Motorische Segelversuche (Januar 15 – 18)
Januar 24, 2007
Themen: Kuba
Am 15. Januar 2007 war es endlich soweit. Unser langgehegter Traum von einer Reise nach Kuba sollte in Erfuellung gehen. Gegen 10 Uhr morgens liessen wir die Leinen des Trimarans “Aransas” los und kehrten Mexiko mit einem Laecheln den Ruecken zu. Einige erklaerten uns fuer verrueckt, nach
Kuba ueber den Yucatankanal (das Stueck Meer zwischen Mexiko und Kuba) zu reisen, denn das hiess staendig Gegenwind und hohe Wellen. Aber wir alle wollten los: Stuart der Capitan, wir die ersten Tramper nach 5 Wochen hart arbeiten und natuerlich auch Adam und Owen, die eine Woche vor der Abreise auftauchten.
Der Start war holprig, da wir nur 15 Minuten nach Abreise durch die Zone durchmussten, wo das etwas flachere Strandgewaesser auf die tiefe See stoesst. Uns schlugen 3-4 Meter hohe Wellen entgegen und wir wurden nicht nur von oben nach unten, sondern auch von rechts nach links gewankt. Stuart beruhigte uns und meinte, weiter draussen auf dem Meer wuerde es besser werden. Sehr viel weniger Wellen gab es da auch nicht, aber zumindest in etwas groesseren Abstaenden.
Augustas und ich wollten keine Seekrankheit-Vorbeugungstabletten nehmen und zogen es vor, an einem Stueck frischem Ingwer herumzulutschen. Das wurde uns als natuerliches Heilmittel fuer Seekrankheit empfohlen und hielt auch fuer die erste Stunde an. Dann aber revoltierten unsere Maegen, hoechstwahrscheinlich auch da wir aus freudiger Erregung zu sehr auf dem Stueck Ingwer herumgebissen hatten. Augustas schlug also vor die Tabletten zu nehmen und ich stimmte zu. Adam, Owen und Stuart ging es gut. Sie hatten die Tabletten bereits weit vor der Abreise eingenommen. Wir warteten ein wenig ab, aber statt das es uns besser ging, wurde es nur noch schlimmer.
Da sassen wir Beide nun am Bug des Schiffes, die Beine um das Gelaender geschwungen und versuchten uns mit geschlossenen Augen zu entspannen. Das ging eine Weile gut, bis Augustas vorschlug Pan Tostada (Zwieback) zu essen. Als ich den ersten Zwieback in meiner Hand hielt protestierte mein Magen. Der Geruch des Zwieback fuehrte unverzueglich zur Magenentleerung. Ich hatte also nicht nur mehr das Gelaender zwischen meinen Beinen, sondern auch noch einen Eimer. Alles in allem war es sehr erloesend und bei der Betrachtung meines Mageninhaltes wusste ich auch, dass die Seekrankheits-Vorbeugungstabletten einfach nicht in meinen Magen hineingehoerten.
Auf Stuarts Rat hin legte ich mich in der Bugkabine ins Bett und kroch die naechsten 18 Stunden nur fuer das Entleeren meiner Blase heraus. Augustas gesellte sich bis in den spaeten Abend zu mir, da es auch ihm den Magen innerlich umdrehte. Nur hatte er das Glueck, dass gegen Abend alles vorbei war und er essenstechnisch voll zulangen konnte. Augustas hatte also seine Seebalance gefunden.
Waehrend ich auf dem Bett hin- und herkullerte mussten die Jungs und Stuart abwechselnd Wache stehen. Die erste Nacht kreuzten uns nach deren Aussagen unzaehlige Riesenschiffe, denen sie in einem Fall nur um 100 Meter ausweichen konnten.
Am folgenden Tag war die See recht ruhig. Es war kaum Wind in unserer Richtung vorhanden und so “segelten” wir fast ausschliesslich mit dem Motor. Ich konnte das Bett endlich verlassen und genoss es an der frischen Luft zu sitzen. Neben dem Entdecken von fliegenden Fischen, vertrieb ich mir den Tag mit Kochen und Magenpflege. Ich hatte zwar meine Balance gefunden, aber der mal wieder auftauchende Durchfall zwang mich zu einer diaetischen Essenzufuhr.
In der Nacht uebernahm ich dann eine Wache zusammen mit Augustas. Als wir erneut an der Reihe waren bestand Augustas allerdings darauf, dass ich mich ausruhe. Nun gut, war auch schoen, nur nicht ganz so aufregend… Seufz.
Die Jungs vertrieben sich den zweiten Tag vorwiegend mit schlafen und essen. Ab und zu trieb Stuart sie an, wenn es Segel zu setzen oder wieder einzuholen galt. Einmal krachte es dann gewaltig. Die Verbindung des Segels am hinteren Ende des Bootes loeste sich und das metallene, 30 cm grosse Verbindungsstueck schwang am Segel baumelnd mit enormer Kraft von einer zur anderen Seite. Stuart behielt einen klaren Kopf und innerhalb von 20 Minuten war das Verbindungsstueck wieder am Boot befestigt. Das sich das Segel vom Bug geloest hatte lag daran, dass die Verbindung nur mittels einer Schraube (5 cm lang und 5mm Durchmesser) festgehalten wurde. Bei einem 20m hohem und 8m breitem Segel ist das nicht gerade viel, um das Segel in der Verankerung zu halten. Deshalb brach die Schraube unter der Last des riesigen Segels entzwei. Stuart ersetzte die Schraube mit einer aehnlichen, es war aber ungewiss wie lange das halten sollte.
Am dritten Tag sollten wir am Abend in Kuba einlaufen koennen. Leider stand der Wind noch immer nicht guenstig und wir waren wie bereits die zwei vorherigen Tage auf den Motor angewiesen. Gut war, dass wir es bis in den Golfstrom geschafft hatten, da wir so zumindest mit und nicht auch noch gegen die Wellen segelten.
Gegen Mittag, ich sass gerade vor dem Steuerrad und genoss den herrlichen Blick aufs Meer, krachte es gewaltig hinter mir. Das Verbindungsstueck des Segels am Bug hatte sich erneut freigeschlagen und haette mich um ein Haar fast erwischt. Die Jungs mussten also wieder ran, um das Segel mit einer unzureichend starken Schraube am Bug zu befestigen. Ich zog es vor von nun an woanders zu sitzen.
Alle verfolgten gespannt den Segelnavigator, eine Art Monitor, der mittels eines Computerprogramms anzeigt wo wir uns befinden, wie tief das Wasser dort ist, etc. Dann endlich liess Stuart verlauten, “In zwei Stunden sind wir da!”. Oh, waren wir vielleicht aufgeregt! Schon den ganzen Tag hatten wir Kuba von der Ferne aus gesehen und in Kuerze sollten wir endlich dieses Land betreten.
Kaum hatte Stuart die verbleibende Segelzeit verkuendet, versagte uns der Motor den Dienst. Es gluggerte, zischte und schliesslich piepte der Motor, als waere ein Feueralarm ausgeloest wurden. Ich dachte nur, “ich hab’s gewusst!”. Tatsaechlich hatte ich zuvor darueber nachgedacht, dass – nach drei Tagen fast ununterbrochenem Gebrauch – der Motor wohl irgendwann seinen Geist aufgeben wuerde. Da hatten wir den Salat. Alle Muehen halfen nichts, der Motor war tot und wir waren dazu verdammt ohne ihn bis zur Marina Hemmingway in der Naehe von Havanna zu kommen. Dazu hiess es Umwege nehmen. Stuart trieb die Jungs an staendig die Segelposition zu veraendern. “Seil losloesen, einholen, anderes Seil ziehen, neues Seil hervorholen, kurbeln…!!!” Denn auch mit Gegenwind kommt man irgendwann an, nur heisst das im Zickzack zu segeln. Hoch in den Norden, Kurs aendern, runter in den Sueden. Und das unzaehlige Male wiederholt brachte die Jungs an ihre koerperlichen Grenzen.
Als wir uns nur noch ein paar Meilen von der Marina Hemmingway entfernt fanden, ging dann eine weitere, interessante Aktion los. Vor Einlaufen in den Hafen Marina Hemmingway muss der Hafenkapitaen ueber Funk informiert werden. Leider drangen wir auf keinen der zwei bekannten Kanaele – der 16 und der 72 – zu dem Kapitaen durch. Wir fingen also an Segelbuecher ueber Kuba sowie einen alten Lonely Planet Reisefuehrer nach Telefonnummern zu durchforsten. Nach einer Stunde fingen wir an Erfolg zu haben und zwar mit dem Anrufen von Restaurants und Hotels in Havanna. Die Mitarbeiter des Restaurants Tocoroco waren unsere Retter in der Not. Wir riefen sie insgesamt drei mal an, bis wir endlich eine Nummer hatten, unter der wir die Polizei erreichen konnten, denn weder der Hafenkapitaen nahm seinen Hoerer ab noch wollte uns eine andere zustaendige Hafenzentrale helfen.
Nachdem Stuart dann ueber das Satellitentelefon seine Freunde informierte, kriegten wir endlich einen Anruf. Die Nachricht war, dass irgend jemand die US Kuestenwache informiert hatte, da sich an Bord auch zwei Amerikaner befanden. Wir schauten uns alle entsetzt an. Fuer Amerikaner ist das Reisen nach Kuba verboten und wenn sie dabei erwischt werden, muessen sie hohe Strafen bezahlen. Adam und Owen waren ausser sich. Doch nun konnten wir es nicht mehr aendern.
Waehrend wir alle diese Situation zu verdauen versuchten, schlug Stuart auch noch mit voller Wucht auf Augustas Nase. Ein Versehen, denn Stuart hatte es nicht einmal bemerkt. Das machte nicht nur Augustas, sondern auch uns benommen. Was wird wohl als naechstes passieren?
Gut war, dass sich die US Kuestenwache mit der Marina Hemmingway kurzgeschlossen hatte und die zusaetzlichen Anrufe unsererseits zur Polizei von Havanna zur richtigen Stelle durchgedrungen waren. Endlich reagierte zumindest jemand, denn seit den ersten Funkversuchen waren bereits zwei Stunden vergangen. Endlich erreichte uns der Hafenkapitaen ueber den Funkkanal 77. Da wir ein Boot benoetigten, dass uns zum Hafen hineinbringt, was zu dieser Stunde nicht vorhanden war, und da die Einfahrt zum Hafen haarscharf an Korallenriffen verlaeuft, erklaerte uns die Marina Hemmingway, dass wir bis zum naechsten Morgen 6 Uhr warten muessten. Es fuehrte kein Weg hinein, uns noch an diesem Abend hereinzuholen, da die Korallenriffe zu riskant fuer solche Mannoever waren. Kaum hatte man uns der Korallenriffe wegen gewarnt, schwankten wir mit voller Wucht gegen eines der Riffe und setzen sogleich alles daran, aus dieser gefaehrlichen Zone herauszukommen. Schliesslich wollten wir so kurz vorm Ziel keinen Schiffbruch erleiden.
Wir resignierten darauf. Stuart brachte uns in eine Zone, in der wir in der Nacht hin- und herschwanken konnten, ohne segeln zu muessen. Dazu positionierte er die Segel so, dass sich das Boat bei Wind im Kreise dreht. Wir munterten uns mit Ironie und Owen’s Gitarrenspiel auf. Dazu gabs was Warmes in den Bauch. Jetzt hiess es nur noch abwarten.
Am Morgen wurden wir dann endlich in die Marina Hemmingway gebracht. Eines der Fischerboote kam zu uns hinaus und die Leine wurde zwischen den beiden Booten gespannt. Wir wurden im wahrsten Sinne des Wortes abgeschleppt. Um 10 Uhr waren wir endlich da.
Der Immigrationsprozess verlief sehr entspannt. Nachdem wir angelegt hatten, kam zuerst ein Gesundheitsbeauftragter an Bord. Der spruehte in alle Ecken ein wenig Insektenspray und ging dann dazu ueber unsere Lebensmittel und die Bordapotheke zu inspizieren. Dann fragte er uns nach Durchfall oder aehnlichen Krankheitssymptomen, die ich trotz Betroffene lieber verschwieg. Wahrscheinlich haette man mich unter Quarantaene gestellt oder so und mehr als meine homeopatischen Heilmittel wollte ich auch nicht einnehmen muessen.
Danach folgten drei verschiedene Hunde, die durch jeden Winkel des Bootes und entlang unser aller Gepaeck schnueffelten. Das war echt suess zu beobachten. Vor allem wie liebevoll die Hundefuehrer mit ihren Schuetzlingen umgingen.
Darauf folgend stiegen zwei Beamte ins Boat, die das Bootequipment untersuchten, die Leuchtraketen bis zur Abreise aus Kuba unter Verschluss nahmen und die Box mit dem Morphin versiegelten. Deren Augen wanderten aber nicht nur ueber das zu registrierende Inventar, sondern z.B. auch ueber eine DVD-Sammlung der US-Serie LOST, die wir in der letzten Woche gierig verschlungen hatten. Fuer jeden Beamten gab es auch einen leckeren Cafe und Marlboro Light Zigaretten. Was fuer ein Fest fuer die Kubaner!
Die letzte Person, die das Boot bestieg, war die Immigrations-Verantwortliche. Eine dreissig Jahre jung aussehende Fuenfzigjaehrige, mit blondem Haar und einem deftigen Humor. Sie fuellte die Visaformulare lieber selbst aus, um uns vor einer Zweifachzahlung zu bewahren (bei Fehlern muss eine neue Visakarte erworben werden, die dann entsprechend das Doppelte kostet).
Owen und Adam wurden bei der Ankunft sofort ueber die amerikanische Botschaft informiert. Die befand sich bereits vor Ort, was die Jungs wirklich ins Schwitzen brachte. Wir stimmten bereits am Morgen mit Stuart ab, was Owen und Adam den US-Behoerden erzaehlen sollten. Gut, dass der Motor kaputt gegangen war. Das rettete die Beiden. Die Immigrationstante half den Jungs zusaetzlich. Sie erklaerte ihnen was sie sagen sollten und was nicht. Unter anderem folgendes: “Im Falle dessen, dass die Frage lautet ‘Was macht ihr hier in Kuba?’, wurden Adam und Owen aufgefordert die US-Botschaftbeamten zu fragen ‘Was machen Sie denn bitte schoen hier in Kuba?’.” Schliesslich ist es keinem Amerikaner erlaubt sich in Kuba aufzuhalten bzw. Geld dort auszugeben… Wir lachten alle herzlich und damit war der Immigrationsprozess beendet.
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