Santiago de Cuba (Januar 5 – 8)
März 5, 2007
Themen: Kuba
Das Bild, was sich uns taeglich in unserer Strasse bot waren Kubaner, die vor ihrem Haus sassen und miteinander schnatterten. Kinder wie auch Erwachsene spielten Ballspiele die ganze Strasse entlang. Es gab etliches Gelaechter, laute Diskussionen, viel Musik und eine Menge Haendler, die mit einem rollenden Kasten, Karren, Fahrrad oder nur mit einem Beutel oder Karton in der Hand ihre Waren auf der Strasse anpriesen. Sobald eine Verkaeuferstimme ertoente
– “Brot! Weiches Brot!” oder “Tomaten, Zwiebeln!” oder “Bananen, Orangen!” usw. – ueberprueften wir das Angebot von der Terasse aus und gingen bei Bedarf einfach nur die Treppe hinunter. Santiago lebt, anders kann ich es nicht beschreiben.
Santiago wirkt auf mich gegenueber den anderen bisher besuchten Orten in Kuba wie der Modernste. Hier gibt es zum Beispiel eine riesige Einkaufsstrasse, von der in anderen Orten Kubas nur getraeumt werden kann. Die Geschaefte bieten mehr als man zum Leben braucht. Viele Menschen kleiden sich modern, sitzen in Parks oder sind in vereinzelten Cafes zu finden. Einen Imbiss (belegte Brote, Pizza, Eiscreme, Kuchen) kann man an jeder
Strassenecke finden, wogegen es sonst teilweise problematisch ist als Tourist Brot legal erwerben zu koennen.
Der Tourismus blueht in Santiago, was sicher den Fortschritt in der zweitgroessten Stadt Kubas so deutlich macht. Taxis zu verschiedenen Ausflugsorten wurden uns an jeder Strassenecke angeboten. Es gibt eine Strasse im Zentrum Santiagos, die voll von Souvenirverkaeufern ist. Die Souvenire – das ist uns schon in Havanna aufgefallen – erinnern stark an Afrika. Vor allem wenn ich die holzgeschnitzten Figuren betrachte fuehle ich mich sofort nach Afrika versetzt.
Der Obst- und Gemuesemarkt ist vergleichsweise gross und bietet so allerlei Leckereien an. Einmal sind wir erst zum Markt gekommen, als die Tore schon verschlossen waren. Trotzdem gab es eine handvoll, zum Teil sehr notbeduerftig aussehende Haendler, die frischen Salat, Karotten, Gurken, Kuerbis, Apfelsinen usw. verkauften. Der Markt an sich ist nicht der Schoenste, aber wer
schaut schon auf das Aeussere, wenn er drinnen so leckere und vor allem natuerlich gewachsene Leckereien findet…
Einmal sind wir bis zum Hafen spaziert. Der liegt wenig idyllisch gelegen, gleich hinter der Hauptverkehrsstrasse Santiagos. Allerdings schliesst sich dort ein kleiner Park an, in dem wir es uns auf einer Bank gemuetlich machten und mit Wohlwollen das Wasser betrachteten. Schiffe haben wir keine gesehen, dafuer aber alle Arten von Menschentypen, die sich im Park aufhielten. Da war ein Trompeter, der sein Musikstueck kraftvoll dem Meer entgegenblies, ein Obdachloser, der sich Weggeworfenes naeher anschaute, ein Fahrradtaxifahrer, der uns mit allen Mitteln zu einer Rundfahrt ueberreden wollte (er zeigte uns stolz seine Gangschaltung), ein aelteres, kubanisches Touristenpaar, dass im Fahrradtaxi sitzend mit Freunden des Taxifahrers plauderte, ein junges Paar, dass sich gegenseitig abfotografierte und dann Arm in Arm im Park herumschlenderte, und ein kleiner Hund mit uebergrossen Ohren, der auf der Suche nach etwas Essbaren war. Ein toller Mix von Lebewesen.
Notwendigerweise haben wir auch eine homeopatische Apotheke aufgesucht. Schon in Mexico ist mir aufgefallen, dass homeopatische Medizin – im Gegensatz zu Deutschland – viel billiger als chemische Medizin ist. In Kuba blieb mir fast der Mund offen stehen, als ich zwei Flaeschen Medizin fuer nur 2 Pesos! (0,07 Euro) erwarb.
Wir fuehlten uns in Santiago recht wohl, zumal wir in einem Zimmer mit Terrasse wohnten. Dadurch konnten wir sehr bequem und ungestoert kochen. Zum Wasser holen und Abwaschen mussten wir ins Bad gehen. Das bedeutete am Schlafzimmer der Vermieter vorbeizugehen, aus dem staendig ein brennender Geruch von Exkrementen herauskroch. Es war ekelerregend, aber mit Atem anhalten konnten wir den Geruch weitgehend ignorieren.
Auf unserer Terrasse und in unserem Zimmer hatten wir mit einer Horde von Ameisen zu kaempfen. Wo auch immer wir etwas abstellten oder auf das Bett legten, die Ameisen kamen sofort angerannt. Gut das wir bald einen Abfallbeutel am Terrassengelaender befestigten, da die Ameisen so unser frisches Essen weitgehend in Ruhe liessen.
Die Dusche war auch eine Meisterleistung, ein Orignalstueck aus der UDSSR (der ehemaligen Sowietunion), das an eine Giesskanne mit einem angeschlossenem Geldautomaten erinnerte. Um warmes Wasser zu erzeugen musste der silberne Knopf mit Kraft in den neben dem Duschkopf befindlichen Kasten hineingedrueckt werden. Dann hiess es eine Minute warten, bis sich in der “Kanne” das Wasser aufheizte. War es so weit, schaltete ich die Dusche an, musste aber aufpassen mich nicht zu verkochen. Das hiess abwarten bis sich die Kanne mit dem heissen Wasser zur Haelfte geleert hatte. Dann war das Wasser fuer ungefaehr 30 Sekunden angenehm warm und wurde anschliessend kalt. Um weiteres warmes Wasser zu erzeugen musste der Wasserhahn zugedreht werden und der ganze Prozess ging von vorne los. War der Reinigungsprozess dann irgendwann beendet, hiess es den roten Knopf am Kasten druecken, damit sich das Wasser nicht weiter aufheizt. Diese UDSSR Dusche war wirklich ein Meisterwerk.
Einen Abend trafen wir uns mit vier Mitgliedern des Hospitalityclub (www.hospitalityclub.org) im Zentrum von Santiago. Guillermo, der als Ingenieur in der Solarenergie arbeitet, kam zuerst. Dann folgte Leanne, eine Professorin in der Universitaet, die von ihrer Schwester Lyxy erfuhr, dass wir uns um 18 Uhr vor dem Cine Cuba treffen. Bald darauf kam auch Lyxy und den Schluss bildete Dennis, ein Bankangestellter. “In Cuba ist es eher ungewoehnlich sich mit Freunden in einem Cafe zu treffen”, meinte Leanne. So gingen wir gemeinsam in einen nahegelegenen Park und machten es uns auf einer Parkbank gemuetlich.
Leanne wunderte sich, dass wir sie nicht wegen einer billigen Unterkunft kontaktiert hatten, denn das ist es, womit die Hospitality Club (HC) Mitglieder hier in Santiago versuchen weiterzuhelfen. In Kuba kann man naemlich nicht kostenlos bei anderen HC Mitgliedern uebernachten. Wir dachten wir wuerden mit dem Boot nach Santiago kommen und dort waehrend unseres Aufenthalts wohnen. Haetten wir vorher um Leanne’s Hilfe gebeten, waere sie fuer uns mit auslaendischen Studenten in Kontakt getreten. Diese haetten sicher eine Moeglichkeit gefunden, uns billig unterzubringen. Aber nun war es egal. Wir hatten bereits eine Bleibe gefunden.
Im Gespraech versunken wurde mir von einem Unbekannten eine Blume gereicht. Ohne darueber nachzudenken griff ich zu. Da forderte der Geber Geld im Gegenzug. Wie es aussah hatte der Mann die Blumen waehrend des Tages vom Strassenrand gepflueckt und versuchte sie noch immer zu verkaufen. Keine schlechte Idee, musste ich zugeben. Als er aber bei einem kubanischen 20 Cent Stueck unzufrieden war und mehr forderte, fuehlte ich wenig Sympathie mit ihm. Augustas gab ihm darauf 1 kubanischen Peso und der Herr zog von dannen.
Kurz darauf hielt mir ein anderer Herr ein Blatt Papier vor die Nase. Gewarnt von dem Blumenverkaeufer wollte ich es nicht annehmen und versuchte angestrengt meine Aufmerksamkeit auf das Gespraech mit Leanne zu lenken. Doch der Herr liess nicht nach. “Hier, greif zu! Es ist ein Geschenk!” Ein Geschenk? Ich gab irgendwann nach und schaute mir sein Meisterwerk an. Ein Portraet meiner selbst, gezeichnet auf die schnelle Art mit einem Filzstift. Bei
genauer Betrachtung konnte ich die Aehnlichkeit mit mir erkennen.
Charakteristische Merkmale wie mein Kopftuch und meine Nase hatte der Kuenstler besonders hervorgehoben. Sogar mein T-Shirt hatte er mit wahren Details versehen. Ich zeigte die Zeichnung herum und wir fingen alle herzlich an zu lachen. Auch wenn ich mich danach etwas unwohl fuehlte, da ich nicht ueber seine Kunst spotten wollte, war es wohl in jenem Moment die einzig moegliche Reaktion. Der Mann forderte wirklich kein Geld, haette sich aber sicher ueber eine finanzielle Entschaedigung fuer seine Kunst gefreut. Er war aber bereits weitergezogen, wohl ahnend, dass seine kuenstlerischen Faehigkeiten noch nicht soweit gediehen waren, um den vermeintlichen Kaeufer mit seiner Portraetzeichnung gluecklich zu stimmen. Der Blumenverkaeufer wie auch der Kuenstler machten den Anschein gerne dem Alkohol nachzuhaengen und mit diesen Zuverdiensttaetigkeiten die naechste Flasche kubanischen Rum zu finanzieren. Ich empfand es also nicht als Schande, diese Angewohnheit nicht zu unterstuetzen.
Mit Guillermo hatte ich wenig Moeglichkeit zu reden. Auch mit Lyxy kam ich nicht so richtig ins Gespraech, da mir Leanne mit ihren Fragen immer zuvor kam. Ich fand das ein wenig schade, vor allem da sich Guillermo als erster verabschiedete. Vielleicht fuehlte sich Guillermo auch etwas unwohl, so in der Oeffentlichkeit mit zwei Auslaendern herumzusitzen. Das ist naemlich fuer Kubaner nicht alltaeglich, da der Staat versucht den Kontakt mit Auslaendern zu unterbinden. Leanne schien das wenig zu interessieren und schnatterte froehlich weiter. Ihre Schwester Lyxy verliess uns als zweite, da sie ihren Freund treffen wollte. Dennis hatte sich die ganze Zeit nur mit Augustas unterhalten. Die beiden schienen einen angeregten Informationsaustausch zu fuehren. Spaeter gestand mir aber Augustas, dass er oft nicht hinterherkam, wenn Dennis erzaehlte. Wir waren also mit den zwei Gepraechstalenten zurueckgeblieben.
Da uns die Hintern weh taten und wir muede vom Reden waren, schlug Leanne vor zu einem anderen Park zu gehen. Das war eine Wohltat. Im anderen Park angekommen erzaehlte mir Leanne von ihrem Besuch in Deutschland. Kulturelle Unterschiede waeren das Eine, meinte sie. Daran wuerde man sich schon gewoehnen. Aber die alltaeglichen Dinge wie Einkauf, Essenszeiten usw. waren fuer sie das Schwierigste. Wollte Leanne Fleisch kaufen, wurde sie an der Theke gefragt, “Welches Fleisch moechten Sie denn kaufen?”. Leanne wusste darauf keine Antwort, da es in Kuba kein sehr vielfaeltiges Angebot an Fleisch gibt. Eine grosse Auswahl ist in Kuba nicht vorhanden. Das gleiche passierte ihr mit Kaese und Brot. Die Vielfalt der Speisen setzte sich zum Beispiel beim Fruehstueck fort. War sie es in Kuba gewoehnt nur ein trockenes Broetchen, manchmal auch ein Kaesebroetchen, und Kaffee zu sich zu nehmen, sass sie in Deutschland vor einem reich gedeckten Tisch. Da gab es verschiedene Wurst- und Kaesesorten, Honig, Marmelade, Orangensaft, Wasser, Tee, Kaffee und verschiedene Brotsorten. “Wie soll ich das alles denn bitte schoen essen?”, waren Leannes Gedanken. Sie war mit diesem Ueberfluss ueberfordert. Auch die Essenszeiten seien sehr verschieden. In Kuba isst man gegen 11-12 Uhr zu Mittag, in Deutschland gab es um diese Zeit nur eine Kaffeepause. “Ich bin fast verhungert als ich bis halb Zwei warten musste, um meinen Magen zu fuellen.” Leanne bezeichnet den Zustand in Deutschland als Ueberfluss und ich kann ihr da nur zustimmen.
Von Lyxy erfuhr ich, dass die arbeitende Bevoelkerung in Kuba 4 Wochen Urlaub pro Jahr hat. Jede Person kann alle 6 Monate einen Urlaub fuer zwei Wochen beantragen. Die zwei Wochen Urlaub muessen am Stueck genommen werden und koennen nur im Ausnahmefall zerstueckelt werden. Ist der eine Urlaub beendet, muss die Person mindestens 6 Monate warten, bis sie erneut Urlaub machen kann.
Dennis brachte uns am folgenden Tag zum Universitaetsgelaende Santiagos. Es erinnerte mich sehr an die Universitaetsregion in Mexico Stadt, nur war Santiago dagegen ein Mini-Format. Es gab allerlei Fakultaeten dort und die Studenten kommen meist aus der Region Santiago oder aus angrenzenden Regionen. Studenten von ausserhalb wohnen in Studentenhaeusern. In einem Zimmer kommen 4 bis 8 Personen unter. Die Zimmer sind klein und recht spartanisch eingerichtet. Auslaendische Studenten werden in einem speziell fuer sie bestimmten Gebaeude untergebracht. Allerdings gibt es im Studentenalltag keine Trennung zwischen Kubaner und Auslaender. Alle Studenten nutzen gemeinsam die universitaeren Anlagen.
Eine Bibliothek gibt es auch, allerdings ist es schwierig dort Buecher auszuleihen. Es gibt nur wenige Exemplare und Studenten muessen das Ausleihen gesondert beantragen. Gibt es wie bei den meisten vorhandenen Buechern nur ein Exemplar, sind die Studenten gezwungen in der Bibliothek ihre Ausarbeitungen waehrend der Wochentage vorzunehmen, da die Bibliothek am Wochenende geschlossen bleibt.
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