Reise von Costa Rica nach El Salvador (April 25 – 28)

Eigentlich wollten wir unsere Reise nach El Salvador am Dienstag, den 24. April, antreten. Was uns davon abhielt war meine Intuition. Ich fuehlte mich schon beim Aufwachen so unwohl, dass irgendetwas unangenehmes vor uns lag. Das Gefuehl wich erst, als ich einem weiteren Tag Aufenthalt in San Rafael Abajo zustimmte.

Am Mittwoch ging es endlich los. Wir erreichten die Autobahn nach 1 Stunde und bekamen eine Mitfahrgelegenheit bis San Ramon. Dort wartete ein geraeumiger, amerikanischer LKW auf uns, mit dem wir bis 8 km nach Liberia fuhren. Der letzte Lift des Tages brachte uns noch 2 km weiter, wo wir auf einem Privatgrundstueck hinter der Eingangsmauer naechtigten. Spaet am Abend bekamen wir noch kurz Besuch vom Besitzer des Grundstuecks, der uns mit dem noetigen Wasser versorgte.

Sylvie and Dominic, our Canadian drivers from Nicaragua to El Salvador

Sylvie and Dominic, our Canadian drivers from Nicaragua to El Salvador

Ohne Fruehstueck trampten wir am Morgen bis El Cruze, 20 km vor der Grenze Nicaraguas. Nach einer Staerkung ging es mit einem LKW bis zur Grenze, wo wir auf Dominic und Silvia trafen. Die beiden Kanadier befanden sich auf dem Weg nach Guatemala mit ihrem eigenen Auto. Sie reisen bereits seit 3 Monaten mit ihrem selbst-umgebauten VAN durch Zentralamerika. Erst sind sie von Kanada bis Panama gereist und jetzt befinden sie sich auf dem Rueckweg.

Wir baten Dominic und Silvia uns mitzunehmen, was sie freudig taten. Wir fuhren direkt bis Leon, wo wir nahebei in einer grossen Tankstelle uebernachteten. In Leon wurde am Tag unserer Ankunft ein internationales Studentenfest gefeiert, was perfekt passte, da die groesste Kathedrale Zentralamerikas in diesem Jahr ihren 260. Geburtstag feierte. Dazu kamen Tanzgruppen aus allen zentralamerikanischen Laendern zusammen. Viele Gruppen glaenzten in ihren eleganten Kleidern, die leicht wie der Wind durch die Luefte flogen. Der moderne, theatralische Tanz war auch vertreten. Es war die reinste Wonne dem Treiben der Tanzgruppen zuzusehen.

van made into a camper lots of little shelfs inside even a sink had space fly catcher

An einer ueberdimensionalen Tankstelle angekommen, wollte Dominic fuer die Nacht halt machen. Mir gefiel das gar nicht. Viele Obdachlose und Strassenkinder streunten umher zwischen den 20-30 LKWs, die fuer die Nacht an der Tankstell3 geparkt hatten. Die LKW-Fahrer versammelten sich in verschiedenen Gruppen fuer Abendschwaetzchen. Als wir zu Fuss die Tankstelle nach einem geeignetem Zeltplatz absuchten, trottete ich im weiten Abstand hinter Augustas und Dominic her. Wie Frischfleisch zum Verzehr bereit verursachte ich damit Appetit auf Seiten der LKW-Fahrer. Um diesen abrupt zu stillen zeigte ich ihnen die kalte Schulter. Gut das ich bald Augustas und Dominic eingeholt hatte, denn das ersparte mir eine engere Bekanntschaft mit diesen gierigen Gestalten.

traffic jams

traffic jams

Die Nacht verlief ruhig und nach einem tiefen, erholsamen Schlaf machten wir uns zur Grenze Honduras auf. Die letzten 50 km bis zur Grenze fuehrten ueber eine holprige, viel geflickte und teilweise ohne Asphalt ausgestattete Strasse. Die Gegend war strohtrocken und von Dornenbueschen gesaeumt. Die Erde bestand aus staubigem Sand und machte den Eindruck bald auseinanderzubrechen. Es herrschte Duerre, die man auch den wenigen Einwohnern dieser erbarmungslosen Gegend ansah. Die Menschen sahen ausgehungert, ihre Kleider zerschlissen, ihre Koerper und Gesichter dreckbeschmiert aus. Sobald wir uns mit dem Auto annaeherten, rannten die juengsten und duerftigsten Kinder herbei und bettelten mit weinerlich verzogenem Gesicht und ausgestreckter Hand um Geld, die andere Hand auf die mit Sand geflickten Strassenloecher zeigend. An anderen Stellen standen junge oder sehr alte Maenner mit Schaufeln in der Hand und bettelten um eine milde Gabe als Gegenleistung fuer die Instandsetzung der Strasse. Viele der Kleinkinder rannten sogar eine Weile neben unserem Auto her, mit der Hoffnung, dass wir ihnen doch noch ein paar Muenzen in die Hand druecken werden. Einmal hielten wir an und Dominic ueberreichte einem alten, schwachen Herrn eine Banknote.

Fuer uns war der Einreiseprozess schnell beendet, so dass wir Reste verspeisend auf Dominic und Silvia warteten. Ab und zu kamen Kinder auf uns zu und bettelten uns um Geld an. Wir boten ihnen stattdessen Brot an, was sie gierig entgegennahmen. Einer der Jungen wollte sich damit aber nicht zufrieden geben.

Er: “Gib mir das Ding!” (er zeigte auf meine Rucksacktrage)
Ich: “Nein, das geht nicht, die brauche ich selber.”
Er: “Gib die mir!”
Ich: “Ich habe nein gesagt.”
Er: “Gibt sie!”
Ich: “Also noch einmal mein Freundchen, du hast mich scheinbar nicht verstanden. Ich brauche die Trage fuer den Transport meines Rucksacks, ohne die kann ich nicht reisen.”
Er: “Gib mir das Ding! Ich will es haben!”
Ich: “Wie waere es, wenn ich dein Tshirt fordern wuerde, was du ja offensichtlich brauchst. Wuerdest du es mir geben?”

Der Junge reagierte mit Schweigen auf meine Frage. Er kaute ueberlegend auf dem Stueck Brot herum, das ich ihm zuvor gegeben hatte. Bald darauf wendete er sich von uns ab und verschwand.

Die Fahrt durch Honduras dauerte um die 2 Stunden. An der Grenze angekommen, hielt Dominic auf fuer mich unverstaendliche Weise bei einer Gruppe junger Maenner an. Der Grossteil von ihnen, wenn nicht gar alle, standen unter Drogeneinfluss. Warum sich Dominic dennoch zu einem Halt am Strassenrand bewegen liess war mir ein Raetsel. Da Silvia und Dominic an jeder Grenze einen Fuehrer nehmen, der bei der Organisation der notwendigen Dokumente und Erlaubnisse hilft, schienen sie sicher zu sein, dass sie an die richtige Truppe geraten waren.

Kaum hielt Dominic das Auto an und oeffnete die Tuer, kamen auch schon ein Dutzend dieser Gestalten angerannt. Jeder draengte in die Tuer, von der Dominic sie energisch zuruecktrieb. Nach einem kurzen Gespraech stellte sich heraus, dass jeder das uebliche Ein- bzw. Ausreisedokument, dass man sonst direkt am Schalter erhaelt, fuer 10 Dollar verkaufen wollte. Da hatten sie bei Dominic aber auf einen harten Stein gebissen, denn der liess sich nicht in die Irre fuehren. Letztlich entschied sich Dominic fuer den vernuenftigst aussehenden der gesamten Truppe. Sich wie der Gewinner fuehlend, wollte der Fuehrer nun selbstverstaendlich im Auto mitfahren, ohne allerdings Dominic danach zu fragen. Als die Mitfahrt im Auto nicht mehr zur Debatte stand, sattelte er einfach am Heck des Autos auf. “So nicht mein Freundchen, steig ab!” Dominic musste die Aufforderung noch einige Male wiederholen, bis der Fuehrer es endlich verstanden hatte. Wollte der Fuehrer seinen Job behalten, muesste er zu Fuss zum Amtsgebaeude laufen, liess Dominic verlauten. Das tat er schliesslich auch, sogar im Laufschritt.

Der Fuehrer war zwar etwas zerstreut, half aber tatsaechlich die ganzen Vorgaenge der Ein- und Ausreise zu beschleunigen. Leider hakte es am Ende an einer falschen Eintragung des Autoproduktionsdatums im Fahrzeug-Zertifikat, was uns zu einer knapp zweistuendigen Pause zwang.

Gegen 17 Uhr konnten wir endlich unserer Wege ziehen. Da es Zeit war, einen Schlafplatz fuer die Nacht zu finden, klapperten wir im naechsten Ort die Tankstellen ab. Nichts schien so wirklich gemuetlich, so dass wir eine Tanstelle etwas ausserhalb des Ortes ansteuerten. Kaum tauchte diese vor uns auf, war allen sofort klar, hier wuerden wir die Nacht verbringen!

Julisa (4)

Julisa (4)

Die Besitzer der Tankstelle, die direkt vor Ort wohnte, stimmte unserem Aufenthalt zu. Wir suchten uns jeder unser Nachtlager aus und noch bevor wir uns haeuslich einrichten konnten, nahmen uns die Kinder der Familie in Beschlag. Fussball stand bei der vierjaehrigen Julisa an erster Stelle, denn das war etwas, was die kleine Dame wirklich beherrschte. Da wurden Techniken erklaert, Strategien aufgezeigt und zum aktiven Mitmachen aufgefordert. Der elfjaehrige Jefferson hatt mittlerweile etwas Neues entdeckt: das Frisbee-Spiel. Dominic hatte seine Scheibe hervorgeholt und schon war Jefferson mit vollem Herzen bei der Sache.

waiting for a small capsule to turn into a fancy sponge

waiting for a small capsule to turn into a fancy sponge

Wir spielten bis in den spaeten Abend hinein und sassen spaeter noch lange mit den Erwachsenen der Familie vor dessen Haus. Sie luden uns zum Abendmahl, einem Teller voll mit selbstgemachtem Huettenkaese, Tortillas und saurer Sahne, ein. Ich begnuegte mich mit den leckeren Tortillas und einer Bohnensosse, die keine Bohnen mehr enthielt. Vor der Bettruhe konnten wir uns noch im Freien hinter dem Haus waschen, was wirklich eine Wonne nach diesem heiss-schwuelem Tag war.

Augustas und ich waren die ersten, die am naechsten Morgen auf den Beinen waren. Wir packten zusammen und machten es uns vorm Haus der Tankstellenbesitzer gemuetlich. Dort bereiteten wir unser Haferflockenmahl in ungekochter Form zu und freuten uns auf das Auftauchen der Kinder, die alsbald ihre Koepfe zur Tuer hinaussteckten. Die Familie gab uns eine mittelgrosse Papaya, die sie vom Baum im Vorgarten geerntet hatten. Oh, war die lecker! Richtig saftig und suess, so dass unser etwas karges Haferflockengebraeu am Ende richtig delicioes schmeckte.

Zirka eine Stunde spaeter krabbelten auch Dominic und Silvia aus ihren Betten. Wir bekamen weitere Fruechte serviert, deren Namen ich aber schon wieder vergessen habe.

Um 8:30 Uhr musste sich die Familie von uns verabschieden, da sie zur Kirche wollte. Dazu kuendigten sie ein Gebet fuer uns an. Wir stellten uns alle im Kreis auf, senkten die Haeupter und genossen die warmen, herzlichen Worte der Familie. Nach einem gemeinsamen “Amen”, drueckte die Familie jeweils eine 10 Dollar Banknote in die unsere und die Hand von Dominic und Silvia. Wir nahmen zoegernd das Geld entgegen, hatten wir solche Situationen ja bereits einige Male erlebt. Bisher hatten wir immer energisch abgelehnt, als aber beim letzten Mal die gebende Person in Traenen ausbrach, weil wir das Geld nicht annehmen wollten, blieben wir diesmal still. Dominic versuchte hoeflich, diese Gabe abzulehnen, doch er hatte keine Chance. Er straeubte sich gegen diese Geste, da er es aus seiner Sicht wirklich nicht noetig hatte. In einer kurzen, aufklaerenden Diskussion erkannte er aber, dass eine Ablehnung nicht moeglich war. Gaben in einem solchen, speziell religioesen, Rahmen, sollte man einfach als liebe Geste akzeptieren, egal welche Grundprinzipien man hat. Denn am Ende geht es hier nicht um das Geld, was gegeben wurde, sondern um die Darbietung von Hilfe, die man – von Herzen gegeben – einfach nicht verweigert. Wir bedankten uns alle uebergluecklich und wuenschten der Familie das Allerbeste. Als diese schon von Dannen gezogen war, bereiteten wir ein paar Fotos mit einer kleinen Danksagung fuer die Familie vor, die wir mit Klebeband an ihrer Eingangstuer befestigten. Was fuer Menschen es doch gibt!

Danach ging es schnurstracks nach Santa Tecla. Wir hielten noch kurz an einem Campero (Fast Food Restaurant), damit Dominic und Silvia das kostenlose Internet nutzen konnten. Die beiden brachten uns bis fast vor Amado´s Haustuer, ein www.CouchSurfing.com Mitglied, bei dem wir ein paar Tage bleiben wollten. Wir verabschiedeten uns mit dem Versprechen, die beiden in Quebec zu besuchen, sobald wir es so weit in den Norden geschafft haben. Auf Wiedersehen in der Zukunft!

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