Ich kann’s nicht glauben, ihr seid hier! Juchuuuu! Yippeyeah!”
Als Peggy sich beruhigt hatte, ueberlegten wir fieberhaft, wie wir meinen Bruder Marco ueberraschen koennten. Der war noch in der Universitaet und wuerde wahrscheinlich nicht vor 11 Uhr nachts zu Hause sein. Wir spielten verschiedene Szenarien durch, da klingelte ploetzlich das Telefon. Planaenderung, mein Bruder wuerde schon in einer halben Stunde zu Hause sein. Peggy fuhr Marco abholen. Waehrendessen sprang ich noch fix unter die Dusche und Augustas verstaute unser Hab und Gut im Schlafzimmer. Wir durften nichts hinterlassen, da mein Bruder sonst sofort seine Detektivnase wuerde arbeiten lassen.
Wir legten uns aufs Schlafzimmerbett und warteten. Endlich kamen Marco und Peggy heim, doch folgte nicht gleich der sonst uebliche Gang ins Schlafzimmer. Wir lauschten und lauschten. Es schien als wuerde Marco keinerlei Anstalten machen ins Schlafzimmer zu spazieren. Alles war so ruhig. Doch ploetzlich flog die Schlafzimmertuer auf. Ich erschrak mich regelrecht und gleich darauf stand Marco voellig unter Schock. Mit offenem Mund, der rechten Hand auf seinem Herz und stockendem Atem stand er, noch die Tuerklinke festhaltend, in der Tuer. Augustas und ich brachen in schallendes Gelaechter aus. Der Schreck auf meiner Seite und das lustige Bild meines geschockten Bruders auf der anderen, liess mir die Traenen in die Augen steigen. Selbst beim Umarmen hatte sich Marco noch nicht von dem Schreck erholt. Wir lachten was das Zeug hielt und nach einiger Zeit taute Marco auch endlich auf.
Ach, war das ein lustiges Zusammentreffen. Wir waren alle dermassen gluecklich, wir brauchten nichts weiter zum Leben. Trotzdem fuellten wir unsere Maegen irgendwann auch mit Essen. Marco nutzte diese Gelegenheit, um uns immerzu witzige Episoden von seinem Chinaufenthalt aufzutischen. Nach dieser physisch-lustigen Staerkung genossen wir es alle faul auf dem Sofa zu luemmeln und uns den Film “Lauschgift” zu Gemuete zu fuehren. Was fuer ein perfekter Tag!
Die drei Tage bei Peggy und Marco gingen viel zu schnell um und schon hiess es wieder aufsatteln und wegreiten. Diesmal fiel das allerdings sehr schwer. Wir waren so gluecklich mit unseren Familien und Freunden wieder vereint zu sein, dass es wahrlich ein Akt war, all dies wieder hinter uns zu lassen und zu neuen Abenteuern aufzubrechen. Schlimm war fuer mich die Tatsache, dass wir uns nicht mehr von Peggy verabschieden konnten. Dabei hatten wir uns nur um ein Haar, um ein paar Sekunden verfehlt! Wir waren beide traurig darueber, aber was sollten wir nun tun? Wir zehrten aushilfsweise noch von der Ueberraschung, die unser Besuch bereitet hatte und hoffen, uns ganz ganz schnell wiederzusehen.
Bis bald ihr Lieben! Wir tragen euch in unseren Herzen!
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