Paradiesische Tage (Juli 6 – 11)

August 22, 2007  
Themen: Kolumbien

Wir kamen also ausgeruht im Parque Bolivar an. Fast an jeder Ecke wurden “Minuten” angeboten, was soviel heißt, wie dass Mobiltelefone für Privatgespräche ver”mietet” werden. Man borgt sich das Telefon aus, telefoniert und wenn man auflegt, begleicht man die Minuten mit dem entsprechenden Tarif. Genauso wie in Venezuela. Das kam uns gelegen, denn wir mussten Nora über unsere Ankunft informieren.

Wir warteten gemütlich auf einer Parkbank. Die Sonne schien, der Park war voller Leben und die Atmosphäre unbeschreiblich. Wir sahen dem Treiben der Limonadenverkäufer zu und beobachteten eine Dame, die in kubanisch-bunter Tracht mit einem grossen Korb voller Früchte auf ihrem Kopf herumschritt. Die Tracht, erfuhren wir später, ist typisch für Frauen aus Palenque, Kolumbien. Sie lächelte uns zu und fragte, “Na? Wollt ihr einen Obstsalat?” Wir dachten zuerst, dass sie einfach nur Früchte verkauft, dass sie aber direkt auf der Strasse einen Obstsalat für uns zubereiten könnte, hatten wir nicht erwartet. Leider konnten wir uns den Obstsalat nicht leisten, aber es war eine fantastische Idee. Später konnten wir zusehen, wie die gleiche Dame dem Herrn auf der Nachbarbank einen riesigen, saftigen Obstsalat servierte. Uns lief das Wasser im Mund zusammen.

Einmal kam ein Herr auf uns zu, der verwundert unsere Rucksäcke betrachtete und dann meinte, “Hotel dort!”. Dabei zeigte er mit ausgestrecktem Arm in eine bestimmte Richtung. “Nein danke, brauchen wir nicht.” Er wiederholte sich glaube ich drei Mal und ergänzte jedesmal, “Tschippitschippitschippi”, was soviel bedeutete wie “cheap” (englisch für “billig”). Wir ignorierten ihn irgendwann und er zog von dannen.

Nora holte uns zusammen mit ihrer Freundin Ekna ab. “Was wollt ihr jetzt machen? Wir dachten an eine Tour durch die Altstadt, ein gutes Mittagessen im Restaurant und anschließend an die Fahrt nach Hause. Wir könnten die Rucksäcke im Deutschen Kulturinstitut unterstellen, wo Ekna wohnt. Und für das Wochenende dachten wir an eine Fahrt zur Insel Baru, wo wir über Nacht bleiben können.” Wir lauschten Nora interessiert zu, erklärten ihr aber, dass wir zu allererst einmal eine Dusche aufsuchen müssten, da wir uns reichlich dreckig und stinkig nach drei Tagen ohne Wasserkontakt fühlten. Sachen wechseln wäre auch toll und dann könnten wir gerne eine Stadtbesichtigung machen und gemeinsam Essen gehen. Das wir eigentlich keine Lust und Kraft hatten, am nächsten Morgen gleich wieder loszuziehen, behielten wir lieber für uns. Es war schließlich eine gute Idee, nur nicht gerade an unserer physischen Verfassung orientiert. Das dachten wir zumindest noch zu diesem Zeitpunkt. Unsere Erklärungen brachten Nora ins Grübeln. Sie entschied also, “Gut, dann fahren wir zuerst zu mir nach Hause.” Zuvor schauten wir aber noch im Deutschen Kulturinstitut vorbei. Bei Benutzen der Toilette sahen wir, dass es eine Dusche gab. Wir schlugen also vor, gleich dort zu duschen. Ekna meinte, “Ja, nur benutzt nicht zuviel Wasser, das mag meine Chefin nicht. Außerdem dachten wir, dass ihr jetzt eine angenehmere Dusche nötig hättet.” Uns war das völlig gleich. Da war Wasser, was über Kopfhöhe aus der Wand kam, also drunter mit uns. Nun konnten wir auch einfach unsere Rucksäcke in Ekna’s Zimmer lassen und zogen, gemeinsam mit Eknas deutschem Freund Jan, zu einem Restaurant. Da galt es das nächste Problem zu lösen. Sie brachten uns zuerst in ein deutsches Restaurant, was zwar ganz anheimelnd war, wo es aber nicht so richtig etwas Vegetarisches zu verschlingen gab. “Tut uns leid, wir haben hier nur deutsche Küche”, erwiderte ein Deutscher in gebrochenem Spanisch. Als ob es in der “deutschen Küche” keine vegetarischen Speisen gebe. Idiot. Zudem waren die Preise recht hoch. Wir erklärten also genau, was wir suchten und was wir dafür bezahlen könnten. Da kam den Dreien eine andere Idee und wir gingen zu einem lokalen, nicht einem Touristenrestaurant, in dem uns ein Menü mit Reis, Linsen, Salat, frittierten Kochbananen, einer frischen Banane und einem Saft für 2 Dollar pro Person serviert wurde. Wer braucht den da schon deutsches Essen? Wir genossen das Mahl ausgiebig.

Wir verabschiedeten uns von Ekna, die mit Jan etwas erledigen wollte. Nora nahm uns im Schlepptau und los ging es durch die Gassen von Cartagenas Altstadt. Nora wartete mit derart viel historischem Wissen auf, dass ich nicht einmal die Hälfte davon behalten habe, ja nicht einmal ein Drittel davon. Wenn ich durch eine neue Stadt streife, dann mache ich das am liebsten schweigend, damit ich den Ort fühlen und das Leben dort beobachten kann. Bei einer Führung, wie sie Nora uns bot, kam das alles nicht in Frage. Ich wollte ja nicht unhöflich sein und versuchte so weit ich konnte zuzuhören. Dabei hatte ich aber keine Möglichkeit den Ort wirklich zu sehen und zu fühlen. Ich entschied in dem Moment, dass ich in Zukunft keine geführten, wenn auch gut gemeinten Stadttouren mehr machen würde. Ich muss einen Ort einfach selbst entdecken, mich verlaufen, geheimnissvolle Ecken entdecken, die ganzen Kleinigkeiten bestaunen und einfach nur sein. Trotz alledem war die Zeit mit Nora in der Altstadt wirklich schön. Die Strassen spiegeln eine angenehm lebhafte, bunte Atmosphäre wieder. Der alte Stadtkern Cartagenas zeigt sich mit unzähligen alten, wunderschön bemalten Häusern, kleinen Gassen, schmalen Fußwegen und seiner faszinierenden Stadtmauer von einer zauberhaften Seite. Es war zu heiß auf der Mauer spazieren zu gehen, so dass wir sie lieber von unten betrachteten und im Schatten eine eiskalte Zitronenlimonade genossen. Später fanden wir uns wieder im Parque Bolivar ein, wo wir uns ein wenig ausruhten. Während unserer Pause kamen verschiedene Gruppen von Tänzern an, die traditionelle, teilweise arg schwierige und unnachahmbare Tänze aufführten. Das Spektakel war eine Augenweide, für das wir gerne ein paar Münzen in ihre Hüte warfen.

Wir machten uns auf den Heimweg zum Haus von Noras Eltern. Der Bus, den wir bis dorthin nahmen, war wohl einer der verrücktesten, den wir jemals bestiegen hatten. Der Bus hatte kaum angehalten und wir wollten einsteigen, da setzte er schon zur Abfahrt an. Mit unserem Gepäck derartig schnell in diesen Monsterbus einzusteigen war alles andere als einfach. Gut das wir bald einen Sitzplatz bekamen, so dass wir nicht samt Gepäck durch die Gegend flogen. Wahrscheinlich hatte der Fahrer wohl etwas Aufputschendes zu sich genommen. Anders konnte ich gar nicht denken, bei seiner Fahrweise. Es schien, als hätte er keine Idee was da hinter ihm ablief. Vielleicht wusste er ja auch den Rückspiegel nicht zu benutzen, geschweige denn das Gaspedal würdig zu bedienen, noch das Tacho lesen zu können. Vielleicht litt der Busfahrer auch an einem angeborenem Reflex. Wer weiss. Beim Aussteigen gerieten wir jedenfalls wieder ins Kreuzfeuer zwischen Bus und Strasse. Statt abzuwarten bis alle draußen sind, trat er nach Noras Ausstieg schon wieder aufs Gaspedal. Augustas steckte gerade zwischen der Tür, durch die er den ersten unserer Rucksäcke bugsieren wollte. Wir mussten diesen Idioten von Busfahrer mehrere Male daran erinnern, dass wir noch nicht fertig mit aussteigen bzw. mit dem Ausladen unseres Gepäcks waren. Kaum hatte ich dann meinen Fuß draussen, fuhr er mit voll durchgetretenem Pedal und quietschenden Reifen davon.

Die Fahrt durch die verschiedenen Stadtteile Cartagenas war trotz des verrückten Busfahrers sehr unterhaltsam. Außerhalb der Altstadt hörte natürlich der den Touristen präsentierte Glanz der Stadt auf, bekam aber für uns weitaus anziehender. Das Leben in Cartagenas Straßen zeigte sich in einem chaotischen Licht. Vor allem als wir am Markt vorbeifuhren, konnten wir uns von dem Durcheinander mitreißen lassen.

Wir stiegen nahe einer Tankstelle aus, da sich dort Noras Zuhause befand. Wir gingen eine schmale Treppe hinauf, die kein Geländer hatte, und schauten sogleich über das Dach eines Hauses hinweg. Ein genauso schmaler Weg führte bis zu der Wohnung von Nor
as Eltern. Wir traten in die winzige Wohnung ein und fragten uns bereits, wo wir übernachten sollten. Auf knapp 40 m² befand sich die Stube mit Küche, zwei kleine Zimmer, ein Bad und ein Balkon. In dieser Wohnung lebten neben Noras Mutter und Vater auch ihre etwas jüngere Schwester und ihr elfjähriger Bruder Eduardo. Hinzu kam, dass gerade Noras Freundin Yvonne aus Bogota zu Besuch war. In einem der Zimmer befand sich ein grosses Ehebett, in dem anderen zwei getrennte Betten. Wenn Nora, die in Bogota studiert, nicht da ist, schläft die Mutter allein in dem Zimmer mit dem Ehebett und Noras Schwester, Bruder und Vater teilen sich das andere Zimmer. Ihre Schwester hat ihr eigenes Bett und Vater und Sohn teilen sich das zweite. Während wir da waren schliefen Nora, Yvonne und Gladys (Noras Mutter) in dem Ehebett und der Rest der Familie wie gehabt. Wir schliefen auf unseren Matrazen im Wohnzimmer. Im kleinsten Raum ist Platz für Besuch. Das ist wahre Gastfreundschaft. Selbst für unser Rucksäcke fand sich noch ein Winkel.

Gladys war uns anfangs sehr skeptisch gegenüber und vermied es großartig mit uns zu reden. Vielleicht traute sie uns nicht über den Weg. Vielleicht war es aber auch eine kulturelle Angelegenheit. Wir fühlten, dass es indirekt etwas mit der Schwarzer-Weisser-Beziehung zu tun hatte. In dem Viertel, in dem wir mit Nora wohnten, gab es keine hellhäutigen Einwohner. Die Straße war einzig gesäumt mit afrikanisch oder afrikanisch-lateinisch geprägten Einwohnern. Ab und zu tauchte auch ein Chinese auf, aber das war auch alles. Wir ließen Gladys also Zeit, sich an uns zu gewöhnen, schließlich schien es eine Seltenheit, dass in ihrem Viertel und auch noch in ihrem Haus zwei Europäer hausten. Was sicher auch eine Rolle bei ihrem Verhalten spielte war die Situation, die bei ihr zu Hause herrschte. Bereits seit vielen Jahren sind die Eltern von Nora nämlich getrennt. Doch die finanzielle Situation zwang die Eltern erst kürzlich, in eine gemeinsame Wohnung zu ziehen. Ich fand es sehr beachtlich für beide Elternteile, dass sie diese Hürde auf sich nahmen, damit sie weiterhin die Bildung ihrer Kindern finanzieren können.

Zu dem Zeitpunkt, als wir ankamen, befand sich nichts Essbares im Haus. Wir wunderten uns ein wenig darüber und schoben es auf die Angewohnheit nur dann etwas zu kaufen, wenn man es brauchte. Aber das nicht einmal Trockenvorräte wie Reis, Haferflocken oder Zucker im Haus waren, das brachte uns zum Grübeln. Da wir am nächsten Morgen sehr früh zur Insel Baru wollten, mussten wir noch einkaufen gehen, um dort nicht am Hungertuch nagen zu müssen. Gladys führte uns drei zum Supermarkt, in dem wir fieberhaft überlegten, was wir für 6 Leute (für soviele hatten wir vereinbart einzukaufen) alles besorgen müssten. Bei jeder Ware, die wir für notwendig hielten, rümpfte Gladys die Nase. Wir fühlten uns so fürchterlich, als würden wir unser Geld zum Fenster hinauswerfen. Doch wir besorgten nur was notwendig war. Irgendwann flüsterte mir Nora ins Ohr, dass ihre Mutter seit Wochen keinen Lohn von ihrer Arbeitsstelle bekommen hat. Nun, da wir es wussten, versuchten wir selbst mehr zu bezahlen, damit sich Gladys nicht entblößt vorkam. Später erfuhr ich, dass Noras Mutter bereits seit einem halben Jahr kein oder viel zu wenig Gehalt bekommt. Nun konnte ich auch verstehen, warum die Eltern notgedrungenerweise wieder zusammenziehen mussten. Auch die Bemerkung des Vaters zu Gladys, “du musst dir halt eine andere Arbeit suchen”, die ich aufgeschnappt hatte, machte nun Sinn für mich. Doch trotz all diesen Problemen, wurden wir nicht von der Türschwelle gewiesen, sondern herzlich aufgenommen. Das gab uns zu denken.

Erst hatten wir vor ein gemeinsames Essen zuzubereiten, doch dann bot Noras Mutter als Abendspeise frittierte Kochbananen an. Wir waren damit einverstanden und freuten uns schon auf diese knusprige Leckerei. Als wir allerdings im Haus angekommen waren und die Kochbananen essfertig herumstanden, bot uns niemand auch nur ein kleines Stück an. Wir entschlossen uns also lieber Brot mit Avocado und Tomate zu essen.

Während des Essens packten wir unsere Sachen für die Insel zusammen. Das führte erst einmal zu einem fürchterlichem Chaos. Wir mussten fast alles auspacken und dann in neuer Ordnung wieder einsortieren, weil wir nur einen Rucksack mitnehmen wollten. Neben dem Prozess des Packens mussten wir auch noch unsere Wäsche waschen. Das gefiel Noras Eltern anfangs überhaupt nicht, da die Maschine seit einiger Zeit Probleme machte. Wir hatten aber kaum noch etwas zum Anziehen und so wurde die Waschmaschine von der Küche auf den Balkon transportiert und in einer sehr komplizierten und langwierigen Verfahrensweise gewaschen. Der ganze Prozess dauerte ungefähr vier Stunden. Schließlich war es endlich an der Zeit schlafen zu gehen. Wir hatten nur noch weniger als eine handvoll Stunden für unsere Nachtruhe übrig. Erschöpft legten wir uns hin und ich konnte mal wieder nicht schlafen, aber egal, waren ja eh nur vier Stunden…

Um 7 Uhr am Samstagmorgen brachen wir auf. Wir mussten ein Taxi anheuern, dass uns zu einer Peaje (Ort, wo man Autobahngebühr bezahlt) bringt. Damit der Preis nicht in die Höhe schnellte, versteckten wir uns zuerst hinter der Haustür. Dann rief uns Gladys auf die Straße um einzusteigen. Der Taxifahrer war sicher bedient, aber er würde es sonst umgekehrt machen. Um halb Acht trafen wir uns an der Peaje. Ekna und ihr Freund waren bereits da, doch sahen wir, dass sie nicht wie vereinbart ausreichend Wasser gekauft hatten. Wir waren 6 Leute und Ekna samt Freund hatten 5 Liter mitgebracht. Wie die über zwei Tage reichen sollten war uns ein Rätsel. Dann mussten wir eben unterwegs Ausschau nach Trinkwasserflaschen halten.

Wir kamen mit dem Bus in einem kleinen Dorf an, wo wir tatsächlich drei weitere 5 Liter Flaschen Wasser ergatterten. Dann ging es zum Fluß, den es per Boot zu überqueren galt. Es gab die Möglichkeit für 1 Dollar mit der Fähre überzusetzen, oder aber ein Motorboot zu nehmen. Ekna, Yvonne und Jan wollten aber unbedingt über den Fluß gepaddelt werden. Als sich der Motorbootfahrer weigerte, schlugen die Drei vor, selbst über den Fluss zu paddeln. Das akzeptierte er irgendwann und schlug in einen Preis von 3 Dollar für die Fahrt ein. Kaum im Boot, feuerten Yvonne und Ekna Jan an, der uns mit Kraft über den Fluß befördern sollte. Jan strengte sich wahrlich an, da aber eine enorme Gegenströmung herrschte schaffte er es nicht, das Boot mit seinen 7 Insassen geradewegs über den Fluß zu schippern. Im Gegenteil, wir triffteten in die andere Richtung ab. Da wurde der Bootsbesitzer sauer, denn nun musste er den Motor in Gang setzen, um uns heil ans andere Ufer zu bringen. Das bedeutete für ihn Mehrkosten, die mit 3 Dollarn einfach nicht abzudecken waren. Er kündigte also an, dass wir nun jeder – wie auf der Fähre – 1 Dollar pro Person bezahlen müssten. Die Stimmung war gedämpft, aber die Drei hatten ihren Mund auch ein wenig zu voll genommen. Nur muss man ihnen zugestehen, dass sie wahres Talent im Verhandeln haben.

Nun ging es erneut los den Preis für den LKW auszuhandeln, der uns bis zu einem Dorf inmitten der Baru-Insel bringen würde. Von dort aus konnten wir dann endlich den Bus nehmen, der uns bis zum Strand Playa Blanca bringen würde. Abwechselnd probierten Ekna, Yvonne und Augustas den Preis festzumachen. Wir stimmten letztlich überein, dass wir 6 Leute für insgesamt 5 Dollar mitfahren konnten. Die Fahrt in dem LKW vermittelte das Gefühl, als wären wir beim Trampen fix auf einen alten, klapprigen Holzwagen aufgestiegen. Die Strassen waren mit Löchern gepflastert und der Sand, aus dem der Strassenbelag bestand, wirbelte vorne und hinten in den LKW-Anhänger hinein. Uns schmiss es dabei fröhlich von einer zur anderen Seite, warf uns hoch über die Sitzbank und liess uns mit einem kräftigen Plauz wieder landen. Eine Dame schrie dabei jedesmal schmerzverzehrt, von einer guten Portion Humor begleitet auf. Wir lachten uns halb tot über das Geruckel und führten dabei anregend
e Gespräche über Afrika. Denn daran erinnerte mich diese Fahrt sehr. Bei unserer Ankunft stand der Bus zum Playa Blanca schon bereit und kurz nach dem wir hineingeschlüpft waren, zog er auch schon von dannen.

Endlich waren wir am Playa Blanca. Wir liefen noch ein kleines Stück zu Fuß und schon tauchte ein traumweisser Sandstrand mit tiefblauen Wasser vor uns auf. Der Strand lag ruhig und es waren keine Gäste da. Einzig ein paar Einwohner der Insel trieben sich mit Vorbereitungen für den Verkauf von Mittagessen herum. Wir wollten gerade unsere Zelte aufstellen, da warnte uns ein Baruaner, dass die Mini-Äpfel, die im Sand auf dem Boden lagen, äußerst giftig waren. Man müsste sie nur berühren und schon könne man erblinden oder sich anderweitig vergiften. Es gab dazu auch eine Geschichte. Eines Tages genoss ein Baruaner eines dieser quietschgrünen Mini-Äpfel, kam nach Hause und starb. Das wirkt natürlich. Wir bekamen also den Rechen in die Hand gedrückt, um die Äpfel zu beseitigen. Dabei half uns später sogar der Herr, der uns vor diesen Ungetümern gewarnt hatte.

Die Zelte waren aufgebaut und nun hiess es ausruhen. Wir waren Nora wirklich dankbar, dass sie die Insel als Ausflugsziel vorgeschlagen hatte. Wir ließen unsere Seele baumeln und neben einem erholsamen Kurzschlaf taten wir nichts weiter als herumsitzen und die ruhige Welt auf uns wirken lassen.

Ein junges Mädchen, ungefähr 10 Jahre alt, kam auf uns zu und öffnete den Kochtopf, den sie in ihrem Arm trug. Goldgelbe, süsslich duftende Bällchen lachten uns aus dem Topf an und das Mädchen meinte, dass es eine Art Maisgericht war. Dies bestand aus Maismehl oder Maisgrieß, Anis, Backpulver, Salz und Zucker. Dann werden kleine Bällchen geformt und diese in heißem Öl gegart. Einmal davon probiert bereitete es uns Schwierigkeiten, nicht gleich den ganzen Topf aufzuessen. Oh, waren die lecker! Aber wir hatten ja selbst etwas zum Essen mitgebracht, mussten uns also jetzt endlich aufraffen und anfangen zu kochen. Ekna und Jan knurrte auch schon mächtig der Magen und so fingen wir an die Aufgaben zu verteilen, da wir das ganze Gemüse (Möhren, Rote Beete, Kartoffeln, Zucchini, Sellerie, Zwiebeln, Knoblauch, Gurken) kleinschneiden bzw. reiben mussten. Währenddessen hatte Augustas bereits unseren Campingkocher angeworfen und in dem riesigen Topf, den wir aus Noras Küche entwendet hatten, köchelten wir derweil die Linsen. Dazu kam Reis, den wir gleich zu den Linsen schütteten. Am Ende hatten wir ein einzigartiges Mittagsmahl, mit einer würzig-gekochten Linsen-Reis-Mischung und dazu frischen, fast vollständig geriebenem Salat. Jetzt waren auch die Maisbällchen endlich vergessen.

Wir hatten gerade aufgegessen, da gesellte sich eine Mangoverkäuferin zu uns. Sie bot uns leckere, grüne Mangos mit Salz an. Wir hatten es bis dato nicht übers Herz gebracht, Mangos auf diese Art zu genießen. Da wir nun auch reichlich gefüllte Bäuche hatten, schwebte uns noch weniger der Gedanke vor, es endlich auszuprobieren. Wir kosteten ein wenig Mango ohne Salz, stellten aber fest, dass diese ganz mehlig schmeckten. Wir dankten der Dame, doch sie versuchte in wahrer Käufermanier, uns doch zum Kauf zu bewegen. “Sehr schmackhaft. Lecker. Hier, ich schneide euch eine auf, könnt ihr gleich hier essen. Ihr wollt also, gut dann nehmt die hier.” Wir stellten alsbald fest, dass die alte Frau nicht mehr gut hörte. Wir erhoben also unsere Stimmen und zeigten ihr die Reste unseres Mittagessens. Endlich verstand sie und ließ uns kichernd am Strand zurück.

Ach, wie herrlich! Ausruhen, faulenzen, schlafen, ein wenig schwimmen, nichts tun. Danach hatten wir uns gesehnt und genau das hatten wir bekommen. Am Abend suchten wir Feuerholz zusammen, um Brot an Stöcken zu grillen. Ich mischte Mehl, Backpuler, Salz, Zucker, Öl und Wasser zusammen, ließ es eine halbe Stunde stehen und da das Feuer schon lichterloh brannte, brauchten wir nur noch den Teig um die Stöcke zu wickeln und über dem Feuer zu garen. War ein Stück fertig kam Himbeermarmelade darüber und dann wurde dieses heisse, süsse Etwas unseren Mündern zugeführt. Wir konnten mal wieder nicht genug davon kriegen.

Nach der Brotbackaktion breiteten wir unsere Plastikplanen im Sand aus und legten uns hin, um den sternenklaren Himmel zu bewundern. Wir versuchten verschiedene Sternensymbole zu finden und redeten bald über das Leben, die Liebe, das Reisen… Augustas machte sich derweil Sorgen, wo der andere Teil unserer Gruppe abgeblieben war. Die waren nämlich mit unserer Lese(taschen)lampe verschwunden und tauchten bereits seit Stunden nicht mehr auf. Er lief ein wenig hin und her und legte sich dann ins Zelt. Nora und ich blieben im Sand liegen, bis uns irgendwann die Augen zufielen. Als ich aufwachte befand sich Nora noch immer im Tiefschlaf. Ich weckte sie auf, denn auch ich wollte mich nun im Zelt verkriechen. Da kamen plötzlich die anderen Leutchen wieder und alles war in Butter. Sie brachten das Licht zurück und erzählten von kleineren Abenteuern, die sie am Strand erlebt hatten.

Wir schliefen bis in den späten Morgen hinein und als wir aufwachten stand schon unsere kleine Maisbällchen-Verkäuferin vor dem Zelt. Sie hatte uns am Vortag gesagt, dass sie am nächsten Morgen heisse Maisbällchen bringen würde, denn die gestrigen waren bereits kalt, als wir sie probiert hatten. Und da war sie, öffnete ihren heissen Topf und dampfende Maisbällchen schwenkten uns entgegen. Natürlich mussten wir da zugreifen, anders hätte der Morgen ja gar keinen Sinn gehabt. Wir gönnten uns danach jeder noch ein weiteres Maisleckerbällchen. Gegen Mittag fingen wir dann an Frühstück zu kochen. Es gab Haferflockenbrei mit Rosinen, Nüssen, Samen und einem Papaya-Bananen-Mix. Gibt es etwas schöneres zum Frühstück? Nun gut, die Maisbällchen, aber gleich danach kommt diese Zubereitung!

Obwohl wir bisher die Natur für unsere Notdürfte aufgesucht hatten, gab es einen Moment, wo es angebracht war, die Toilette zu wählen. Bis dato wussten wir von einer öffentlichen Toilette nichts, wollte sie nun also ausprobieren. Dort stand geschrieben, “Toilettennutzung 500 Pesos (0,20 €)”. Nora verschwand bereits in der Toilette während Augustas noch auf Wasser warten musste. Dieses wurde nämlich mit einem Eimer direkt vom Meer hergeschleppt. Als Nora aus der Toilette herauskam, wollte auch ich sie benutzen, doch plötzlich stieg der Preis auf das Doppelte. Ich fing an mit der Dame zu diskutieren, während Nora mich bat, ihr das Geld auszulegen. Da kam auch schon Augustas wieder heraus und mischte sich in die Diskussion ein. Wir erklärten der Toilettendame, dass sie, wenn sie einen höheren Preis verlangen will, dies zuvor an ihrer Toilette deutlich machen muss. Eine heftige Diskussion entstand und Augustas meinte irgendwann, “ich weiss wie wir es machen”. Daraufhin verschwand er in der Toilette und kam mit dem Toilettenpapier wieder hinaus. Er zeigte es hoch und setzte fort, “wir werden das hier mitnehmen, das kommt dann ungefähr auf den von ihnen geforderten Preis.” Jetzt konnte ich mir das Lachen nicht mehr verkneifen. Ach, wie witzig. Am Ende bezahlten wir den geforderten Preis. Unsere Diskussion hatte aber Nachwirkungen. Als wir uns auf der Rückfahrt mit dem Baru-Bus befanden, bat die Toilettendame den Fahrpreiseinsammler, uns mehr Geld zu berechnen. Wir ignorierten das gekonnt.

Bald hieß es wieder schwimmen gehen, dann ausruhen und schließlich mussten wir unsere Sachen wieder zusammenpacken. Die Zeit drängte mittlerweile, den Bus nach Hause noch zu bekommen. Noras Freundin Yvonne gefiel das überhaupt nicht. Sie wollte partout eine weitere Nacht am Strand bleiben. Leider konnte Nora dies nicht tun, da sie dringend zurück nach Bogota musste, um ihr Semester abzuschließen. Yvonne wollte das nicht einsehen und die ganze Situation endete damit, dass Nora die Geduld verlor. “Weisst du was? Bleib einfach hier. Geniess den Strand, das Meer, die Sonne, was auch immer du willst. Ich will am Ende nicht als Spielverderber dastehen. Du bist alt genug auf dich selbst au
fzupassen, aber sei dir gewahr, dass ich mich dann eben ohne dich nach Bogota aufmache. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag.” Das saß. Yvonne schien sehr vor den Kopf gestoßen zu sein. Nach dem Theater, das sie allerdings zuvor veranstaltet hatte, fand ich Noras Reaktion das Beste, was in dieser Situation hätte passieren können. Yvonne würde schon aus ihrer Sturköpfigkeit lernen.

Jetzt mussten wir uns wirklich beeilen, denn durch Yvonnes Zirkus hatten wir wertvolle Zeit verloren. Wir kamen gerade an die Strasse, da fuhr uns der Bus auch schon entgegen. Puh, hatten wir Glück gehabt! Der Bus war gerammelt voll und es fühlte sich an, als hätten wir eine Sauna betreten. Die Fahrt war holprig und unbequem. Als wir in dem Dorf ankamen, wo wir einen Transporter hätten nehmen müssen, stand ausgerechnet jetzt keiner zur Verfügung. Da sahen wir einen gelben, unbedachten Jeep. Augustas schaltete schnell und fragte den Fahrer, ob er uns Dreien einen Lift bis zum Fluß geben konnte. “Natürlich, steigt ein.” Super, wir waren gerettet, denn Nora wollte noch am späten Abend den Bus nach Bogota nehmen. Der Fahrer schlang die ganze Fahrt über Bier wie Wasser hinunter und war bereits reichlich angeheitert. Dass er damit seine Frau und seine Enkelkinder in irgendeiner Weise gefährden konnte kam ihn nicht in den Sinn. Während der Fahrt erfuhren wir, dass der Herr direkt bis Cartagena fuhr und so nahm er uns bis in die Region mit, wo Noras Eltern leben. Dort heuerten wir ein Taxi an, mit dem wir den gleichen Trick praktizierten, wie bei unserer Abfahrt von Noras Haus auf dem Weg nach Baru. Es war lustig, wie wir auf ein Zuwinken von Nora hin hinter dem Baum hervorkamen und uns auf die Rückbank des Autos zwenkten.

Kaum waren wir zurück, gingen wir noch einmal zu Fuß los, denn wir wollten der Familie ein schönes Abendmahl zubereiten. Wir kauften ein und als wir zurück waren, benötigten wir eine knappe Stunde, um unsere Gerichte auf den Tisch zu bringen. Jeder schleckte sich die Finger danach und der kleine Bruder von Nora erwog nun ernsthaft, sich in einen Vegetarier zu verwandeln.

Nora entschied sich doch nicht mehr nach Bogota zu fahren und lieber ganz früh am Morgen mit dem ersten Bus loszuziehen. Auf diese Weise hatte ich die Gelegenheit ein intensives Gespräch mit Nora zu führen. Wir stellten viele Gemeinsamkeiten fest, bis hin zum astrologischen Zeichen des chinesischen Kalenders. Es war toll seit langen einmal wieder ein solch tiefgehendes Gespräch mit jemanden zu führen, der mir trotz seiner 12 Jahre jünger ebenbürtig war.

Nora verließ am späten Vormittag erschöpft Cartagena und wir verbrachten den Tag fast ausschließlich mit dem Besuch im Internet und natürlich ausspannen. Den folgenden Tag statteten wir Cartagenas Altstadt einen erneuten Besuch ab. Endlich hatten wir Zeit, das historische Zentrum auf uns wirken zu lassen. Zudem suchten wir nach einem kleinen Saftladen, den uns Kati (http://www.katwise.com) vorgeschlagen hatte. Sie meinte, “In Cartagena gibt es den besten Saft auf der ganzen Welt!” Da Kati bereits reichlich herumgekommen war, fühlten wir uns regelrecht gezwungen, diesen Saft auch auszuprobieren. Wir fanden einen winzigen Saftladen, in dem wir Waldbeerensaft bestellten. Wir fingen kaum zu trinken an, da regten sich bereits alle Geschmacksnerven aufgeregt hin und her. Kati hatte Recht gehabt, dieser Saft war wirklich unvergleichlich. Er schmeckte genauso gut wie der Erdbeersaft, den wir in Venezuela getrunken hatten und gehörte definitiv zu den besten Säften, die uns jemals untergekommen waren.

In der Stadt hielten sich auffällig viele Soldaten und Polizisten auf, so dass wir ein paar Einheimische fragten, was in Cartagena los sei. Die erklärten uns, dass am heutigen Tage der Präsident von Kolumbien zu Besuch käme. Wir spazierten später sogar an dem Gebäude vorbei, in dem er eine Sitzung haben würde. Da wir nun wussten, warum es so viele Sicherheitsleute gab, kümmerten wir uns wenig darum. Wir betrachteten lieber die wunderschönen, schrägen Metallfiguren, schlenderten an den Exquisitläden vorbei und aßen hier und dort eine kleine Leckerei. Am Abend trafen wir Gladys, mit der wir wieder nach Hause fuhren.

Während des Tages hatten wir versucht Olutade zu treffen. Den hatte ich im Internet auf der Webseite http://www.couchsurfing.com ausfindig gemacht. Er ist aus Nigeria, lebt aber seit einiger Zeit in Cartagena und arbeitet dort als Englischlehrer. Da uns Afrika immer noch der liebste Kontinent ist, freuen wir uns über jeden Afrikaner, den wir kennenlernen können. Und deswegen hatte ich Olutade kontaktiert, doch es schien ausweglos ein Treffen zu ermöglichen. Traurig fuhren wir mit Gladys nach Hause, doch mein Gefühl sagte irgendwie, dass wir Olutade treffen sollten. Ich vertraute mich also Gladys an und sie fand eine Lösung. Nachdem wir die versprochenen veganen Eierkuchen fertig und gegessen hätten, würde sie mit uns wieder zurück zur Stadt fahren und dort bei einer Freundin im Restaurant warten. Wir riefen also Olutade erneut an und schafften es, uns zumindest für eine halbe Stunde zu sehen. Das Treffen war fantastisch und die Freude, die Olutade zeigte, dass wir uns doch noch persönlich kennenlernen konnten, war unbeschreiblich. Nun fühlte ich mich wohl und gegen 22 Uhr kehrten wir zusammen mit Gladys wieder zurück nach Hause.

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