Einmal an die Tuer geklopft… (September 7 – 14)
November 29, 2006
Themen: Guatemala
Nebaj liessen wir in einem Transporter hinter uns, auf dessem vollgestopfter Ladeflaeche wir kauerten. Da der Regen es auch an diesem Tag mit uns gut meinte, mussten wir, die Koepfe zwischen den Beinen, die Regenplane links und rechts mit den Haenden festhalten und zwischen Ladeflaechenwand und Ruecken stecken. Bei der holprigen, kurvenreichen Fahrt war das wahrlich eine Glanzleistung. In dieser gekruemmten Haltung verweilten wir nahezu die gesamte Fahrt ueber bis nahe Sacapulas. Zumindest wurden wir diesmal nicht nass. Es ging recht schnell weiter, da unsere naechsten Fahrer aber keinen Schimmer hatten, wo wir in Huehuetenango unser Zelt aufstellen koennen, entschieden wir uns bis nach Chiantla, einer kleineren Stadt noerdlich von Huehuetenango, weiterzuziehen.
Dort machten wir uns auf die Suche nach einem Schlafplatz, der diesmal im Garten einer Pastorenfamilie lag. Da wir bei unserem Streifzug durch Chiantla ein riesiges Plakat an einer Hauswand entdeckten, das irgendeine christliche Veranstaltung ankuendigte, gingen wir hinauf zu diesem Haus und fragten, ob wir dort eine Nacht unser Zelt aufstellen koennten. Die Frau des Hauses rief ihren Mann an, der unter der Bedingung zustimmte, dass wir am naechsten Morgen weiterziehen wuerden.
Weiter ging es morgens Richtung Soloma. Anfangs verliefen wir uns in Chiantla, wurden aber durch einen netten Herrn wieder auf die eigentliche Strasse zurueckgefuehrt. Wir liefen ein ganzes Stueck durch Chiantla zurueck und als wir endlich an der Strasse nach Soloma ankamen, staerkten wir uns mit einen Fruehstueck. Nach dem Zaehneputzen hielt dann auch promt jemand fuer uns an und brachte uns bis zu einer Weggabelung. Die eine Strasse fuehrte nach links in Richtung Todos Santos Cuchumatan, die andere nach Soloma. Todos Santos ist eine Touristenattraktion, was uns zum damaligen Zeitpunkt noch unbekannt war. Die Maenner dort tragen alle die gleichen rot-gestreiften Hosen und spezielle, auffallend kreativ gestaltete Jacken.
An der Kreuzung nahmen wir ein kleines Mahl mit Reis und Bohnen zu uns und waermten uns an einer Tasse Tee. Es ist sehr kalt in der Chiche (sprich: Kitsche) Region, da viele Orte weit oben auf den Bergen liegen. Irgendwann noetigte mich mein Koerper eine Toilette aufzusuchen. Das tat ich auch mit Hilfe der Koechin. Als sie mir von weitem zeigte, wo ich die Toilette finden kann, war ich etwas verwirrt. “Das Holzhaus da drueben?”, fragte ich. “Nein, das dort.” Ich suchte, fand aber nichts. “Sie meinen den Holzstapel dort?” Nein, den meinte sie auch nicht. Nach einigen Minuten raetseln, entdeckte ich endlich die “Toilette”. Irgendwo am Horizont, erreichbar ueber einen schmalen, leicht ausgetretenen Pfad, befanden sich einige halbhohe Holzlatten, aneinandergereiht wie bei einem Zaun. Ich begab mich dort hin und konnte mir ein Schmunzeln bei meiner Ankunft an der Toilette nicht verkneifen. Ich oeffnete die Mini-Tuer, duckte mich und kroch hinein. Warum ueber der Toilettentuer ein Balken angebracht war, konnte ich nicht verstehen, da die Toilette gar kein Dach hatte. Wenn ich aufrecht stand, zum Beispiel um meine Hosen wieder anzuziehen, konnte ich gemuetlich ueber die ganze Landschaft hinwegsehen, da der die Toilette umgebende Sichtschutz mir nur bist zum Magen reichte. Als ich Augustas spaeter die Toilette von weitem zeigte, konnte er sich vor Lachen kaum noch halten.
Wir mochten die Gegend, in der wir Halt gemacht hatten, allerdings war es fuerchterlich kalt und deswegen setzten wir unseren Weg Richtung Soloma fort. Ein Herr mit einem alten, klapprigen Pick-up hielt an und nahm uns mit. Auf der Fahrt entdeckten wir, trotz des starken Nebels, kurz vor ihrem Auftauchen die Piedras de Capzin. Das sind riesige, schwarze Felsbrocken, die wie unnatuerlich aufgestellt am Wegesrand aus den Bergen herausragten. Das ist wirklich ein beeindruckendes Fenomen unserer Mutter Natur. Ich frage mich wie die dort hingekommen sind…
Als wir uns Soloma naeherten entschieden wir uns in La Cumbre (Huegelspitze) auszusteigen. Das lag 2 Kilometer vor Soloma, bot aber auf den ersten Blick Moeglichkeiten fuer einen Zeltaufbau. Der Fahrer liess uns direkt an einem Haus in La Cumbre aussteigen. Da es regnete postierten wir uns mit Freude unter dem Dach des Hauses. Wir waren etwas ratlos was wir jetzt machen sollten. Im Regen einen Zeltplatz zu suchen, danach stand uns nicht der Sinn. Also warteten wir. Der Regen wurde zwischendurch weniger, so dass wir die Umgebung abwechselnd in verschiedene Richtungen inspizierten. In die Stadt hinunter wollten wir nicht, da es dort noch schwieriger werden wuerde einen Stellplatz fuer unser Zelt zu finden.
Wir hockten also eine Stunde spaeter noch immer vor dem Haus, an dem wir abgesetzt wurden. Da wir uns auch ausmalten wie toll es waere, die Nacht in einem Haus zu verbringen, spielten wir mit dem Gedanken einfach anzuklopfen. Irgendwann taten wir das auch. Die Tuer wurde mit Kindergeschrei geoeffnet und alle steckten ihre Nasen neugierig zur Tuer hinaus. Einige der Kinder verdrehten die Augen und rannten weg, um ihre Mutter zu holen. Als Yolanda, die Mutter, kam, erklaerten wir, dass wir fuer diese regenreiche Nacht ein Dach ueber dem Kopf suchten. Wir vermieden es diesmal zu erwaehnen, dass wir ein Zelt haben, da wir doch so gerne drinnen schlafen wollten. Daraufhin lud uns Yolanda in ihr Haus ein, meinte aber, wir muessten auf die Rueckkehr ihres Mannes warten, da er entscheiden wuerde, ob wir bleiben duerfen oder nicht.
Das Warten wurde sehr angenehm, da uns Yolanda mit Reis und Bohnen bewirtete und ihre vier Kinder uns voll in Anspruch nahmen. Der aelteste Sohn, Juan Carlos (13), zeigte uns seine kunstvoll gemalten Landschaften und die Kleineren, Alice (5) und Dennnis (7), nahmen Unterricht in Litauisch, wobei sie sich oft halb tot lachten, weil die Aussprache fuer sie komisch klang.
Als Hermes, der Vater, dann endlich nach Hause kam, gab es gar keine Frage. Wir wurden eingeladen so lange wir moegen zu bleiben. Uns wurde ein Bett hinter der Kueche zugewiesen und wir fuehlten uns in Kuerze als Teil der Familie. An diesem Abend sprachen wir weit bis in die Nacht hinein ueber unsere Lebensphilosophien und Erfahrungen.
Hermes ist Automechaniker und arbeitet auf eigene Rechnung. Er hat auch die Angewohnheit, ab und zu ein altes Auto aufzukaufen, es zu reparieren, neu zu lackieren und fuer einen hohen Preis wieder zu verkaufen. Damit macht er einigen Gewinn, den er wiederum in die Familie investieren kann. Yolanda ist den ganzen Tag zu Hause, kuemmert sich um den Haushalt, das Essen und das kleinste ihrer vier Kinder, Ruby (2).
Die Familie hat einen tollen Zusammenhalt. Am Morgen stehen Yolanda und Hermes zur gleichen Zeit auf und waehrend die Kinder sich anziehen, bereiten die Beiden das Fruehstueck vor. Dann stuerzen alle Kinder nahezu gleichzeitig in die Kueche und aeussern ihre speziellen Fruehstueckswuensche. Es wird geschwatzt und gegessen und kurze Zeit spaeter verschwinden Hermes und die drei grossen Kinder Richtung Arbeit und Schule.
In Guatemala, wie auch in Mexico, gehen die Kinder schon sehr fruehzeitig zur Schule. Statt in den Kindergarten zu gehen, bleiben die Kinder bis zum vollendeten 3. Lebensjahr zu Hause bei der Mutter, und werden mit 4 Jahren eingeschult. In der Schule bekommen sie eine Schuluniform verpasst und beginnen Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen. Zudem haben sie Religionsunterricht und Sport. Ich hatte mich bereits zuvor gewundert, dass Jugendliche in Guatemala ihre Ausbildung bereits mit 14 Jahren beginnen. Jetzt wurde mir aber klar, dass sie genau wie wir mindestens 10 Jahre in die Schule gehen.
Wir verbrachten drei wunderschoene Tage in Yolanda and Hermes’ Haus, waehrend denen wir viele Male fuer die Familie kochten. Bei unserer Ankuendigung weiterzuziehen, holte Hermes ploetzlich Geld hervor. “Das ist fuer das Essen, dass ihr fuer uns zubereitet habt.” Wir waren verbluefft. Eine Familie mit vier Kindern, die uns bedingungslos aufgenommen hatte, und ein Dach ueber den Kopf und viele schoene Tage bescheert hatte, wollte nun fuer unsere Gegenleistung bezahlen. Das Geld konnten wir einfach nicht annehmen. Wir mussten energisch abwehren, bis Hermes endlich von dieser Idee abliess.
Leider wurde es nichts am naechsten Tag weiterzuziehen, da ich einen fuerchterlichen Durchfall und Fieber bekam. Ich ging auch gleich zum Arzt, wobei sich erst am naechsten Tag herausstellte, dass ich mir einige Parasiten eingehandelt hatte. Ich wusste vom ersten Moment, dass das in Uspantan passiert war, da ich mir dort die Zaehne ein einziges Mal mit Wasser geputzt hatte, von deren Qualitaet ich mich wegen der Dunkelheit nicht hatte ueberzeugen koennen. Der Arzt wollte mir irgendwelche 3-Tage-nehmen-Durchfall-weg Chemikalien verordnen, die ich aber ablehnte. Ich wollte den Durchfall moeglichst mit natuerlichen Medikamenten verbannen. Der Arzt erwaehnte, dass das mit dem Tee der Bluete Jacaranda moeglich sei. Wir machten uns auf diese zu finden, blieben aber erfolglos. Allerdings machten wir eine Naturapotheke ausfindig, die uns Schwarze Walnuss (Nogal negro, Black Walnut) empfahlen. Da sie keine Beschreibung dazu hatten, und ich nicht blindlinks glaubte was sie sagen, machte ich mich im Internet schlau. Dort erfuhr ich ausfuehrlich, dass die schwarze Walnuss bei Parasitenbefall, besonders bei Amoebenbefall, hilft. Ich kaufte also das nicht ganz so billige Medikament und begann mit der Einnahme.
Es war mittlerweile eine Woche vergangen, seit wir an die Haustuer in Soloma geklopft hatten und da ich mich wieder kraeftig fuehlte, zogen wir weiter.
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