The Last Resort
Juli 23, 2006
Themen: Belize
Augustas legte sich ab dem folgenden Tag richtig ins Zeug. Das behinhaltete Restaurant verputzen, Zement mischen, eine Website fuer das Resort erstellen, Werbeschilder aus Holztafeln machen und alles moegliche malern. Er kuemmerte sich auch um das Satelittensystem, was es nach Wochen unseres Aufenthaltes dann endlich gab und noch dazu funktionierte!
Ich dagegen versuchte mich auszukurieren. Zu Beginn reinigte ich Joes Auto, allerdings nur zur Haelfte. Ich war trotz guten Willens einfach nicht in der Lage solch eine Arbeit zu machen. Spaeter machte ich Entwuerfe fuer die Werbeschilder, die ich aber auch nur zum Teil selbst erstellte. Auch das war des Arbeitens zu viel. Zuvor hatte ich das Design fuer die Website erstellt, was mich zumindest etwas beruhigte, da wir uns ja nur wegen mir hier aufhielten.
Die ersten drei Wochen hier absolvierte ich jeden Morgen meine Gymnastikuebungen, meditierte in der Sonne und nahm Wechselduschen. Trotz das ich mich mental viel staerker fuehlte, wollte mein Koerper nicht so recht mitziehen. Er quietschte, knarrte, verrenkte sich staendig und blieb auch mal in der Bewegung stecken. Das fuehrte alles soweit, dass ich nicht mal mehr faehig war unser Essen zuzubereiten. Es war zum Verzweifeln. Aber aufgeben stand nicht zur Debatte. Nur wie konnte ich die Situation aendern?
Eines Tages, auf dem Rueckweg von Corozal nach Copper Bank, nahm uns ein Jamaikaner mit. Er sah eher wie ein Inder aus, wuchs aber in Jamaika auf und lebt bereits seit 25 Jahren in Belize. Seiner Aussage nach war die Entscheidung sich in Belize niederzulassen ein grosser Fehler, aber jetzt war es ja eh zu spaet sich darueber zu beklagen. Und irgendwie liebt er Belize auch von ganzem Herzen. Waeren da nur nicht die Einwohner, die meistens nur an einen interessiert waren: an einem guten Geschaeft. Das bezog er sowohl auf Geld, als auch auf persoenliche Beziehungen. Zeichne sich kein Profit in einer Beziehung der Menschen untereinander ab, scherte sich der Durchschnittsbelizianer einen Dreck darum. Es war eine interessante Unterhaltung, waehrend der ohne es zu beabsichtigen, auch fuer uns etwas heraussprang.
Der Jamaikaner erzaehlte uns uns von Helen, einer chinesischen Masseurin, die in Corozal ansaessig ist. Ich traute meinen Ohren kaum. Er erklaerte uns genau, wo Helen zu finden war, so dass wir ganze zwei Tage spaeter bei ihr in der Praxis standen. Obwohl zu Beginn moeglicherweise drei Behandlungen mein Problem haetten beseitigen koennen, brauchte ich weitaus mehr. Mein Muskelzustand war auf eine jahrelange Missbehandlung, bzw. Nichtbeachtung der Signale, z.B. Rueckenschmerzen, zurueckzufuehren und kostet deshalb einige Zeit mehr an Wiedergutmachung. Wie lange konnte Helen mir nicht genau sagen, aber mit regelmaessigen Behandlungen, taeglichen Kraefigungs- und Dehnungsuebungen, und einer schrittweisen Steigerung meiner taeglichen Aktivitaeten, wuerde sich der Zustand langsam aber stetig verbessern. Im schlimmsten Falle kann das bis zu zwei Jahre dauern. Na mal sehen wie lang es sich bei mir hinziehen wird.
Aufgrund der Behandlungen und meines Zustandes entschieden wir so lange wie moeglich im Ferienresort zu bleiben. Da Joe vollstes Verstaendnis fuer unsere Situation hatte, lud er uns wieder und wieder ein, so lange zu bleiben, wie wir wollten. Wir konnten unser Glueck kaum fassen, aber mir wurde mehr und mehr bewusst, warum ich das Gefuehl hatte, das wir ueber Belize nach Guatemala reisen sollten. Ich bin so gluecklich, dass ich manchmal vor Freude heulen koennte. Nicht nur das wir kostenlos hier bleiben konnten, vor allem das Aufeinandertreffen mit Helen und Warren, aus dem sich eine innige Freundschaft entwickelte, und das unser Leben einschneidend veraendert hat, bin ich von ganzem Herzen dankbar.
Trotzdem fuehlten wir uns lange Zeit als Nutzniesser, vor allem ich, da ich ja nicht wirklich was zu unserer kostenlosen Unterkunft hier beitrug. Das Problem bestand vor allem darin, dass Joe eher ein Einzelkaempfer und damit auch Einzelarbeiter ist. Er aeussert was getan werden muss und erwartet, dass es getan wird. So war es sein ganzes Leben als Manager und Chef in der Baubranche, und so wird es sicher auch bleiben. Der Erfolg gibt ihm dabei mehr als Recht. Wie aber seine Erwartungen erfuellen, wenn man bzw. Augustas nicht weiss wie? Schliesslich ist Augustas nicht mit dem Konstruieren von Haeusern oder aehnlichem gross geworden. Wir haben es mit Fragen probiert, aber Joe ist solch eine Zusammenarbeit, bei der er erst einmal zeigen muss wie es geht, einfach nicht gewoehnt. Irgendwann fing Augustas dann an, das Restaurant, die Fenster, die neu fertiggestellten Huetten und den Arbeitsschuppen zu malern. Damit hatten wir endlich eine Arbeit fuer ihn gefunden, die er problemlos allein durchfuehren konnte, und mit der Joe vollends zufrieden war. Also, Ende gut, alles gut.
Joe gab sich waehrend unseres Aufenthaltes hier immer voll seinem Erfinderdrang hin. Er machte aus dem Dschungel, der die ganze Schoenheit der Lagune verdeckte, einen offenen, hellen Strand. Das stiess zwar zu Beginn nicht gerade auf unser Verstaendnis, da die heimelige Atmosphaere irgendwie zerstoert war, aber nach einer gewissen Eingewoehnungszeit lieben wir de jetzige Aussicht umsomehr.
Den Strand so herzurichten wie er jetzt daliegt, ist bei der Natur hier allerdings kein Leichtes. Bei jedem Regen wurde naemlich die Strandgrundierung, eine grobe Sandmasse, so durchweicht, das jeder gleich Knoecheltief einsank. Als die grobe Sandmasse endlich verteilt war, und der urspruenglich vorgesehene Strand durch Joes taeglich aendernde Ideen das mindestens vierfache an Umfang zugenommen hatte, wurde endlich der weiche Strandsand geliefert. Da nur kurz darauf die Regenzeit begann, endete die Verteilung des Sandes mit einer allgemeinen Resignation. Der Bakker, der diese Arbeit im Nu haette erledigen koennen, konnte nicht zum Einsatz kommen, da er sofort in der aufgeweichten Sandmasse verschwinden bzw. stecken bleiben wuerde. Monate spaeter, als Joe gerade auf Kanadaurlaub war, erteilte dann der neue Manager Jonathan (Joe’s Neffe) Anweisungen an die Arbeiter hier, den Sand mit Schaufel und Schubkarre zu verteilen. Trotz dass die Arbeiter, und auch Augustas, viele Tage an der Verteilung der riesigen fuenf Sandberge arbeiteten, ist zum jetzigen Zeitpunkt die Tat noch nicht vollbracht.
Der HOT-TOP ist auch so eine Geschichte. Angefangen hat es damit, dass die Lagune, an der Copper Bank und somit auch The Last Resort liegen, nicht gerade zum Baden gehen einlaedt. Die Lagune ist zwar allemal fuer die Einheimischen ausreichend, aber fuer Reisende, die auf eine angenehme Abkuehlung hoffen, ungeeignet. Nicht nur das die Wassertemperaturen eher warm als erfrischend sind, auch ist die Lagune voller klitschiger Felsbrocken und zugedeckt mit Schlamm. Es ist ein weisser, sandiger Schlamm, der sofort aufgewuehlt wird, wenn man sich ins Wasser begibt. Das Wasser der Lagune wird dadurch so truebe, dass man nur mit Muehe die steinigen Hindernisse wahrnimmt. Der Wasserpegel ist ausserdem sehr niedrig, und ein manches Mal kann man auch einem kleinen Krokodil oder einer Cobra begegnen. Die Einheimischen wissen gekonnt damit umzugehen, fuer Reisende sollte die Lagune aber eher als optische Anreicherung der Umgebung hier dienen.
Nun ist ein Ferienresort, gelegen in Zentralamerika und noch dazu direkt am Wasser, schon reizvoll fuer Touristen. Auch wenn meiner Ansicht nach The Last Resort eher etwas fuer naturliebende, abenteuerlustige Menschen ist, freut sich doch jeder durchgeschwitzte Reisende ueber eine nasse Erholung. Damit war die Idee eines Pools geboren. Joe grub also ein Loch inmitten des Bodens, da so einfach ein natuerlicher Pool mit gefiltertem Lagunenwasser moeglich gewesen waere. Das Resultat allerdings war niederschmetternd. Die Erde mit ihren verschiedenen, unter anderem dunkel gefaerbten Schichten sorgte eher fuer ein Schlammbad. Das Loch wurde also still und leise, fein saeuberlich wieder zugeschuettet.
Und ploetztlich war die Idee mit dem HOT-TOP geboren, die auch wirklich erfolgversprechend klingt. Joe waehlte eine Ecke nahe des noch urwaldtypischen Waldstueckes, welches sich im hinteren Teil des Ferienresorts befindet, heraus und begann von heute auf morgen mit dem Bau eines HOT-TOPS. Ein HOT-TOP ist eine Art Pool, der mit Saunabaenken ausgestattet ist, und es erlaubt draussen in der Natur ein warmes Bad zu nehmen. In Kanada hat Joe bereits so eins direkt vor seinem Haus, mittem im Wald. Das Poolwasser wird normalerweise auf Badetemperatur aufgewaermt. Dieses Mal soll das Wasser aber einfach aus der Lagune bezogen werden, da es angenehm warme Temperaturen aufweist. Die Vorstellung, dass sich die Gaeste des Resorts und des Restaurants abends in einer gesellige Runde in den Hot-top zurueckziehen koennen, und dabei noch Getraenke und Speisen serviert bekommen, waehrend sie im warmen Lagunenwasser gemuetlich auf den riesigen Holzbaenken sitzen, klingt fantastisch. Nach einigen Wochen basteln, war der HOT-TOP schon halbfertig. Jetzt muss er nur noch wasserdicht gemacht werden, und von aussen her ein wenig geschmueckt. Ein paar Designerdetails sollen noch eingearbeitet werden, und schon koennen die ersten Gaeste im stuermischsten Regen ihren Abend im HOT-TOP verbringen. Leider war uns dieser Genuss nicht mehr vergoennt, da Joe fuer eine Weile zurueck nach Kanada ging. Auch wenn er noch vor unserer Abreise zurueckkommt, wird es wohl noch einige Arbeitsstunden kosten, damit das Werk HOT-TOP vollends fertig ist.
Irgendwann kam die Zeit, als wir bereits zum Inventar des Last Resort gehoerten. Wir nutzten zunehmend die Kueche des Restaurants, und auch Joe’s VAN stand uns donnerstags immer zur Verfuegung. So genossen wir fuer einige Wochen den Luxus, donnerstags morgens mit dem VAN nach Corozal zu fahren. Waehrend ich mich dann unter Helens Masseurhaende begab, erledigte Augustas bereits einige Einkaeufe. Dann ging es zusammen zum Markt, zu den Laeden, und schliesslich zurueck nach Copper Bank. Dabei waren es nun wir, die wartende Tramper einluden, und moeglichst bis vor ihre Haustueren fuhren. Es war ein Heidenspass, vor allem wenn der Wagen brechend voll mit bekannten Gesichtern war. Leider aenderte sich das alles mit Joes Kanadaurlaub. Der VAN funktionierte nicht mehr, so dass wir meist wieder morgens den 7 Uhr Bus nach Corozal nehmen mussten, und rueckzu mit all dem schweren Einkauf fuer eine Woche zu Fuss mindestens eine halbe Stunde bis zur einzigen Tramperstelle laufen mussten. Meist war es heiss, und oft waren so viele Menschen dort versammelt, dass unsere Corozalausfluege wieder anstrengend wurden. Auch die Kueche wurde fuer uns nahezu tabu, da trotz vermehrter, offensichtlicher Einladungen zum Kochen darin, der neue Manager sich irgendwie eingeengt fuehlte. Da er das nicht direkt erklaerte, platzte ihm irgendwann der Kragen. Wir fielen natuerlich aus allen Wolken, da er uns ja so grosszuegig in die Kueche eingeladen hatte. Von da an schien es uns aber eher unangenehm, ihm in seiner stetigen Wechselstimmung weiterhin in der Kueche zu begegnen, und wir entschieden uns zurueck an unseren Benzinkocher zu kehren. Von da an waren alle gluecklich, und so sollte es auch sein.
Da sich der Wind hier in The Last Resort seit der Ankunft des neuen Managers gewaltig drehte, wir unsere gewonnenen Freiheiten wieder aufgeben mussten, wir einen unbaendigen Drang zum weiterreisen empfanden, und meine Masseurin mir trotz meines noch nicht einhundert Prozent wiederhergestelltem Muskelapparates ihren Segen zur Abreise gab, setzten wir irgendwann einen Endtermin und werden – wenn alles gut geht – in einigen Wochen endlich weiterziehen. Wir haben schon ein richtiges Kribbeln im Bauch, und sind schon verliebt in den Tag, an dem es endlich weitergeht.
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