Die Jagd auf ein TLACUACHE (Januar, 26-28)
Februar 1, 2006
Themen: Mexiko
followtheroad.com
Hallo meine Lieben,
heute verlassen wir Merida Richtung Izamal. Mal sehen ob wir da auch ankommen oder wo es uns mal wieder hinverschlaegt. Hier noch der Bericht ueber unseren Aufenthalt in Chicxulub, ca. 6km entfernt vom Puerto Progresso im Nord-Westen von Yucatan, Mexico.
Viel Spass beim Lesen!
Liebe Gruesse,
Katja & Augustas
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Die Jagd auf ein TLACUACHE
Von Panaba gelangten wir recht schnell nach Dzilam de Bravo, was 71km entfernt an der Küste liegt. Dort gedachte ich eigentlich zu bleiben, doch Augustas war es noch entschieden zu früh. Es war schließlich erst 1 Uhr nachmittags! Nun gut, wir stimmten dann überein, den Strand zu begutachten, mussten allerdings feststellen, dass er total verwüstet und dreckig war. Kein Wunder, da ja der Hurrikan vom Oktober 2005 sehr viel zerstört hat. Wir fuhren also weiter und kamen mit Hilfe unseres Fahrers und der Erlaubnis des leitenden Kommisars vor Ort nach ca. 50km am Strand von Chicxulub an.
Um ehrlich zu sein, erschien es uns reichlich unmöglich dort zu campen. Zum Einen weil es super windig war, zum Anderen weil wir uns nicht wirklich verstecken oder ausbreiten konnten, da wir den Strand voller Bote vorfanden. An einem 4stöckigem Gebäude angekommen, liefen wir hoffnungsvoll die Treppe herauf und da zeigte sich der Platz, der optimal für eine Nachtruhe schien: eine kleine Grasfläche vor dem Haus, wo unser Zelt bestimmt 6 mal hingepasst hätte, wir vom Strand aus kaum gesehen werden konnten und auch dem Sandkasten, den wir wohl sonst am Morgen in unserem Zelt vorgefunden hätten, entkommen könnten.
Einmal den Bestimmungsort für jene Nacht gefunden, mussten wir aber noch eine Genehmigung der dortigen Anwohner einholen. Wir liefen also zum Hof der 4 im Quadrat angeordneten Häuser. Nachdem wir fast über einen einladenden Pool gestolpert wären, kamen wir auf eine Gruppe von Herrschaften mit nicht mexikanischem Antlitz zu. Wir fragten bezüglich der Genehmigung und diese verwiesen uns dann an die Wohnungstür, welche an die Wohnung grenzte vor der das begehrte Stück Rasen für die kommende Nacht zu finden war. Wir klopften an und wie so oft hier in Mexiko schlug unser Herz erstmal bis zum Hals, da unser Klopfen mit Hundegebell beantwortet wurde. Kurz darauf öffnete dann Patricia die Tür. Wir sprachen unsere Bitte aus und sie bat um eine Abstimmung mit ihrem Ehemann Jorge. Jorge kam kurz darauf heraus und stimmte mit dieser Idee überein. Wir gingen dann allesamt zum Verwalter dieser Anlagen, nur um sicher zu gehen, dass wir ihn nicht hintergehen und dann Patricia und Jorge darunter leiden müssen. Der Verwalter stimmte mit uns überein und so bauten wir freudestrahlend unser Zelt auf.
Nun gut, nicht ganz so freudestrahlend, denn der Wind war so ungeheuerlich, dass es die Zeltwände zum Platzen aufspannte. Ich hatte dann die Idee, dass Zelt mittels einer provisorischen Leine und etwas Schwerem zu fixieren. Daraufhin suchten wir den Strand ab und fanden neben einem langen und schwerem Ast auch ein paar recht vielgewichtige Steine. All dies befestigten wir dann so, dass das Zelt ein Gegengewicht zum Wind bekam. Und Wunder was, es funktionierte!
Trotz alledem war es sehr windig und die ein oder andere Ecke unseres Zeltes versuchte unserem Fixierversuch auszureißen.
Nachdem wir uns mit der Situation abgefunden und die Hoffnung auf ein Überleben unseres Zeltes wieder aufgebaut hatten, sagte Augustas im Spass: “Ach, keiner lädt uns zu einer Tasse Tee ein. Es wäre so schön jetzt da drinnen im Haus zu sein und neue Leute kennenzulernen…” Ich meinte daraufhin, dass er nichts erwarten sollte, denn nur so besteht die Hoffnung, dass etwas derartiges doch noch passiert. Wir entspannten uns daher, machten ein paar Notizen über die letzten Tage und plötzlich, “klopfte” es an unser Tent. Patricia kam zu uns und bot zwei warme Decken für die Nacht an. Wir nahmen dankend an und statt es dabei zu belassen, lud sie uns zu einem Tee ein. Wir waren völlig vom Hocker, erfüllte sich doch da gerade tatsächlich unser Wunsch!
Drinnen angekommen spielte Jorge auf seiner Gitarre und unterhielt sich nebenbei mit uns. Patricia machte für alle von uns Tee und packte super leckere Kekse auf den Tisch – ohne Milch! – die wir beide munter verputzten. Uns wurde auch das Bad als zugänglich angeboten, im Falle wir müssten mal oder wir würden gern eine Dusche nehmen. Wir waren so seelisch!
Statt wie gewöhnlich gegen 21 Uhr schlafen zu gehen, verzögerte sich dieser Zeitpunkt an jenem Tage um ganze 5 Stunden. Jorge erzählte uns viel über sein Leben, unter anderem wie er und Patricia sich kennengelernt haben. Mit 21 Jahren heiratete Jorge seine erste Frau. Als er 29 Jahre alt starb sie und hinterließ ihm die 2 gemeinsamen Töchter. Auch Patricia heiratete recht früh, mit 18 Jahren, bekam einen Sohn und auch ihr Ehemann starb. Als die beiden sich trafen, waren beide jeglichem Interesse an einem neuen Partner abgeneigt. Dies hielt allerdings nur 4 Monate an, dann verliebten sie sich und bekamen noch eine gemeinsame Tochter. Und auch nach 30 glücklichen Ehejahren sind beide noch verliebt wie zwei junge Vögel. Es war interessant ihnen zuzuhören, wenn sie sich gegenseitig “Jorge, mein Himmel”, “Patricia, mein Herz”, “Jorge, mein Leben”, “Patricia, mein Stern” etc. nannten.
Patricia und Jorge sind beide katholisch und beten vor jedem Essen, dass den Armen ein gleichwertiges Essen zuteil wird. Patricia erzählte uns auch von einer besonderen Begegnung. Eines Morgens ging sie wie regelmäßig am Strand spazieren. Dabei dachte sie an ihren Bruder, der drei Jahre zuvor, und ihren Vater, der im Oktober 2005 verstorben war. Tief in Gedanken, stand sie plötzlich vor einer Tontafel, die im Sand lag und auf der in französisch geschrieben stand “Für Dich” und diese Worte mit der Zeichnung eines Herzen abgeschlossen wurden. Sie hob es auf und ging ca. 100m weiter. Dort fand sie eine ähnliche Tontafel mit den gleichen Worten. Sie ist fest davon überzeugt, dass dies nicht dem Zufall zu verdanken ist, sondern von den Menschen arrangiert wurde, die sie seit deren Tod so sehr vermisst. Jorge stimmte damit völlig überein, vor allem auch, da ihm selbst ähnliches wiederfahren ist. Er liebt Pferde über alles und als er am Strand entlangspazierte und an seinen schwarzen, stattlichen Hengst dachte, fand er vor sich ein kleines schwarzes Plastikpferd.
Jorge war ein sehr geschäftiger Mann, ständig auf Achse. Er hat in seinem Leben vier verschiedene Studien abgeschlossen, war als Berater in verschiedenen Branchen tätig und hat 5 Jahre erfolgreich in Amerika gearbeitet – bis sein Boss Hosensaussen bekam, da Jorge innerhalb dieser 5 Jahre dass geschafft hat, wofür er ganze 16 Jahre gebraucht hat. Da sein Boss daher um den eigenen Posten bangen musste, bat er Jorge seine Position dort aufzugeben. Jorge war vor 6 Jahren auch Tourismus-Minister für verschiedene Regionen Mexikos, was ihm und Patricia so manche Reisen in der ganzen Welt bescherten.
Patricia und Jorge schätzen sich als sehr glückliche Menschen. Sie sagen zum Beispiel, dass sie den größten Swimmingpool (das Meer) und den größten Fernseher (der Sonnenuntergang) der Welt haben, was Dinge sind, die selbst die reichsten Leute nicht hätten. Momentan suchen sie nach einem kleinen Häuschen direkt am Meer, um diese Glückseeligkeit weiterhin zu geniessen, so viele Muscheln wie möglich zu finden und genug Auslauf für ihre zwei süssen Pudel, Bernardo und Lukas, zu haben. Diese zwei Hunde hatten es uns auch besonders angetan, vor allem wenn es ums spielen oder um Streicheleinheiten ging.
Jorge vertreibt nun in Chicxulub, bzw. im nahegelegenen Puerto Progreso, besondere Kartons für den Fischtransport. Das Besondere daran ist das natürliche Wachs womit die Kartons gegen Nässeeinwirkungen geschützt bleibt. Dies tut er, um die Wirtschaft in dieser Region voranzutreiben, nur leider sind die amerikanischen Konkurrenten mit ihren gewachsten Exemplaren noch erfolgreicher als die seinen. Das vor allem, da sie etwas billiger sind. Allerdings vergessen die Käufer dabei einen entscheidenden Umweltaspekt. Jorges Kartons sind problemlos recycelbar. Die amerikanischen Kartons dagegen sind es nicht.
Patricia war ihr ganzes Leben mit der Kunst beschäftigt. Sie hat in Italien verschiedene Kunstrichtungen studiert. Das gute daran war, dass sie gleichermassen Mode entwerfen, Häuser konstruieren oder gar Maschinen designen konnte. Den Grossteil war sie wohl in der Mode tätig, da sie mir davon eine Menge Bilder zeigte. Dabei entwarf sie die Kleidung nicht nur, sondern stand auch Model für diese. Jetzt konzentriert sich Patricia auf das Anfertigen von Sovenirs aus Muscheln und ALEBRIJES (Pappmaché). Sie spezialisiert sich dabei vor allem auf verschiedene Religionsfiguren, Seifenschalen und Ohrringe. Zudem lehrt Patricia in Kursen die Einheimischen, wie sie diese Sovenirs selbst anfertigen können. Das tut sie, um der armen Bevölkerung vor Ort auf die Sprünge zu helfen.
In Chicxulub haben wir nicht sehr viel gemacht. Glücklicherweise konnten wir noch am ersten Abend unser Zelt direkt vor Patricias und Jorges Fenster stellen. Dort waren wir etwas geschützter vom Wind und mussten uns keine Gedanken mehr über die Haltbarkeitsgrenzen unseres Zeltes machen. Neben unendlich vielen Gesprächen, gemeinsamen Essen und dem geniessen von internationaler Musik, fuhren wir auch einen Tag mal nach Puerto Progresso (Hafen). Dort zog es uns vor allem deshalb hin, weil wir die Idee hatten, auf eine der winzigen Inseln zu fahren. Dafür benötigen wir aber nicht nur ein Boot, das möglichst flexibel in der Ortsbestimmung ist, sondern auch einen Seemann, der uns diesen Wunsch erfüllen würde.
In Puerto Progresso angekommen, mussten wir enttäuscht feststellen, dass wir keinen Zugang zum Hafen bekommen würden. Der liegt nämlich ca. 1 km weiter draussen im Meer und ist nur über eine Brücke zugänglich. Diese durftenn wir aber nicht betreten. Sie ist nur für den Transport von Gütern bestimmt und darf von keinem Betreten werden, der nicht dergleichen zu einen der Schiffe bringt. Nach einigem Nachfragen wurde uns dann ein naheliegender kleiner Fischerhafen empfohlen, der ca. 2,5km vom Puerto Progresso entfernt lag. Auf dem Weg dahin, entschiedenn wir uns zu trampen. Vorher fragten wir aber noch einen Herren, der gemütlich vor seinem Haus residierte. Der wickelte uns dann derartig in Gespräche ein, dass wir nicht nur erfuhren, dass im Fischerhafen wohl keiner zu finden wäre, der uns unseren Wunsch erfüllt, sondern auch, welche auf dieser Halbinsel befindlichen Häfen für unsere Idee überhaupt in Frage kämen. Natürlich hätten wir trotzdem zum Fischerhafen gehen können, aber nachdem uns der Herr erklärte, dass die Fischer jeweils für 15 Tage aufs Meer hinausfahren, dann zurückkehren und sicher keiner von ihnen zu diesen winzigen Inseln fahren würde, da noch dazu keinerlei Menschen dort residieren würden, gaben wir unsere Mission für diesen Tag erst einmal auf.
Am letzten Abend setzten wir uns nach einem gemeinsamen Abendessen allesamt draussen vor das Haus. Wir schoben zwei Bänke zusammen, rieben uns mit ACEITE ESENCIAL CITRONELA (Anti-Mücken Öl) ein und hörten dem Gitarrenspiel von Jorge mit der Hintergrundmusik eines rauschenden Meeres gebannt zu. Dabei laßen wir auch so manche Informationen über die Chapas Region von Mexiko, die noch vor uns lag. Als die Pudel dann Radau machten, weil sie sich nicht zu uns gesellen durften, entschieden Patricia und Jorge sie doch noch hinzuzuholen. Das endete aber damit, dass Bernardo plötzlich wie angestochen loshetzte. Der Grund war ein Tlacuache, ein Tier von 50cm Länge, 20cm Breite und 20cm Tiefe, dass von Weitem wie eine übergrosse, ja riesige Ratte aussah. Bernardo stürzte sich auf dieses Tier, was ihn aber durch Patricias und Jorges eingreifen entwischte. Der Tlacuache war von Panik gepackt, lief erst auf die Wiese und lief dann flux die Treppe herunter. Am Strand lief er dann noch total verwirrt hin und her, bis er irgendwann um die Ecke verschwand. Ich sah dabei noch, dass es in der Mitte einen ca. 2cm grossen Streifen von links nach rechts über den Körper trägt. Ich glaube in deutsch nennt sich ein Tlacuache Gürteltier, ich bin mir aber nicht 100%ig sicher.
Am Tag unserer Abreise schrieben Jorge und Patricia noch zwei kleine Nachrichten in unser Notizbuch:
Jorge: “The life is full of experiences, you are a nice experience in our life. Good bless you.”
(“Das Leben ist voll von Erfahrungen; ihr seid eine schoene Erfahrung in unserem Leben. Gott segne euch.”)
Patricia: “Aprendimos a quererlos rapidamente, los vamos a extrańar!!! … Dios los Bendiga! … Cuidense y escriban por mail ok? Los quiero mucho!”
(“Wir haben uns so schnell an euch gewoehnt, wir werden euch vermissen!!! … Gott schuetze euch! … Passt auf euch auf und schreibt eine Email ok? Wir lieben euch sehr!”)
Wir werden euch nicht vergessen, Patricia and Jorge! ;))
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