Die Suche nach einer Bleibe

Juli 23, 2006  
Themen: Belize

Die Abreise aus Corozal gestaltete sich recht einfach. Wir fanden heraus, dass mein Rucksack für einen problemlosen Transport einfach quer auf der Trage befestigt werden muss, um meine Hände nicht zu belasten.

Kurz nachdem wir losliefen passierte uns eine scheinbar verdurstende Hündin, die mit Blick auf ihren Körper eindeutig Junge haben musste. Sie schleppte sich regelrecht an uns vorbei, so dass ich entschied ihr etwas Wasser zu geben. Ich hob irgendein altes Plastikteil auf und ging auf sie zu. Um sie darauf aufmerksam zu machen, dass ich Wasser für sie habe, hielt ich beides ein wenig in die Luft, und gab ein paar aufmunternde Worte von mir. Anstatt sie anzulocken, machte sie das nur ängstlich und liess sie anfangen zu bellen. Oh weh, das hatte ich nun wirklich nicht gewollt. Ich war mir dann allerdings auch nicht sicher, ob die Hündin sich angegriffen fühlte und trat somit – obwohl nur mit guten Absichten gekommen – den Rückzug an. Es macht mich wirklich traurig die Hunde hier zu sehen. Halbverhungert, verdurstet, die Rippen deutlich sichtbar und überall mit Verletzungen und Narben übersät. Die Hunde leben meistens wild, essen was sie auf der Strasse im Abfall finden oder was ihnen doch ein manches Mal zugeworfen wird, und werden oft gesteinigt oder mit anderen harten Gegenständen beworfen.

Noch dieses Erlebnis verarbeitend, rief mir Augustas zu meinen Daumen herauszuhalten. Das sich anbahnende Gefaehrt stoppte auch promt und brachte uns bis ins Zentrum von Corozal. Dort machten wir noch einmal im Internetcafé halt und schließlich gingen wir in Richtung Copper Bank. Augustas hatte eine handvoll Adressen von Ferienresorts und Camping in Belize herausgefiltert, da wir am Abend zuvor entschieden hatten, dass ich eine Pause brauche. Also Ruhe zum Gesunden meines Muskelproblems.

Gerade erst um die Ecke des Internet Cafes gebogen, probierten wir gleich mitten in der Stadt unser Tramperglueck. Ein Amerikaner hielt an und brachte uns bis zu der Kreuzung, an welcher die Einwohner von Copper Bank und Progresso trampen. Fuer nicht Ansaessige war diese Kreuzung unauffindbar. Sie war so versteckt, ohne jegliche Richtungsweiser, dass wir sie nie entdeckt haetten, waere da nicht der nette Amerikaner aufgetaucht und haette uns genau dort abgesetzt. 

Ein bereits voller Pick-up spuerte uns bald auf. Im eigentlichen Auto war auch gar kein Platz mehr und deshalb luden uns die vier Amerikaner auf die voellig ueberdachte Ladeflaeche ein. Das Hineinklettern war etwas schwierig und der Transport auch nicht der Sanfteste. Noch hinzu kamen die hohen Innentemperaturen, da die Ueberdachung nur ueber zwei sich staendig selbstschliessende Fenster verfuegte. Aber egal, es ging auf nach Copper Bank und das ist alles was zaehlte. Irgendwann hiess es dann anhalten, aussteigen und rauf auf eine alte, hoelzerne Faehre. Die Faehre war nur manuell bedienbar und erforderte zwei kraeftige Maenner zum Kurbeln. Die Faehre war an beiden Uferseiten mit einem Metallseil verbunden. Das Metallseil begann an der einen Uferseite, wo es um eine Trommel gewunden war, schlingerte sich dann in einer fettig, schmutzigen Oelmasse in einer Metallschiene auf der Faehre entlang, ging dann einmal um das Rad der Kurbel herum, kam wieder in einer der beschriebenen Metallschienen hinaus und endete wiederrum an einer Seiltromme am anderen Uferende.

Da wir vor Betreten der Faehre aussteigen mussten, weil irgendwelche belizianischen Ministerien das so auf einem bereits verbeulten Schild so forderten, liefen wir zu Fuss auf die Faehre. Das Uebersetzen dauerte wohl um die 15 Minuten. Die Atmosphaere war einfach atemberaubend. Umgeben von Dschungel, auf einer alten hoelzernen, handbetriebenen Faehre, ein Fluss der nach Abenteuer roch und wir mittendrin. Meine Augen funkelten wie Sterne vor Abenteuerlust. Ich verfiel auch gleich in einen intensiven Tagtraum – einmal mit einem selbstgebauten Holzboot diesen Fluss entlangreisen…

Auf der anderen Seite angekommen ging es weiter Richtung Copper Bank. Waehrend der Fahrt dachte ich auch immer wieder, dass wir hier wirklich im Busch gelandet sind. Alles was wir sehen konnten war unser sandige Strasse und den sie umgebenden dichten Dschungel. Irgendwann lichtete sich dann das Dickicht. Wir waren angekommen, im 500 Seelen-Fischerdorf Copper Bank. Unsere Fahrer brachten uns zur billigsten aller bekannten Unterkuenfte in dieser Region: The Last Resort (Das letzte Ferienresort).

Dort angekommen, fragten wir nach dem Besitzer, worauf wir uns noch ein wenig gedulden mussten, denn dieser war auch gerade auf dem Weg nach Copper Bank. Das Interessante war, dass der Amerikaner, der uns bis zur regulaeren Tramperstelle Richtung Copper Bank brachte, zuvor kurz anhielt. Der Grund war Joe, der Besitzer von The Last Resort. Die Beiden schnatterten ein wenig, unser Fahrer hiess Joe, der nur mit einer kurzen Hose bekleidet war und seinen riesigen Reisekoffer hinter sich herzog. Eine Mitfahrgelegenheit brauchte Joe allerdings nicht, da bereits jemand geschickt wurde ihn abzuholen.

Und nun sassen wir auf seinem Grund und Boden und versuchten uns einen passenden Text einfallen zu lassen. Schliesslich wollten wir ueberzeugen. Wir spielten alles ein paar mal durch, obwohl ich eigentlich lieber alles auf mich zukommen lassen wollte. Wir waren beide etwas nervoes, war es doch das erste Mal, dass wir um Arbeit im Tausch fuer eine freie Aufenthaltsmoeglichkeit bitten wollten. Ich entspannte ein wenig, liess meine Gedanken ueberall hin, nur nicht um diese Thema kreisen.

Und dann kam Joe. Es dauerte noch eine geraume Zeit, bis er sich zu uns hinausbegab, aber er kam. Freundlich, offen, sofort die rechte Hand entgegenstreckend, in der linken ein Bier, und in einem sehr kumpelhaftem Stil. Wir plauschten ein wenig und kamen dann auf den Punkt. Wir trugen unser Anliegen vor und boten im gleichen Atemzug unsere Arbeitskraft an – Augustas fuer die schweren, ich fuer die leichten Arbeiten. Joe meinte, er haette keinen Bedarf an Arbeitern bzw. Hilfskraeften, aber wir koennten gern einen Monat im The Last Resort zelten. Der Preis waere 300 Belizianische Dollar (BZ$), was ungefaehr 120 Euro entspricht. Wir akzeptierten sein Gebot nicht. Wir erklaerten ein wenig mehr ueber unsere Situation, meinen Ruecken, low-budget Reisende, trampen, ein Budget nur fuers Essen, unsere Kalkulation von 6 US$ pro Tag a 30 Tage je Monat, so dass wir maximal 3 US$ pro Tag abzweigen koennten, um unser Budget nicht zu ueberschreiten. Das hiess im Klartext: bei 180 BZ$ schlagen wir ein. Das hatten Augustas und ich vorher so ausgemacht. Joe meinte dann, 200 BZ$ ist doch dann nahe dran. Wir dachten uns verhoert zu haben. Zweihundert? War da nicht zuvor die Rede von dreihundert? Wir konnten uns ja schlecht beide geirrt haben. Als wir uns in die Augen sahen, funkelten die nur so vor zurueckgehaltenem Siegesjubel. Doch wir blieben ganz ruhig, zumindest ich, und redeten ein wenig mehr ueber dies und das. Ich war zufrieden, aber mein Zoegern sorgte letztlich dafuer, dass Joe irgendwann einschlug. Einen Monat zelten fuer 180 BZ$!

Joe wies uns dann einen Platz zu, wo wir unser Zelt aufschlagen konnten. Das war direkt unter Palmen, ein wenig abseits hinter dem Restaurant. Das Zelt war fix aufgebaut und wir machten uns schleunigst daran zu kochen, da es bald stockdunkel sein wuerde. Ich ging dazu fix ins Restaurant, um am Wasserhahn unsere Trinkflaschen zu fuellen. Da kam auch schon Alisia, die gute Fee des Ferienresorts, hinter mir hergelaufen. Sie erklaerte mir dann, dass das Leitungswasser hier salzhaltig ist und wir stattdessen Drinkwasser aus der riesigen, silbernen Metallregentonne entnehmen konnten. Das war vielleicht toll. Wir hatten zwar bereits Regenwasser getrunken, aber bisher noch kein so grosses Auffanggeraet dafuer gesehen. Noch dazu war dieses Regenwasser sehr gut von Steinchen und Staubkoernern befreit, was die Tage zuvor in Corozal nicht der Fall war.

Die Muecken bissen an diesen Abend fuerchterlich zu und alles, nach was wir uns sehnten war endlich ins Bett zu gehen. Leider verlief die Nacht fuer mich katastrophal. Mein Ruecken liess mich so sehr seinen Aerger ueber die Missbehandlung der letzten Jahre spueren, dass ich weder auf dem Ruecken, noch auf einen der beiden Seiten liegen konnte. Auch mit schraeg auf dem Bauch war einfach nichts zu machen. Die einzige Loesung die mir blieb war, den Schlafsack unter mir laenglich aufzutuermen, mich Baulings wie ein nasser Sack daraufzulegen und meine Stirn mittels einem aus meiner Jacke gebastelten Kopfkissen abzustuezen. Denn was anatomisch bei mir in Bauchlage wirklich im Wege war, war meine Nase. Da ich mir die nicht auch noch ramponieren wollte, bot sich halt mein provisorisches Jackenkissen an. Obwohl ich ab und zu mal wegnickte, wartete ich nun sehnsuechtig auf den Sonnenaufgang.

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