Iquitos – eine Stadt ohne Autos

März 23, 2008  
Themen: Peru

everywhere motocarros

everywhere motocarros

Wer erwartet hat, dass wir hier von einem ökologisch sauberem, völlig unberührtem Ort berichten werden, der hat sich geirrt. Iquitos ist zwar eine riesige Stadt ohne Autos, doch an innerstädtischem Verkehr mangelt es keineswegs. Wie jetzt…viel Verkehr und keine Autos, wie passt das denn zusammen? Laß uns folgendes versuchen. Schließe deine Augen und stell dir vor, du stehst in der Mitte einer großen Straße. Öffne deine Augen. Vor dir stehen dutzende Motorcaros (dreirädrige Rickshawmotorräder). Wiederhole den Vorgang. Augen schließen, vorstellen, Augen öffnen. Du siehst das Gleiche: Motorcaros. Du kannst es glauben, bis auf 0,01% Ausnahmen, kursieren in dieser Stadt nur diese motorisierten Dreiräder herum. Wir sahen nur vereinzelt einen LKW und eine handvoll Fremder (oder auch reicher Leute), die mit einem Mazda, Toyota, Volkswagen und sogar einem russischen Lada in diese Motorcaro-Landschaft hineinprotzten.

Übrigens gibt es eine ungefähr 100km lange Straße, die in den Südwesten von Iquitos, nach Nauta, führt. Um dorthin zu gelangen, haben sich Kleinunternehmer herausgebildet, die Fahrten nach Nauta für 10 Soles (€ 2,30) anbieten. Für die kleinere Geldbörse gibt es in diesem Fall einen Direktbus.

Praktisch betrachtet grenzt die Navigation eines Autos in Iquitos an eine reine Katastrophe. Die Anzahl der auf den Straßen herumschwirrenden Motorcaros und Motorräder ist enorm. Straßenlinien oder sonstige Begrenzungen existieren nicht. Jeder Fahrer kurvt frei nach seinem Ermessen und Vergnügen durch die Stadtlandschaft. Sie schneiden Kurven und heben dabei fast ab, sie messen sich gegenseitig an der Geschwindigkeit, rasen mit Vorliebe durch die fürchterlichsten Straßenlöcher hindurch und sind ehrlich gesagt nur durch die Ampeln aufzuhalten. Ein reichlich überraschender Fakt. Als Fußgänger sollte man aber trotz grünem Licht auf seine Anwesenheit aufmerksam machen, da die Motocaro-Fahrer unerklärlicherweise in eine Art Starre verfallen, sobald sie von den Verkehrslichtern gestoppt werden. Wie Zombies stieren sie auf die Lichter, ohne auch nur ansatzweise zu realisieren, was außerdem um sie herum passiert. Sobald die Ampel auf grün schaltet, ist alles aus. Das Rennen beginnt und wer aus Versehen zu dieser Zeit noch auf dem Rennfeld (der Straße) steht, der wird mit Sicherheit durch die Luft gewirbelt oder dermaßen in die Enge getrieben, dass er sich am besten nicht bewegt, bis die Ampel für die Motorcaros erneut auf Rot schaltet. Ein wahrlich realisierter Alptraum auf Iquitos Straßen.

Die übrigen Motorräder, die ca. 20% aller Verkehrsmittel umfassen, befinden sich meist in Privatbesitz. Die dreirädrigen Konstruktionen bilden den Rest der Transportmittel und sind im übrigen die effektivsten, um in Iquitos schnell und direkt ans Ziel zu gelangen. Diese Motocaros funktionieren als Taxis, denn die uns bekannten, vierrädrigen Kollegen existieren in Iquitos nicht. Aber keine Sorge, ihr Fehlen am Platze fällt weder auf, noch ins Gewicht.

Die Motocaros bestehen aus einem Motorrad mit einer Art Rickshaw-Anhänger, in denen bis zu vier Personen Platz finden. Vielleicht sogar mehr, denn auch der Gepäckträger faßt so einiges. Unsere Rucksäcke samt restlichem Reisegepäck fanden problemlos Raum, um mit uns tranportiert zu werden. Die meisten Fahrer sichern glücklicherweise das Transportgut mit Seilen. Manchmal jedoch ist es ratsam, mit Händen und Füßen rücklinks das Gepäck zu greifen, um nicht bei Ankunft die Hälfte verloren zu haben. Vor dem Regen ist der Fahrgast generell sicher, da die Sitzbank ein Dach hat. Für die Fahrer kann es allerdings ungemütlich werden und um nasse Hosen zu vermeiden, befestigen sie gekonnt ein quadratisches Stück Plastikplane an der Vorderseite des Motocaros. Es bleibt ihnen dann zwar nur ein enger Sehschlitz, aber sie kommen auf diese Weise definitiv mit einem trockenen Hosenboden davon.

Die meisten Motocaros werden für 20 Soles (€ 4,70) pro Tag angemietet. Das heißt, die Fahrer mueßen mindestens 30 Soles (€ 7) am Tag verdienen, um ihre Familie wenigstens mit einem Teller Reis zu ernähren.

city center of Iquitos

city center of Iquitos

Die Fahrtkosten in einem Motorcaro müssen vor Fahrantritt verhandelt werden. Der Preis für einen 1-2km langen Weg beträgt 1,5 Soles (€
0,30). Je länger der Weg, desto höher der Preis (2,5 soles und höher). Eine Reise vom Stadtzentrum zum weit entfernten Flughafen kostet zwischen 7 und 8 Soles (€ 1,70). Normalerweise schlagen die Motocaro-Fahrer 0,50 Soles auf den Standardpreis drauf. Wer also ein Motocaro anhält und zum Beispiel 2 Soles hört, muß sofort mit 1,5 Soles kontern. Es ist wichtig, den Preis immer vorher klarzumachen, insofern man nicht übers Ohr gehauen werden will.

Übrigens ist es bei Alleinreise billiger, wenn man einen der Stadtbusse für 70 Centimos (€ 0,17) nimmt. Das sind eine Art miniaturisierte Autobusse ohne Glas in den Fenstern, die ungefähr 40 Passagiere fassen. Wenn es regnet, können eine Art Plastikfenster nach oben geschoben werden. Die Busstrecke führt normalerweise entlang der Hauptstraßen Iquitos. Wenn man also zur anderen Seite der Stadt will, zum Beispiel zum Flughafen, ist die Reise mit dem Bus ums Zehnfache billiger als mit einem Motocaro.

Also, willkommen in Iquitos, der größten Stadt der Welt (mit 500.000 Einwohnern) ohne Straßenanbindung. Das nahegelegenste Städtchen mit Anschluß an die restlichen Straßen von Peru ist Yurimaguas, eine dreitägige Bootsreise (70 soles – € 17) entlang des Marañón- und Huallagaflußes.

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