Entlang von Kreuzungen (Juni 10 – 11)
Juli 8, 2007
Themen: Venezuela
Die Tage am Strand waren vorueber und wir befanden uns auf einer kleinen Mission. Wir wurden von Arquimedes gebeten einen Brief zu seiner Ex-Frau zu bringen, die in San Juan de las Galdonas (170 km oestlich von Punta Arenas), ein kleiner Ort auf der Peninsula Paria, lebt. Wir steckten uns zum Ziel am gleichen Tag anzukommen.
Hippie, Arquimedes vierfuessiger Zeitgenosse, brachte uns bis zur Kreuzung, an der wir lostrampen konnten. Die Kreuzung lag verlassen, am Ende einer Weggabelung, geschoent mit roetlich-sandiger Erde, einer Unmenge von Kakteen-Schoenheiten, Dornenstraeuchern und -bueschen. Die Erde auf der Strasse hatte sich zu weichem Sand zermalen, von dessen sich aufgrund des fehlenden Lueftchens nicht einmal ein Staubkorn erhob. Die Sonne prasselte auf uns nieder, vor der wir Dank des schattenwerfenden Dornenbaumes Zuflucht fanden.
Hippie tat es uns gleich. Nachdem er eine Weile ratlos herumgestanden und uns beim Sitzen zugeschaut hatte, kraeuselte er sich nun hinter uns in den Schatten. Jetzt war es nicht mehr nur eine Frage, ob ueberhaupt jemand mit seinem Gefaehrt auftauchen wuerde, sondern ob wir auch mitgenommen werden wuerden. Denn es lag nahe, dass Hippie eindeutig zu uns gehoerte. Wie sollten wir dem Vorbeifahrenden klarmachen, dass Hippie nur auf unsere Abreise wartete?
Zwei Autos waren bereits ohne anzuhalten an uns vorbeigesaust. Endlich kam ein oeffentlicher Transport. Wir baten um einen kostenlosen Lift bis Araya, der uns genehmigt wurde. Die gleiche Prozedur wiederholte sich in Araya, auf dem Weg nach Taquapire.
Dort ausgestiegen, standen wir am Strassenrand neben aufgeschuetteten, meterlangen Schellenhaufen, die Ueberbleibsel der reichhaltigen Meereskost in dieser Gegend. Wir fanden ein schattiges Plaetzchen, was gleichzeitig eine Art Muellhalde war. Erschreckenderweise entdeckten wir das Skelett eines kleinen Hundes, dem diese Muellhalde wohl zum Scheiterhaufen geworden war. Wir entschieden lieber in der Sonne zu warten und liefen ein ganzes Stueck zum Ende des Dorfes.
Auf der anderen Strassenseite beobachteten wir drei Frauen und einen Mann. Sie sassen um einen Tisch herum und hatten links und rechts neben sich Saecke voller Ohrenmuscheln stehen. Diese bearbeiteten sie mit der Hand, doch leider konnten wir nicht entdecken, ob sie das Fleisch aus den Muscheln entfernten, oder die uebriggebliebenen Muschelhuelsen zum Verkauf aufbereiteten. Kaum hatten sie naemlich unser Interesse geweckt, hielt ein Transporter an. Dieser war vollgeladen mit Kartons, die mit Flaschen und Porzellan gefuellt waren. Eigentlich war auf der Ladeflaeche wirklich kein Platz mehr, aber wir wurden irgendwie neben den Kisten hineingestopft. Augustas sass auf der hintersten Kante des Transporters und ich versuchte mich in die letzte kleine Luecke hineinzuverkriechen. Verkorst, meine Beine am Einschlafen, mich mit einer Hand an der Ladeflaeche, mit der anderen an einem Stuhl festhaltend, kauerte ich mit dem Versuch an nichts zu denken in der hintersten rechten Ecke der Ladeflaeche. Augustas und mich trennte nur sein Rucksack, der mir als Kopfstuetze und Augustas als einzige Festhaltemoeglichkeit diente. Ich machte mir regelrecht Sorgen um Augustas, dass er rueckwaerts aus dem Wagen fallen wuerde, denn er konnte, im Gegensatz zu mir, seinen Kopf nicht vor dem Wind schuetzen, sondern sass direkt in Fahrtrichtung. Mit einer Irrsinnsgeschwindigkeit brausten wir ueber eine loecherbestueckte, sandige Strasse und wuenschten uns nichts sehnlicher als das Ende dieser Fahrt. Gluecklicherweise kam dies an einer Kreuzung nahe Guayacan.
Wir stiegen aus, was mir sehr schwer fiel. Neben meinen schlafenden Fuessen, konnte ich meinen linken Arm nicht mehr bewegen. Ich hatte mich wohl doch etwas zu klein machen wollen. Naja, die Gliedmassen erwachten irgendwann wieder, nur mein Magen musste sich erst einmal wieder beruhigen. Ich hatte doch glatt vor dieser Fahrt einen Arepa (Maisfladen) vertilgt, der nicht ganz bis in den Magen gerutscht war. So tragisch war das aber nicht, denn wir fanden uns einige Minuten spaeter an dem einzigen Gebaeude weit und breit wieder, dass einige Esswaren anbot. Wir kauften wahrscheinlich wochenaltes, gummiartiges Brot, so schmeckte es zumindest, und baten um die Auffuellung unserer Flaschen mit Leitungswasser. Das Wasser war etwas dreckig und stank nach altem Fisch. Wir nahmen es trotzdem mit, wir wussten ja nicht wann wir erneut um Wasser bitten konnten.
Die Kreuzung lag im Nirgendwo. Drei Strassen trafen dort aufeinander, was wohl die Existenz des Kiosks rechtfertigte. Die Gegend war auch hier voellig ausgetrocknet, gesaeumt von Kakteen oder stacheligen Pflanzen. Die Sonne senkte uns die Koepfe, trotz dem Versuch sie unter unseren Muetzen zu verbergen. Einige Autos passierten den Kiosk, hielten an, kauften oder brachten etwas und brausten in andere Richtungen als die unsere wieder davon. Das erste Gefaehrt auf unsere Strecke beachtete uns kaum, doch dann tauchte ein aelterer Wagen mit zwei netten Herren auf. Sie wuerden uns bis nach Cariaco bringen, welch ein Glueck!
In Cariaco stiegen wir wieder einmal an einer Kreuzung aus. Wir hofften sehnlichst weiterzukommen, doch liess das gewuenschte Fortbewegungsmittel ein wenig auf sich warten. Viele Autos fuhren einfach nur an uns vorbei, ohne uns eines Blickes zu wuerdigen, geschweige denn Mitleid mit uns zu haben. Schliesslich wechselte das Wetter alle 5 Minuten von Regen zu Sonne zu Regen… und wir waren diesen Wetterungsbedingungen schutzlos ausgeliefert. Aber an Gefuehle schafften wir es nicht zu appellieren. Ein Regierungsauto fuhr an uns vorbei, mit zwei Maennern im Cockpit, die ratlos ihre Haende hoben, als sie uns an der Strasse mit gehobenen Daumen, stehen sahen. Sie hielten an. Juhuuu! Wir liefen flux zu ihnen und durften auf der Ladeflaeche bis Carupano mit ihnen mitfahren. Wir bekamen sogar Birnensaft und Kuchen, wobei letzteres nur Augustas geniessen konnte.
Wir wurden kurz vor Carupano herausgelassen. Die Kreuzung wirkte recht gross und so richtig Autos anhalten konnte man dort nicht. Wir liefen ein Stueck weiter, doch ein unbestimmtes Gefuehl ueberkam mich. Wir schauten uns um und den kleinen Huetten auf dem hinter uns liegenden Huegeln zu urteilen, befanden wir uns direkt vor einen der Barrios Carupanos, einem Armenviertel. Meine Alarmglocken schrillten und alles was ich wollte war, ‘Bloss weg hier!’. Energisch hielt ich meinen Daumen heraus und schon stoppte ein alter, zerbeulter 50er Jahre Wagen. Das erste was ich an dem Fahrer entdeckte war ein blaeuliches Tatoo, so eines, was man regelmaessig in Gefaengnissen erhaelt. Das gefiel mir gar nicht. Ich druckste also ein wenig herum, fragte ihn ueber die Strasse, Carupano, wo er uns hinbringen koennte etc. aus, um mein Gefuehl zu ueberpruefen. Ein tiefer Blick in die Augen des Herren liess mich etwas entspannen. Seine Stimme klang besorgt um uns, ansonsten gelassen. Er wollte uns wirklich helfen. Wir stiegen also ein und er brachte uns sogar bis ans Ende von Carupano, damit wir unbeschwert weiter in Richtung San Juan de las Galdonas reisen konnten.
Wieder einmal waren wir der Sonne restlos ausgesetzt. Trampen war diesmal nicht so einfach, da die meisten Autos auf der linken Spur fuhren und uns wohl nicht einmal in ihren Augenwinkeln wahrnahmen. Augustas bereitete dem ein Ende, in dem er sich mitten auf die Strasse stellte. Die Autos hielten zwar auch so nicht an, die Fahrer nahmen uns aber zumindest wahr. Wir witzelten etwas auf der rechten Spur herum, da kam ein Auto von links um die Kurve geschossen. Schnelle Reaktion unsererseits verhinderte eine Schrecksekunde. Das hatte der Polizist, der sich am Ende der Strasse wegen Autokontrollen aufhielt, mitbekommen. Er kam auf unsere Strassenseite hinueber und fing an zu pfeifen. Was will der denn jetzt bitte? Na, und ausserdem sind wir keine Hunde, pfeifen kann er also lange, wir reagieren nicht! Wir schauten nicht einmal in seine Richtung, wir ignorierten in regelrecht. Vielleicht wuerde er ja von selbst ablassen. Er fing an nach uns zu rufen, “Eh, hey!”. Wir drehten uns um und starrten ihn einfach nur an. Er machte Handbewegungen, dass wir auf ihn zukommen sollten, doch wir ruehrten uns kein Stueck. Sollte er doch bitte zu uns kommen, schliesslich fuehlten wir uns keines Vergehens schuldig. Er kam langsam naeher, so dass wir seinen genervten Gesichtsausdruck sehen konnten. Er rief uns wieder, “Kommt her!” Darauf entgegnete ich, “Warum?” Das Spiel ging weiter und ich fing mich an aufzuregen. “Warum sollen wir bitte schoen zu ihnen kommen? Was ist das Problem? …” Augustas versuchte mich zu stoppen. Ich hielt den Mund, obwohl ich innerlich tobte. Da stand der Polizist endlich nahebei und erklaerte, dass wir uns bitte schoen von der Strasse heruntermachen sollen, quasi vom Gehsteig aus trampen sollten, denn er traegt die Verantwortung fuer dieses Stueck Carupanos. Ach, das ist alles? Kein Problem. Ich entschuldigte mich sogar fuer unser “Vergehen”, aber eigentlich mehr fuer mein Aufbrausen.
Ein aelterer Herr las uns in seinem klapprigen Transporter auf und fuhr in einer himmlischen Ruhe die Strasse entlang. Wir kamen ins Gespraech und als es interessant wurde, bot er uns an in seiner Posada, quasi einem Hostel, zu uebernachten. Aha, deswegen hat er uns aufgelesen! Potentielle Klienten. Veruebeln konnten wir ihm diesen Gedanken nicht. Wir lehnten dankend ab und genossen die Fahrt entlang der Kueste, mit Blick ueber vegetationsreiche Huegel, die direkt ins Meer muendeten.
In Puerto Santo ausgestiegen, wurden wir von einigen Angetrunkenen, die vor einer Bar sassen, mit erhobenen Armen und freudigen Spruechen begruesst. Wir waren allerdings schon etwas kaputt von unserer Reise und warteten erschoepft und ohne grosse Reaktion auf ihre Annaeherungsversuche auf eine weitere Mitfahrgelegenheit. Da kam endlich ein junger Bursche in seinem fetzigen Kleinwagen angeduest, der uns bis Rio Caribe mitnahm. Dort liess er uns an der Strasse Richtung San Juan de las Galdonas heraus, die allerdings mitten in der Stadt begann. Wir nutzten den vor uns liegenden Fussmarsch fuer notwendige Einkaeufe und erstanden neben frischen, gefilterten Leitungswasser auch eine Unmenge an Obst und Gemuese, sowie knackig-frisches Baeckerbrot. Einfach himmlisch!
Mit genuegend Lebensmitteln eingedeckt, hielten wir, an einem grossen Platz angekommen den Daumen heraus. Ein junger Herr in seinem aufgemotzten, gelben Jeep hielt laechelnd an und fragte, wo wir denn hinwollten. Anfangs mit einigen Verstaendnisproblemen kaempfend, lud er uns letztlich zu einer Fahrt bis zu einem auf Rio Caribe folgenden Dorf ein. Gut das er uns bereits auf diesem Platz aufgelesen hatte, denn bei unserer Fahrt zu seinem Ziel stellten wir fest, das Rio Caribe noch lange nicht nach diesem Platz zu Ende war.
Das Dorf schien klein und gemuetlich, mitten im Wald gelegen. In den Haeusern gegenueber der Bushaltestelle, an der wir nun standen, reckten sich neugierige Nasen herueber. Jeder wollte sofort wissen, wer wir sind und wo uns der Weg hinfuehrte. Natuerlich nicht so verfroren direkt, sondern ueber die Befragung unseres Fahrers. Bald kam ein aelterer Herr auf uns zu, der sich sozusagen als Dorfoberhaupt vorstellte. Er trug eine zerschlissene, dreckige, blaue Hose und eine Art braunes Unterhemd, war von kleiner Statur, um die 70 Jahre alt und sprach sehr langsam mit uns, als ob wir kein Spanisch verstehen wuerden. Obwohl wir mit ihm in dieser Sprache kommunizierten, verstand er wohl rein logisch nicht, dass wir in seiner Muttersprache mit ihm kommunizierten. Wir teilten ein wenig Baeckerbrot mit ihm und er sicherte uns zu, dass er fuer unser Wohl sorgen wuerde, sollten wir im Dorf uebernachten wollen. Er lud uns gar zum Zelten vor seinem Haus ein, denn in diesem Dorf mussten wir uns in Acht nehmen. Erst kuerzlich waere er auf seiner Kakaoplantage ueberfallen wurden. Unglaublich. Da ist man irgendwo im nirgendwo, in einem winzigen Dorf, umgeben von Dschungel und Kakaoplantagen, und man muss sich in Acht nehmen ueberfallen zu werden. Verkehrte Welt, da waren wir uns sicher.
Wir haetten fuer diesen Tag die Beine hochlegen koennen, doch irgendwie wollten wir noch ein Stueck weiter. Herr Galdona, ein Nachkomme der Familie, die das Dorf San Juan de las Galdonas gruendete, las uns auf. Er bot uns Bier an, was wir dankend ablehnten und oeffnete sich selbst eines, was er genussvoll waehrend der Fahrt schluerfte. Schade das Herr Galdona nicht auf dem Weg zum Dorf seiner Urahnen, sondern nach Gueiria (viel weiter oestlich) unterwegs war. Er liess uns also in Santa Isabel an der Strasse heraus, die direkt bis zu unserem Ziel fuehren sollte.
Wir zweifelten bereits an einer erfolgreichen Weiterfahrt, doch irgendwie war diese Weggabelung mitten im Dorf auch nichts zum Uebernachten. Wir sprachen einen aelteren Herrn an, der sich mit seiner Enkelin an der Strassenkreuzung die Zeit vertrieb. “Entspannt euch”, meinte er, “hier findet ihr jemanden, der euch bis nach San Juan mitnimmt. Und wenn nicht, koennt ihr gerne dort drueben schlafen. Das ist mein Haus. Hier im Dorf braucht ihr euch keine Gedanken zu machen, es ist sicher hier.” Er zeigte auf das Haus, was direkt an der Kreuzung stand. Erst waren wir hocherfreut ueber seine Einladung, waren uns im nachhinein aber nicht so sicher, ob er es ernst meinte. Auch war wage, ob er uns in sein Haus einlud oder aber die ueberdachte Flaeche, die sich vor seinem Haus befand, als Nachtlager anbot. Wir schauten ihm ein wenig zu, wie er mit seiner Enkelin spielte und genossen den Anblick der Dreijaehrigen, die mit Muehe die vier Naranjas agrias (eine Art Zitrone in pickeliger Orangenform) in ihren winzigen Armen zu transportieren versuchte. Lustlos hielten wir unseren Daumen hoch, wenn sich ein Auto naeherte, doch letztlich waren wir froh, dass niemand anhielt. Einmal hatten wir die Moeglichkeit direkt bis San Juan zu kommen, doch sahen die Fahrer so aus, als wuerden sie unter Drogen stehen. Noch dazu meinten sie, dass sie einen Umweg ueber eine Plantage machen muessten. Da es schon daemmerte und wir somit definitiv nach Einbruch der Dunkelheit in San Juan ankommen wuerden, lehnten wir das Angebot dankend ab.
Wir entschieden den Tag zu beenden und das Angebot des aelteren Herrn wahrzunehmen. Ich klopte an und liess nach ihm rufen. Er kam und auf meine Anfrage um Hilfe, bot er tatsaechlich an, unter der Ueberdachung vor seinem Haus zu naechtigen. Eine Toilette koennte er uns auch nicht zur Verfuegung stellen, da er die Haustuer nachts abschliesst. Er brachte noch schnell den Besen, um vor dem Aufstellen des Zeltes ein wenig zu kehren, und schon verschwand er wieder in seinem Haus. Klasse. Wir wuerden also in Venezuela, an der so hochgepriesenen, gefaehrlichen Kueste, an der mehr Drogen als Fisch kursierten, direkt an der Strassenkreuzung uebernachten, an der die Strasse nach San Juan de las Galdonas fuehrte, das beruehmt-beruechtigt fuer seinen Drogenhandel war. Besser konnten wir es gar nicht treffen. Zum Weitersuchen hatten wir auch keine Chance mehr. Wir blieben also, umgeben von Blicken der ganzen Dorfjugend und vielen aelteren Herrschaften, die sich des Abends fuer ein Schwaetzchen an der Strassenkreuzung einfanden. Wir wuerden es schon ueberleben. Nun war noch das Problem einer Toilette zu loesen. Solange es hell war und wir umgeben von Dorfbewohnern, mussten wir es uns eben verkneifen. Endlich wurde es still um uns. Wir gingen schnurstracks zur anderen Strassenseite, an dessen Ecke sich eine Art Verkaufsstand befand. Die Tuer liess sich geschickt oeffnen, wenn man den Riegel hinter der Tuer loeste. Augustas langte mit seinen Armen dahinter, denn meine Aermchen reichten dafuer nicht aus. Un “drin” waren wir. Was heisst drinnen, hinter der Tuer. Dort befand sich neben einem Stueck geebneten und staubigen Boden auch ausreichend Natur, um unsere Beduerfnisse zu verrichten. Ach, erloesend.
Die Nacht verbrachten wir nicht ganz so ruhig. Immer wieder schreckte uns das ein oder andere Geraeusch hoch, doch trotz allem kamen wir zu einigen Stunden Schlaf. Wir akzeptierten halt, dass wir uns oeffentlicher kaum praesentieren konnten und das wir unserem Glueck vertrauen mussten. Gegen 4 Uhr morgens draengte ich Augustas, noch einmal in die Buesche zu gehen. Er stimmte ungern zu, doch gegen 5 Uhr morgens war er froh ueber mein Draengen. Zu dieser Zeit begann naemlich bereits das Treiben an der Strassenkreuzung und wir hatten keine Chance mehr unserer Naturtoilette einen Besuch abzustatten. Kleine Buden oeffneten, an denen die Leute, die mit dem oeffentlichen Verkehr in verschiedene Richtungen unterwegs waren, anhielten und ihren Morgencafe sowie einige Arepas genossen. Um sechs Uhr sassen bereits die Dorfbewohner aneinandergereiht an der Ecke der Plattform, auf der wir gezeltet hatten.
Wir packten also fix alles zusammen und liefen zum Ende des Dorfes. Das kam unerwartet bereits nach 100 Metern. Wir richteten unser quirliges Haar und schon hielt ein Transporter an. Wir stiegen auf und fuhren entlang einer immer hoeher steigenden Strasse, durch Links- und Rechtskurven, die sich alle fuenf Meter wiederholten. Wir genossen diesen Morgen, eingepackt in unsere Jacken, die Kapuzen auf dem Kopf und die Landschaft bestaunend. Wir waren umgeben von einer sagenhaften, gewucherten Vegetation, Berge voller Dschungellandschaften und ab und an ein paar Haeusern. Zeitweise gelang es uns einen Blick aufs durch die Baeume schimmernde Meer zu werfen.
Wir stiegen an einer Weggabelung mitten auf einem Berg aus und wurden dort von einem witzigen, aelteren Herrn mitgenommen, der sich die Zeit seines Lebens auf dem Weg nach San Juan de las Galdonas nahm. Wir krochen die bergigen Kurven entlang und erfreuten uns an den Ausrufen unseres Fahrers, die er beim Auftauchen bekannter Gesichter von sich gab. Dazu hob er seine Hand zum Grusse und rief mit lauter Stimme, “Hoehoeee!”. Wir amuesierten uns praechtig und wurden direkt vor dem Hotel abgeladen, in dem wir die Nachricht uebergeben konnten, die Arquimedes uns anvertraut hatte und weswegen wir seit dem Vortage unterwegs waren.
Leider war die entsprechende Person noch nicht im Hotel und wir wurden gebeten in einer halben Stunde wiederzukommen. Unser Gepaeck konnten wir im Hotel lassen. Wir gingen auf Fruehstueckssuche und fanden mit Hilfe eines Herrn ein Privathaus, in dem man selbstgebackenes Brot kaufen konnte. Wir kamen frueh genug, so dass noch Brot da war, denn eine Garantie dort Brot zu bekommen gab es nicht. Wir schlenderten zurueck zu einem kleinen Laden, den wir auf dem Weg zum Brot gesichtet hatten. Wir deckten uns mit Birnensaft und Bananen ein und liessen es uns direkt vor dem Laden schmecken. Dort wartete eine Ueberraschung auf uns. Wir wurden von winzigen, lila- und pinkfarbenen Kueken umschwirrt. Wir konnten nicht glauben, dass so etwas wirklich existierte. Doch da rannten sie vor uns umher, lebendig lebhaft und gaben sogar
Toene von sich. Auf unsere Nachfrage nahm dieses Weltwunder eine Kehrtwende, denn wir erfuhren, dass die Kueken fuer den Verkauf auf diese Weise eingefaerbt werden, wohl um den Hahn von der Henne zu unterscheiden. Das fanden wir dann nicht mehr so lustig, aber gut, die Kueken schienen sich nicht wirklich daran zu stoeren.
Auf dem Rueckweg zum Hotel schauten wir in der riesigen Bucht vorbei, an der San Juan de las Galdonas gelegen war. Weisse Sandstraende umgeben von viel Gruen, eingebettet in Berge, auf denen das Dorf erbaut war, sowie einer Unmenge von Fischerbooten, die entweder zum Fischfang aus waren oder aber am Steg anlagen. Idyllisch schoen. Nur die Assgeier, die sich auf einem toten Ast vor dem Strand in der Sonne aalten, ihre Fluegel weit ausstreckten, um sie trocknen zu lassen, passten mit ihrer schwarzen Farbe und ihrem gierigen Schnabel nicht wirklich ins Bild. Aber gut, wo es Fischer gibt, sind auch Fische nicht weit und da faellt weiss Gott etwas fuer diese immerhungrigen Gestalten ab.
Endlich konnten wir die Nachricht uebergeben und ein wenig mit der Mutter von Arquimedes Sohn reden. Dann nutzte ich den Zugang zur Toilette fuer die Reinigung meiner Arme, Beine und meines Gesichts, denn die standen nur so vor Dreck. Dabei verursachte ich mit meinen dreckigen Schuhen und dem beim Waschen verschuetteten Wasser eine arge Verunreinigung des frisch-gewischten Bodens. Gut das es eine vollversorgte Hoteltoilette war, denn mit dem vorhandenen Toilettenpapier bekam ich die Situation wieder in den Griff.
Die Mission war erfolgreich verlaufen, und so machten uns auf den Weg nach Caripe in der Region Monagas, in dessen Naehe die Cueva de Guacharo, die Hoehle des Nachtvogels Guacharo, lag, dessen Existenz Alexander von Humboldt vor Jahrhunderten in die Welt hinausgetragen hatte.
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