Gebrechlichkeiten, Lebensgeschichten und Geburtstag in paradiesischer Umgebung (Februar 17 – März 5)

Mai 18, 2006  
Themen: Mexiko

In Playa del Carmen blieben wir nicht nur drei Tage, sondern ganze
zwei Wochen, oder gar zweieinhalb Wochen. Der Grund lag in meiner
Rückengeschichte, die mir keine Ruhe ließ.

Da mir die Medikamente nicht bekamen, ging ich gleich den ersten Tag
in Playa del Carmen erneut zum Arzt. Ich meldete mich beim Roten Kreuz
(Cruz Roja) und kam gleich dran. Dort erhielt ich die gleiche Diagnose
(Muskelentzündung) und eine neue Reihe von Medikamenten. Auch die
vertrug ich nicht wirklich, kriegte Blähungen davon und wartete
sehnsüchtig auf das Absetzen dieser nach zehn Tagen. Leider brachte
diese Leidenszeit auch nichts und so wurde mir am elften Tag eine
Superhammerspritze, gefüllt mit irgendeinem Prednisolon, in den Hintern
gejagt. Die Folge war nicht nur eine Stunde nicht aufstehen zu können,
drei oder vier Stunden unter Schmerzen humpelnd durch die Straßen zu
ziehen, sondern auch zwei Tage lang Herzrasen, dadurch hervorgerufene
Muskelverkrampfungen, zwei Nächte keinen Schlaf, Übelkeit und
Durchfall. Es kostete mich alles in allem eine ganze Woche, bis ich
mich von dieser Chemiekeule und den bis dahin anhaltenden Müdigkeits-
und Schlappheitssymptomen erholt hatte.

Ich hatte die Nase gestrichen voll und schwor noch am Tage der mir
gesetzten Injektion, dass ich der Schulmedizin abschwöre. Ich hatte
einfach genug erlebt mit all diesen Chemikalien und entschied: ich
brauche das alles nicht! Ein Freund vor Ort hat mich bei dieser
Erkenntnis bzw. Entscheidung unterstützt und mir so eindringlich ins
Gewissen geredet, also bezüglich Selbstheilung durch Meditieren, gutes
Essen und so, dass ich nicht nur entschied es sollte nur noch
natürliche Wege der Heilung geben, sondern dass ich davon überzeugt
war. Ich bin es noch immer, aber dazu ein andermal. Ich fing also an
morgendliche Meditationssonnenbäder zu nehmen oder gleich nach dem
Aufwachen Augustas aus dem Zimmer zu scheuchen, um meine halbe Stunde
innerer Besinnung zu geniessen. Außerdem besorgte ich mir von der
traditionellen Medizin der alten Mayas eine auf Kräutern basiertes
Heilmittel, genauer gesagt eine Muskelentspannungscreme. Von nun an
ließ mich Augustas täglich in den Genuss einer ausgedehnten Massage
kommen. Ich fing an, das Leben wieder zu geniessen, wie ich es auch vor
dem Chemikalienschock getan hatte. Ich hatte doch gewusst, dass all die
Medikamente nichts bringen.

Doch was haben wir die ganze Zeit in Playa del Carmen gemacht? Es
klingt zwar, als hätten Ärzte, Medikamente und Nebenwirkungen die
zweieinhalb Wochen bestimmt, dem ist aber gewiss nicht so. Durch
Donovan haben wir viele interessante Menschen kennengelernt, inklusive
ihn selbst natürlich, und sind dadurch vor allem zwecks Unterkunft
leicht fündig geworden.

Donovan hatten wir über den Hospitalityclub (www.hospitalityclub.org)
als unseren Gastgeber ausfindig gemacht. Seine Wohnung war ein Traum.
Ein Bad, das an ein Museumsstück königlicher Badezimmer erinnerte,
einem herrlichen, großen Balkon, der einen unmittelbaren Blick aufs
Meer erlaubte, den mit Leckereien gefüllten Küchenschränken, auf die
wir uneingeschränkt zugreifen durften und einer Wohnungstür, die für
alle Freunde nahezu ununterbrochen offen stand.

Together with our host Donovan in Playa del Carmen

Together with our host Donovan in Playa del Carmen

Nicht nur Donovans Wohnung, auch er selbst ist eine sehr
interessante Persönlichkeit. Kaum hatte er die Schule abgeschlossen,
wurde er gesellschaftlich gewissermassen gezwungen eine bereits
vergangene Liebe zu heiraten, da sie sich irgendwann wie aus dem Nichts
schwanger meldete. Weder er noch sie wollten – trotz des sich
angekündigten Kindes – heiraten, geschweige denn zusammenleben. Doch
zur damaligen Zeit war das einfach unmöglich. Er musste sich den
Zwängen der Anstandsgesellschaft fügen und heiraten. Somit lebte er 25
oder mehr Jahre seines Lebens unglücklich mit dieser Frau zusammen,
gestaltete sein Leben wie man es von ihm erwartete, verdiente sich mit
allen möglichen Arbeiten seinen Lebensunterhalt und hatte weitere
Kinder. Als die Kinder aus dem Haus waren, liess er sich scheiden.

Einige Jahre später heiratete er seine zweite, aus Vietnam
stammende, in den USA aufgewachsene Frau. Sie war damals einundzwanzig
Jahre alt. Donovan’s zweite Frau war ein wirklicher Glücksgriff. Sie
war sehr aufgeschlossen gegenüber allem Neuen und wann immer Donovan
eine gute Idee hatte, ermunterte sie ihn diese umzusetzen. Seine damals
zugestandene Faulheit liess ihn leider viele Ideen wieder vergessen
bzw. nicht realisieren. Ihr Leitspruch, “That is a good idea, let’s do
it!” (Das ist eine gute Idee, lass uns das machen!), führte aber dazu,
dass die beiden irgendwann die Idee Donovans von einer einzigartigen
Auktion umsetzten. Die Idee war es, mittels der Bewerbung der
Auktionsgegenstände als “beschlagnahmte Waren” die Auktionsverkäufe
anzukurbeln. Die beiden hatten auch tatsächlich drei beschlagnahmte
Autos in ihrem Bestand, die sie allerdings nie verkauften. Damit gingen
sie sicher, dass sie ihre Waren weiterhin als beschlagnahmte
Gegenstände bewerben konnten. Es stand allerdings immer ein kleiner
Zusatz, welche denn eigentlich zu den beschlagnahmten Waren zählten und
welche nicht. Das sicherte den Beiden Schutz vor dem Gesetz. Ausserdem
bewarben sie die Auktionen auch als nicht-staatliche, was ein weiterer
Pluspunkt war. Im Generellen verkauften die beiden in den Auktionen
vorwiegend teure Gegenstände, so wie eleganten Schmuck und Autos. Nach
Veranstaltung der ersten Auktion zeigte sich der Wert dieser Idee. Die
beiden verdienten auf einen Schlag 10.000 US$. Sie setzen die Auktionen
fünf Jahre lang fort und veranstalteten insgesamt 55 davon.

Die Auktionen endeten mit dem Tage, an dem seine Frau ums Leben kam.
Sie starb nur sechs Jahre nach ihrer Hochzeit mit Donovan bei einem
Flugzeugabsturz. Ihr Leitspruch lebt aber noch heute und führt Donovan
zur schnelleren und gezielteren Umsetzung seiner glorreichen Ideen.

Einmal hatte er zum Beispiel die Idee eine Reise durch die
karibischen Inseln zu unternehmen. Diese sollte sich so gestalten, dass
er keinen einzigen Cent für den Transport ausgibt, ansonsten aber in
Hotels nächtigt und in Restaurants speist. Er trampte die ganze Zeit
und beim Wechsel der Inseln konzentrierte er sich auf die Besitzer von
privaten Flugzeugen. Dazu ging er in die Privatsektion (englisch: FBO,
fixed based operator) von Flughäfen. Da er selbst einen Flugschein
besass, kannte er sich mit Flugzeugen und dem FBO gut aus. Er ging also
dorthin und fing mit den privaten Piloten an zu schwatzen, während
diese ihr Flugzeug registierten. Er fragte wo der Pilot hinfliegt,
welchen Typ Flugzeug er besitzt, wieviele Sitze das Flugzeug hat und
letztlich wieviele Personen mitfliegen. Dadurch filterte er heraus, ob
und wieviele Plätze im Flugzeug noch frei waren. Hatte das Flugzeug
freie Plätze und flog es zu seinem Reiseziel, bat er um einen Lift,
also um eine Mit”flieg”gelegenheit. Obwohl es nicht einfach war und er
viel Geduld brauchte, schaffte er es während dieser Reise kostenlos mit
neun Flugzeugen zwischen den Inseln zu wechseln. Dabei sei erwähnt,
dass er sich in Geduld üben musste. Teils lag die Sache so, dass er
einhundert oder gar mehr Piloten befragen musste, um letztlich
mitgenommen zu werden.

Erst zwei Tage bevor wir ihn kennenlernten klebte er überall in der
Wohnung Zettel hin, auf denen geschrieben stand, “That’s a good idea,
let’s do it!”. Der Spruch lebt also weiter, und wie! Und damit auch
irgendwie seine Frau…

In Donovan’s Bad konnten wir eine weitere interessante Sammlung von
Zetteln ausfindig machen. Auf einem, der genau in Kopfhöhe hing sobald
man auf der Toilette sass, stand zu Beginn in Kurzform seine
Lebensgeschichte geschrieben. Dann folgte eine lange Erklärung, dass er
nicht nur alt genug ist, sondern auch die finanziellen Mittel hätte,
dass zu machen, von dem er träumt. Auch müsste er sich gar keinen
gesellschaftlichen Erwartungen fügen, da es hier um sein Leben ging. Es
wäre nicht der Sinn zu leiden, sondern zu leben und jede Sekunde so zu
gestalten und zu geniessen wie er es möchte. Er würde sagen was er
will, würde immer dafür sorgen verstanden zu werden und so oft
nachfragen, bis er das verstand, was man an ihn herantrug. Einfach der
Klarheit wegen, um Missverständnissen vorzubeugen und gleich reagieren
zu können, wenn man nicht mit einer vorgetragenen Meinung oder Idee in
Einklang stand.

Zudem fand sich links neben dem Spiegel über dem Waschbecken eine
Liste mit Nummern. Diese waren absteigend und jeden Tag strich Donovan
eine dieser Zahlen durch. Der Hintergrund war folgender. Er ist bereits
58 Jahre alt und rechnete dies plus zwei Jahre (die ihm noch bis zum
vollendeten 60. fehlten) plus 60 Jahre zusammen. Das ergibt 120 Jahre
und die 62 Jahre die noch zu diesem erstaunlichen Alter fehlten,
rechnete er in Tage und somit Zahlen um.Jeden Tag den er weiterlebte,
strich er eine dieser Zahlen weg. Sein Ziel ist es 120 Jahre alt zu
werden, begründet darin, dass er knapp 60 Jahre seines Lebens Dinge
gemacht hat, die von ihm erwartet wurden, die er aber nicht von sich
aus wollte. Nun war es an der Zeit, die gleiche Zeit nocheinmal zu
leben, aber diesmal ausgerichtet an seinen Wünschen. Er liebt das Leben
und drückt dies unter anderem mit einem kleinen Holzkärtchen auf seinem
Stubentisch aus. Auf dem steht geschrieben, “Life is a wonderful gift”
(Das Leben ist ein wunderbares Geschenk).

Um dieses hohe Alter zu erreichen durchläuft Donovan ein tägliches
Fitnessprogramm. Er steht gegen 7:00 Uhr auf, geht mit seinem Hund
Horizon (deutsch: Horizont) spazieren, fährt dann 30 Minuten auf seinem
Hometrainer und schliesst mit Liegestützen und anderen fithaltenden
Übungen ab. Auch hat er seine Ernährung umgestellt. Zwar nicht
unbedingt im Sinne einer wirklich gesunden, aber einer für ihn
effektiven. Seine Schränke sind gefüllt mit Thunfisch- und
Pilzsuppendosen, sein Kühlschrank ist mindestens halbvoll mit Slim Fast
Getränken und halbvoll mit Schokoladenprodukten. Auf seiner
Küchenschrankwand stehen immer drei grosse Plastikboxen gefüllt mit
Mandeln, Cashewnüssen und Smarties. Er trinkt den ganzen Tag nur Wasser
und isst nach 3:00 Uhr nachmittags nichts mehr. Er gesteht, dass er
ständig hungrig ist, da er aber seine Lust auf Schokolade nicht stillen
kann, sieht er keinen anderen Weg als diesen. Mittags geht er meistens
in ein Restaurant. Seine Müsliprodukte, die er uns zum Essen anbot,
waren bereits nahe dem Verfallsdatum oder schon von Würmern befallen.
Wer weiss ob er die Thunfisch- und Pilzsuppendosen nicht bereits ebenso
lange in seinem Vorratsschrank hatte. Wir haben nicht nachgeschaut.

Essen gehen wird ihm leichtgemacht, da er nur aus der Haustür fallen
muss, wo sich an der Ecke ein tolles italienisches Restaurant befindet.
Da er sich dort bereits mehrmalig als Grillmeister zur Verfügung
gestellt hatte, kannte er auch jeden und war bereits Teil der Familie.
Das er sich als Grillmeister anbot hatte den Grund, den Kontakt zu
Menschen in Playa del Carmen, wo er seit drei Jahren lebt, aufzubauen
und zu pflegen. Nichts geht über die richtigen Kontakte im Leben…

Sein aktuelles Projekt während unseres Aufenthaltes war sein Condo.
Condo ist die Abkürzung für Condominium, in deutsch Eigentumswohnung.
Er hatte eine gekauft und war mitten drin in den Umbauten. Er hatte
vor, sein Condominium an zwölf verschiedene Leute, ein Monat für jeden
Besitzer, als Urlaubsdomizil zu verkaufen. Dazu legte er sich mächtig
ins Zeug zwecks der Ausstattung und Gestaltung des Condos. Er bezog uns
in die Beratung mit ein, kaufte neben hochwertigen Möbeln und
Accessoires auch einen Flachbildfernseher für die Wand, einen Computer
fürs Schlafzimmer und zwei Schnurlostelefone mit kostenlosen Anrufen
nach Kanada und den USA. Die Küche war komplett neu und sein Freund
Richie übernahm die kunstvolle Bemalung der Wände. Die Bemalung wurde
in vier angedeuteten Fenstern vorgenommen und bot letztlich den Blick
aufs Meer zu vier verschiedenen Tageszeiten: Sonnenaufgang,
Mittagssonne, Sonnenuntergang und Mondschein. Auf der
gegenüberliegenden Seite befand sich ein weiteres angedeutetes Fenster,
was Richie mit dem Blick aufs Meer und dahinter mit Natur und einer der
so bekannten Mayaruinen versah.

Das Condo war sein ein und alles und er malte sich aus, welchen
Gewinn er beim kompletten Verkauf erzielen konnte. Er sprach viel und
sehr offen über Geld und den Preis des Inventars. Trotz seiner
Ambitionen und Einstellungen zum Leben, die ich zu Beginn aufführte,
stand der finanzielle Faktor immer im Vordergrund. Für uns war das sehr
konträr, aber scheinbar eine übliche Weise der Kommunikation in den
USA. Das jedenfalls war unsere Schlussfolgerung, da uns das auch bei
anderen aus den USA stammenden Amerikaner auffiel. Ob es tatsächlich an
der Tagesordnung ist, in den USA über Geld und die finanziellen Werte
von Dingen zu reden, müssen wir erst noch herausfinden. Und dazu müssen
wir uns wohl erst in dieses Land begeben. Die Verifizierung steht also
noch aus…

Einmal lud uns Donovan ein seinen Freund Richie kennenzulernen. Dazu
fuhren wir am dritten Abend nach Tulum. Richie fanden wir im Restaurant
einer Hotelanlage. Das Restaurant war sehr gemütlich, hatte eine warme
Atmosphäre. Als wir hereinkamen, sass Richie auf einem Hocker, die
Gitarre auf sein Bein gestützt und sang mit einer belebenden Stimme.
Hinter ihm war direkt die Bar, die bezaubernd dekoriert war. Zudem
standen drei riesige Muscheln aufgereiht hinter ihm aus denen
Geldscheine herauslugten. Das waren seine Trinkgeldkassen. Wir setzten
uns nahe zu ihm hin und beobachteten sein Unterhaltungstalent. Das er
singen kann, ist keine Frage. Besonders wenn er seine eigenen Lieder
singt und nicht andere populäre Lieder zum Besten gibt, füllt sich der
Raum mit einer besonderen, ja berührenden Stimmung. Die Gitarre scheint
ihm in die Wiege gelegt worden zu sein und der Kontakt zu den
Restaurantbesuchern fiel ihm nicht wirklich schwer. Da war unter
anderem eine Familie, die ihn an ihren Tisch bat. Kurz darauf sangen
alle lautstark mit, da Richie den Text nicht zur Genüge, aber die
Melodie spielen konnte. Er bat bei seinem Abschied von dem Tisch den
ungefähr neunjährigen Jungen der Familie, den Text aufzuschreiben.
Dafür versprach er ihm auch eine geldliche Entlohnung. Der Junge zog es
aber erst einmal vor, sich mit einem Stuhl direkt vor ihn zu setzen.
Das war so amüsant! Dieser kleine blonde Junge, wie er sich einen Stuhl
heranschob und sich dann beinebaumelnd direkt vor Richie postierte.
Richie konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und bezog den Jungen
immer tiefer in seine “Show” mit ein. Sie sprachen ab, welche Lieder
miteinander gesungen werden sollten, sangen diese zusammen und
heischten letztlich einen grossen Applaus damit ein. Irgendwann
verabschiedete sich der Junge wieder und ging zu seiner Familie zurück.
Eine halbe Stunde später kam er dann mit einem beschriebenen Zettel
zurück. Darauf war das gewünschte Lied vollständig niedergeschrieben.
Richie gab dem Jungen eine Geldnote, die dieser aber kategorisch
ablehnte. Stattdessen holte er wieder den Stuhl heran und setzte sich
vor Richie hin. Eine Sondervorstellung für ihn ist halt viel besser als
Geld.

Das Besondere an Richie war nicht nur sein musikalisches Talent, was
er uns ja bereits unter Beweis gestellt hatte. Richie war bekannt für
seine riesige, kreative Idee einer selbstversorgenden Insel, gebaut aus
Plastikflaschen und sonstigen Abfällen. Die Insel nannte sich “Sprial
Island”. Diese Insel war eine schwimmende, künstliche Insel, die sich
in einer Lagune nahe Puerto Aventuras, an der karibischen Küste von
Mexiko, südlich von Cancun, befand. Richie hat diese Insel allein
gebaut und begann mit dieser verrückt klingenden, aber fantastischen
Idee im Jahr 1998. Er füllte Netze mit leeren, weggeworfenen
Plastikflaschen, um die Grundstruktur aus Sperrholz und Bamboo zu
unterstützen. Auf diese Konstruktion schüttete er Sand und pflanzte
zahlreiche Pflanzen. Die Insel beherbergte ein zweistöckiges Haus,
einen Solarofen, eine selbst-kompostierende Toilette und drei Strände.
Er verwendete insgesamt 250.000 Wegwerfflaschen für seine 20 x 16,5 m
Inselstruktur. Das alles hat er getan, obwohl er von den mexikanischen
Behörden unerwünscht war und diese ihm über all die Jahre hinweg nur
Steine in den Weg gelegt haben. Trotzdem hatte er es geschafft, doch
leider wurde diese Insel durch einen Hurrikan dann im Oktober 2005
zerstört.

Obwohl er bereits plant, eine grössere und stabilere Insel in einer
stärker geschützten Zone zu bauen, ist er über den Verlust seiner über
viele Jahre hinweg aufgebauten Insel nicht hinweg. Er hat mit der
Zerstörung der Insel alles verloren, absolut alles. Geliebte
Instrumente, all seine künstlerischen Utensilien und seine Katzen. Er
lebte nämlich mit einem Hund und letzten Endes glaube ich acht Katzen
auf der Insel. Geblieben ist ihm aber das Wichtigste: sein Leben und
seine Talente als Musiker, Künstler und Zimmermann. Daneben ist er ein
ausgesprochener Umweltschützer, der an das Recycling und ein einfaches
Leben glaubt. Er ist dabei sein Leben wieder aufzubauen und schlägt
sich nun mittels seiner künstlerischen Fähigkeiten durchs Leben. Da er
durch seine Popularität bereits gute Kontakte hat, glaubt er fest
daran, dass der Traum von einer neuen Insel in Erfüllung geht.

Richie bat die Restaurantchefin irgendwann um eine Pause und setzte
sich zu uns an den Tisch. Obwohl wir nicht viel miteinander sprachen,
schon gar nicht über seine Insel, konnten wir so intensiv spüren,
welche Kraft, Energie und welcher Glauben in ihm steckt. Wir witzelten
ein wenig herum, schrieben ihm eine unserer Erinnerungskarten, und
bedankten uns bei Donovan und ihm für den tollen Abend. Während seiner
Pause bekam Richie ein warmes Mahl vorgesetzt. Obwohl er seit vielen
Jahren Vegetarier ist und dies ausrücklich gesagt hatte, setzten sie
ihm Fisch vor. Naja, er wollte mal nicht so sein und gab sich dem
Verzehr dessen hin. Eine Hälfte verspeiste er, die andere spielte er
seinem Hund, der im Auto auf ihn wartete, zu. Der war sichtlich
glücklicher darüber als Richie selbst. Später beichtete Richie uns,
dass er wegen dem Fischverzehr nicht nur von Magenproblemen, sondern
auch von Alpträumen in jener Nacht geplagt wurde. Das mit dem Fisch
hatte sich also für ihn erledigt.

Um Donovan ein wenig Tribut zu zollen, dass wir so herzlich und
vertrauensvoll von ihm aufgenommen wurden, nahmen wir uns Horizon an,
seinem Teddypudel. Ich habe zwar wenig Ahnung von Hunden, aber ich
glaube es muss einer gewesen sein. Er hatte nämlich trotz seiner
bereits acht Jahre immer noch die Angewohnheit mit einem Teddy zu
spielen, bzw. zu kämpfen. Das war echt zum quieken. Stellt euch einen
30 cm hohen, 50 cm (die Abmessungen bitte nicht auf die Goldwage
legen…;) langen Pudel vor, der mit einem etwas größerem Teddy im Maul
knurrend durch die Wohnung hüpft. Wir haben uns vor Lachen gekrümmt.

Bei Donovan war ein reges Kommen und Gehen und so trafen wir schon
am ersten Tag auf Kathy und Michael aus den USA. Die beiden hatten ein
Haus in Playa del Carmen gekauft und sind schon seit einem Jahr mit dem
Um- und Ausbau beschäftigt. Allerdings sind die beiden nur so ca. fünf
Mal pro Jahr für ein bis zwei Wochen in Playa del Carmen. Die restliche
Zeit leben sie in den USA. Michael arbeitet seit 25 Jahren als Steward
für eine amerikanische Fluggesellschaft. Deswegen können die beiden
auch immer kostenlos fliegen, müssen allerdings auf freie Plätze
warten. Kathy verdient ihren Lebensunterhalt mit einer Webseite. Sie
hat mit einigen Freunden die Internetseite www.coolworks.com
ins Leben gerufen. Darüber können vor allem junge Leute Jobs (Arbeit)
finden, die nicht so alltäglich sind. Ob es um die Arbeit in einem
Naturschutzgebiet, das Leiten eines Jugendcamps (Ferienlager), der
Arbeit eines Surflehrers oder sonstigen nicht standardmäßigen
Tätigkeiten geht, man kann dort so manche Herausforderung finden.

Da dieser erste Tag in Playa del Carmen auch gleichzeitig mein
dreißigster Geburtstag war, durfte ich einen Wunsch äußern. Ich hatte
drei Wünsche für diesen Tag: einen Rolli für meinen Rucksack zu kaufen,
eine Gesichtspflegebehandlung und den Abend am Meer zu verbringen. Der
letzte Wunsch erfüllte sich zuerst und wir landeten am Abend in einem
Restaurant am Meer. Eigentlich wollt ich nur am Strand am Meer sitzen
und das Rauschen der Wellen und die Dunkelheit und Stille in
Gesellschaft geniessen. Ich wurde aber etwas missverstanden und so
sassen wir jetzt also in einem Restaurant. Wir bestellten Bohnensuppe,
die sich als Bohnen-Wurstsuppe herausstellte und ein Geniessen dieser
für mich als Vegetarier nur mit dem einzelnen Herauslesen von Bohnen
möglich war. Was die Stimmung ein wenig trübte war die rüde Art von
Donovan, Kathy und Michael, als der Kellner mir statt Wasser aus dem
Garafon (einem 20 Liter Behälter), was kostenlos wäre, eine 1 Liter
Flasche brachte. Ich wollte gerade ansetzen und um einen Tausch bitten,
als Donovan bereits sein Wort erhob. Überheblich und in einem
abwertenden Ton machte er ihm klar, dass ich Wasser aus dem Garafon
möchte. Es war schrecklich zuzuhören, wie er sich aufspielte. Der
Kellner hatte mich nur falsch verstanden. Kathy und Michael gaben auch
ihren Senf dazu, so dass ich am liebsten geflüchtet wäre. Mir wurde das
Glas Wasser dann gebracht und Donovan spielte sich kurz darauf erneut
auf, aber in einer anderen Weise. Er stellte sich dem Kellner plötzlich
vor, fragte nach seinem Namen und lobte das Essen. Augustas und ich
kamen später überein, dass dieses Verhalten wohl auf kulturellen
Unterschieden beruht. In Amerika, das haben wir schon oft gehört, ist
der Kunde König und da der Kellner in Mexiko das nicht so hielt (er
hatte auch ein wenig schlechte Laune, wahrscheinlich weil der Tag so
lang war, viel Arbeit usw.), gaben die drei derartige Kommentare ab,
ohne dies aber böse zu meinen. Allerdings sind wir der Meinung, dass
man sich in anderen Länder der vorherrschenden Kultur anpassen sollte.

Später kam ein Rosenverkäufer vorbei und Donovan kaufte eine
wunderschöne rote Rose für mich. Kurz darauf kam ein Sänger mit Gitarre
vorbei und spielte und sang ein mexikanisches Geburtstagslied für mich.
Dem hinzu gesellte sich eine junge Kellnerin und am Ende sangen der
Sänger, die Kellnerin und Jaime, ein mexikaninscher Freund von Donovan,
im Trio das Lied für mich. Da war wirklich belebend und die Misslage zu
Beginn des Abends im Restaurant war damit vergessen. Als wir aufbrechen
wollten, erreichten dann auch Augustas Tante und Cousine, wegen denen
wir ja ursprünglich nach Playa del Carmen gekommen waren, das
Restaurant und überreichten mir ein Geburtstagsgeschenk. Nicht lange
darauf brachen wir alle in schallendes Gelächter aus, da Kathy dachte,
dass Augustas Verwandte irgendwelche fremden Damen wären, die – weil
sie im Restaurant von meinem Geburtstag mitbekommen hätten – mir ein
Überraschungsgeschenk machten. Uns kamen vor lauter Lachen so richtig
die Tränen!

Am selben Abend noch baten wir Donovan um eine Verlängerung unseres
Aufenthaltes von drei bis vier Tagen in seiner Wohnung. Er wollte
darüber nachdenken. Am nächsten Morgen teilte er uns mit, dass wir
statt weiterhin bei ihm auf Sofa und Luftmatratze verweilen zu müssen,
von Kathy und Michael in deren Haus eingeladen wurden. Da sie an diesem
Tag wieder zurück in die USA fliegen müssen, öffneten sie uns die
Türen, da genug Platz vorhanden war. Jaime, der bereits seit einiger
Zeit in deren Haus lebt und es in Ordnung hält wenn die beiden nicht da
sind, stimmte auch unserem Aufenthalt zu und somit zogen wir am dritten
Tag in unsere neue Bleibe.

Wir zogen in den Raum, in dem sonst Jaime wohnt, da Kathy und
Michael ihm anboten in ihrem riesigen Zimmer zu wohnen. Ach war das
schön! Ein grosses, gemütliches Bett, ein kleiner Abstellschrank, das
Bad gleich nebenan und unten im Erdgeschoss eine schöne Essecke, eine
Küche und ein gemütlicher Aufenthaltsraum. Wir genossen unsere Tage
dort und da ich auch nach drei weiteren Tagen noch nicht reisefähig
war, baten wir uns eine längere Zeit aus. Wie schon eingangs erwähnt,
wurde ich ja mit allen möglichen Chemikalien zugepumpt, so dass sich
unser Aufenthalt bezüglich der durch sie hervorgerufenen heftigen
Nebenwirkungen verlängerte.

Jamie war auch eine höchstinteressante Persönlichkeit. Aufgewachsen
in den Chiapas, einer Bergregion in der Mitte Mexikos, hatte er keine
bestimmte Ausbildung genossen. Er wuchs in einem 50-Seelen-Dorf auf und
schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Die Zeit vertrieb er sich
am Liebsten mit dem Besuchen von Freunden.  Eines Tages zog er nach
Playa del Carmen und fing an in einem Restaurant zu arbeiten. Trotz des
Ortswechsels änderte sich zunächst nicht viel in seinem Leben. Er
genoss weiterhin in seiner Freizeit mit seinen Freunden herumzuhängen
und das wars. Irgendwann machte es aber knack in seinem Kopf. Er
verstand, dass wenn er jetzt nichts macht, wird wohl nie etwas aus ihm
werden. Er wollte dieses langweilige, auf Gelegenheitsarbeiten
basierende Leben einfach nicht mehr. Er hatte einen Traum. Er wollte
studieren, aber was? Es sollte nicht irgendetwas sein, sondern ein Fach
das ihn ausgesprochen interessiert und Spass macht. Da er es schon
immer liebte Filme zu sehen und diese zu analysieren, außerdem gerne
Kurzgeschichten schrieb, kam ihm die Idee irgendetwas in der
Filmbranche zu studieren. Um diesen Traum zu realisieren, musste er
sein Leben gehörig umkrempeln. Er hörte auf im Restaurant zu arbeiten,
wo sie für zwölf Stunden Arbeit einen Hungerlohn zahlten. Er begann
sich mit seiner Sprache näher auseinanderzusetzen und gab alsbald
Spanischunterricht. Mittlerweile studiert er die Sprache richtig, um
auch auf alle Fragen seiner Schützlinge eine Antwort zu haben. Nebenbei
studiert er die englische Sprache. Sein Traum führt nämlich soweit,
dass er in New York studieren möchte. Dazu braucht er aber sehr gute
Englischkenntnisse und dafür muss er eben büffeln. Und das tut er, Tag
und Nacht. Ausserdem hat er begonnen, Gitarrenstunden zu nehmen. Als
wir ihn kennenlernten, hatte er gerade mal eine Stunde genommen. So
ehrgeizig und energievoll wie Jaimie war, hatte er aber bereits die
meisten Grundgriffe gelernt und sang uns schon seine selbstkreierten
Lieder vor.

Jaimie ist von früh bis spät unterwegs und liebt es. Momentan wartet
er auf sein Visa für die USA. Sobald er das erhält, wird er für einige
Zeit in einer Baufirma in Virginia arbeiten. Das hat er bereits zweimal
getan. Da man als Mexikaner bei der dritten Bewerbung für das Arbeiten
in den USA eine Verlängerung nach den abgelaufenen sechs Monaten
beantragen kann, hofft er inständig, dass er diesmal im Land bleiben
kann. Er würde dann sofort nach New York ziehen und mittels
verschiedener Arbeiten sein teures Studium finanzieren. Aber was sind
schon Stress und diese finanzielle Belastung, wenn man damit einen so
tiefen, langgehegten Traum erfüllen kann? Träume sind zum Leben da und
das hat Jaime verstanden. Wir waren überglücklich ihn in dieser Phase
kennengelernt zu haben und fiebern fleissig mit.

Neben dem Kennenerlernen interessanter Persönlichkeiten, vertrieben
wir uns die Zeit vor allem damit einkaufen zu gehen. Dabei stand vor
allem Essen auf dem Plan, da wir ja die Möglichkeit unseres
Aufenthaltes nutzen wollten, um mal leckeres Brot zu backen und auch
sonst so alle möglichen Leckereien zuzubereiten. Da uns Donovan recht
zu Beginn unseres Aufenthaltes Richie vorstellte und wir ihn auf Anhieb
mochten (und ich mehr über sein künstlerisches Können hören wollte ;),
luden wir ihn, Jaime und Donovan eines Tages zum Eierkuchen essen ein.
War das ein (Augen-)Schmaus! Ein Tisch voll gedeckt mit Augustas
superdünnen Spezialeierkuchen, Bananen, Mameys (eine sehr eigenartige,
aber irgendwie leckere Frucht), Marmelade und Zucker. Dazu sassen wir
auf dem wunderschönen Balkon von Donovan mit Blick auf das Meer. So was
von tropisch und fantastisch, da kann man vor visuellen und
geschmacklichen Reizen gar nicht anders als vor guter Laune
überzuschäumen!

Außer lecker einzukaufen, fürstlich unsere selbstgekochten
Köstlichkeiten zu verspeisen, spazieren zu gehen, zu lesen, die
Nebenwirkungen von Medikamenten versuchen loszuwerden, Filme anschauen,
Jaime´s Gitarrenspiel und Gesang zuzuhören, mit Meditieren anzufangen,
schwimmen zu gehen (leider nur einmal) taten wir eigentlich nichts. So
vergingen die Tage und als ich dann soweit von den Nebenwirkungen
befreit war, allerdings nicht von meinem Muskelproblem, entschieden wir
uns weiterzureisen. Wir hatten zwischendurch Freunde um Hilfe gebeten,
ob sie uns nicht vielleicht für die Zeit von einem Monat unterbringen
können, damit ich mich auskurieren könnte. Das ging leider nicht,
obwohl sie wirklich gewollt hatten, was aber am Ende gut war. Ich
fühlte irgendwie, dass wir weiterreisen sollten und das taten wir dann
auch. Und zwar Direktion Belize! Mein Gefühl sollte uns nicht täuschen.

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