Menschen und ihre verschiedenen Gesichter (September 5 – 7)

November 29, 2006  
Themen: Guatemala

Wir suchten uns diesmal Nebaj, bzw. weiter noerdlich davon gelegene Orte als Reiseziel aus. Wie gut, denn schon der erste Fahrer wollte nach San Francisco, nord-oestlich von Nebaj. Unsere Landkarte zeigte an, dass die Strasse in San Francisco endet. Da uns solche Orte besonders reizen, stimmten wir mit Juan Carlos ab, dass er uns bis San Francisco mitnimmt. Spaeter erklaerte er uns aber, dass uns ein Zutritt zu San Francisco nicht gestattet ist, da es sich bei dieser Finka um eine Kaffeefarm handelte und man nur mit besonderer Genehmigung Eintritt erhaelt. Deswegen wuerde er uns im letzten Dorf namens Santa Avelina absetzen. Unsere Stimmung sank ein wenig, doch wir akzeptierten, dass wir es wohl nur bis Santa Avelina schaffen wuerden.

Juan Carlos ist Architekt und arbeitet zwei bis drei Tage im Zwei-Wochen-Takt in San Francisco. Waehrend der Fahrt erklaerte er uns, wie die Lehmhaeuser gebaut werden, die vor allem in der doerflichen Gegend in Guatemala haeufig anzutreffen sind. Um die Ziegel herzustellen, nimmt man den lehmigen Boden, waescht ihn und befreit ihn von Steinen. Die gereinigte Masse ruehrt man mit Graesern aus der Umgebung an und laesst sie in Ziegelform gepresst in der Sonne trocknen. Sind die Ziegel fertig wird das Haus gebaut. Um die Ziegel miteinander zu verbinden, wird die gleiche lehmhaltige Erde verwendet. Mit dieser Methode koennen Haeuser also mit ganz natuerlichen Materialien gebaut werden. Zement wird nicht benoetigt. Die Haeuser halten ca. 25 Jahre, koennen aber auch gut auf 50 Jahre kommen.

Typisch in dieser Gegend sind die sogenannten Temascale. Das sind meist kugelfoermige Huetten, die nur einen Eingang haben. Dort kriecht man hinein, um eine Art Sauna zu nehmen. Es werden Steine mittels Feuer auf dem Boden erhitzt und mit Kraeuteressenzen wird die Luft angereichert. Im Prinzip funktioniert der Temascal also wie eine Sauna, nur ist er sehr klein.

In Santa Avelina angekommen liess uns Juan Carlos nahe dem Zocalo (Marktplatz) aussteigen. Wir mussten dringend mal wohin und baten im vor uns liegendem Haus um den Toilettengang, der uns skeptisch genehmigt wurde. Die Toilette war witzig. Gleich an der Strasse stand sie, mit orange-farbenen Plastikplanen vor neugierigen Augen geschuetzt. Allerdings war die Kabine, die durch die Plastikplanen entstand, nicht gerade sehr hoch. Ich ragte also mit dem Drittel meines Koerpers oben heraus. Die Toilette dagegen war sehr niedrig einzementiert. Bei der vorherrschenden Hygiene verzichtete ich lieber auf das Hinsetzen. Augustas musste ebenso dringend und machte so auch Bekanntschaft mit diesem witzigen Klosett. Die Vorstellung wie er es angestellt hatte die Toilette zu benutzten, wird mich wohl immer zum Lachen bringen.

Danach gingen wir ein wenig umher und fragten nach der Direktion San Francisco. Gleich die erste Gegenfrage war, wo wir denn unsere Rucksaecke gekauft haetten. Wir konnten nicht glauben, dass in so einem Dorf, was weit hinter der Moderne zurueck scheint, gleich die Frage nach so etwas kommt. Wir ignorierten die Frage und liessen uns nahe eines Lebensmittelgeschaeftes nieder. Trotz starkem Hunger, fuehlten wir uns absolut nicht wohl. Kaum hatten wir uns niedergesetzt, kam auch schon der Verkaeufer und einer seiner Freunde heraus und versuchte uns in Gespraeche ueber unsere Reiseausruestung zu verwickeln. Wir wimmelten sie freundlich aber bestimmt ab und machten uns auf die Suche nach einem stillen Eckchen Natur, wo wir unser Essen in unsere laut knurrenden Maegen befoerdern konnten.

Nachdem wir eine Weile bergauf gelaufen waren, sahen wir von weitem eine Art Park. Dort angekommen, stellte es sich als Sportplatz heraus. Nahe gelegen war auch eine Schule, wobei ich mich einfach nicht dazu hinreissen lassen konnte, dort vorbeizuschauen. Irgendwie sagte mir mein Gefuehl, dass wir dort nicht das finden werden, was wir suchen – gegenseitiges Interesse und offene Ohren. Wir liessen uns also auf dem Sportplatz nieder, packten unser Essen aus und begannen zu speisen. Da kam auf einmal eine Gruppe von Kindern angelaufen, postierte sich ungefaehr 1 Meter vor uns und schaute uns kritisch beim Essen zu. Wir versuchten sie zu ignorieren, da sie nicht einmal gruessten. Waehrend sie so dastanden, fingen sie an ueber uns zu reden, mit dem Finger auf uns zu zeigen, abwertend zu lachen und verstaendnisslos die Koepfe zu schuetteln. Nach einer gewissen Zeit der Duldung, wurde es uns zu bunt. Waren wir anfangs noch freundlich gesinnt, wiess ich die Kinder nun darauf hin, dass es sehr unhoeflich sei, jemanden beim Essen so nah auf den Teller zu schauen und nicht einmal etwas zu sagen. Wir freuen uns sonst ueber Kinder oder jegliche andere Neugierige, aber diese Art war uns fremd und unverstaendlich. Fuer sie waren wir “Gringos” (Menschen aus den USA) und sie behandelten uns mit Missgunst. Auf meine Frage, ob sie sich wohl fuehlen wuerden, wenn wir ihnen beim Essen so nahe kommen wichen sie endlich zurueck. Noch immer kamen keine Fragen, aber gluecklicherweise liessen sie uns nun in Ruhe.

Wir waren sehr ungluecklich an diesem Ort, so dass wir entschieden, den Weg zurueck zum Beginn des Dorfes zu gehen und dort Richtung Nebaj zu trampen. Auch wenn wir es kaum fuer moeglich gehalten hatten, war uns das Glueck hold. Wir fanden eine Mitfahrgelegenheit auf der Ladeflaeche eines Transporters. Das war trotz der schlechten Strassenverhaeltnisse gar nicht so uebel, nur holte uns dann irgendwann der Regen ein. Wir wurden beide pitschnass, da wir es nicht mehr geschafft haben, unsere Plastikplane ueber unsere Koerper zu stuelpen.

In Nebaj angekommen, machten wir uns zum Polizeirevier auf. Mir war da anfangs nicht ganz wohl bei, da wir uns ja noch immer illegal im Land aufhielten. Wir baten um Hilfe, einen Schlafplatz ausfindig zu machen. Uns wurde einer genannt, der am Ende von Nebaj lag. Dort haetten wir kostenlos im Wald zelten koennen, aber in unserem durchgeweichtem Zustand und bei dem Regen hielten wir es diesmal fuer angebracht eine andere Loesung zu suchen. Wir wurden deshalb mit einem Polizisten in Zivil losgeschickt um die Hostels abzuklappern. Das Erste war uns zu teuer, das folgende Hostel auch. Da wir kein weiteres wussten, warteten wir ab, was der Polizist und der Hostelbesitzer zu bereden hatten. Wir verstanden nichts, da sie in einem lokalen Dialekt aus Maya und Spanish sprachen. Als wir dann endlich zum Zuge kamen und erklaerten, dass wir einzig ein Dach ueber dem Kopf brauchten, da wir sonst ueber alles notwendige fuer die Nacht vefuegen, bot uns der Besitzer an, im ersten Stockwerk zu zelten. Wir einigten uns auf 15 Quetzal (Euro 2,80). Vor den Zimmern gab es eine Art Korridor, der gross genug war um unser Zelt auszubreiten ohne die anderen Gaeste zu stoeren.

Wir genossen es uns endlich auszuruhen. Wir lagen eine Weile einfach nur da, bis unsere Maegen das Abendessen einlaeuteten. Gerade beim Verzehr unserer Ueberbleibsel kam der Besitzer mit seiner Tochter die Treppe hinauf. Es war bereits dunkel und da die Elektrizitaet nicht funktionierte, verteilten die Beiden ueberall kleine, brennende Kerzen. Nach deren Tour durch die Zimmer sprach der Besitzer uns besorgt an. Er wunderte sich, ob wir denn etwas zu essen haetten oder ob wir sonst etwas brauchen. Ich war so sehr geruehrt von seiner fuersorgenden Art, dass mir die Traenen in die Augen stiegen. Ich versicherte ihm, dass wir ausreichend zu Essen haben und uns auch sonst sehr wohl in seinem Haus fuehlen. Ich weiss nicht, ob er uns das wirklich glaubte, da wir vom Boden aus im Zelt sitzend zu ihm sprachen. Letztlich schien er unsere Worte aber zu verstehen und zog sich zurueck. Waren wir vielleicht geruehrt von diesem Erlebnis!

Am naechsten Morgen ging die Gastfreundlichkeit des Besitzers weiter. Wir wollten nur unsere Plastikboxen auswaschen, wozu wir in seine Privatkueche gefuehrt wurden. Dort sass seine Frau, den Kuechenofen am Brennen haltend, seine Tochter und eines seiner Enkelkinder. Wir wurden auf eine Tasse heisse Haferflockensuppe eingeladen, die wir gierig verzehrten. Dazu boten sie uns suesses Brot an, was wir auch nicht links liegen lassen konnten. Wir kamen mehrere Male zu ihnen in die Kueche, da wir das Essen fuer den Tag auf unserem Campingkocher zubereiteten und es im ersten Stock kein Wasser gab. Wir fuehlten uns so wohl dort, dass wir beinahe mit dem Gedanken spielten eine weitere Nacht dort zu bleiben. Spaeter teilten dann auch wir unser Essen mit ihnen.

Waehrend wir packten kam ein Gast des Hostels auf uns zu und nach einem laengeren Gespraech, drueckte er uns seine gerade erworbenen Aepfel in die Hand. Wir lehnten zuerst ab, hatten wir doch selbst genug davon. Zudem hatte er uns am Abend zuvor bereits einige Broetchen zugesteckt. Doch er bestand darauf und da wir ihn nicht kraenken wollten, nahmen wir dankend an.

Als wir das Hostel verliessen, war der Besitzer unauffindbar. Gerne haetten wir uns fuer seine Gastfreundschaft bedankt. Da wir aber die Uebernachtung noch bezahlen mussten, suchten wir jemanden, dem wir die 15 Quetzal (Euro 2,80) geben konnten. Wir fanden nur die Tochter und sie meinte, wir schuldeten ihr 10 Quetzal (Euro 2,00). Wir waren sehr erfreut darueber und dachten, dass der Besitzer den Betrag wohl aus Mitleid heruntergesetzt hatte.

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