Zwei “Hans” im Glueck (May 2 – 5)

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Das Herauskommen aus der San Salvador-Zone klappte wie am Schnuerrchen. Wir nahmen 6 Uhr in der frueh den 101 Bus von Santa Tecla bis zum Plaza El Salvador del Mundo in San Jose. Kaum waren wir ausgestiegen, fuhr der 7D Bus vor, der uns bis Soyapango brachte. Dort stiegen wir direkt an der Auffahrt zur Autobahn aus.

Es herrschte das reinste Chaos. Busse – ob gross oder klein – kamen aus allen Himmelsrichtungen angebraust. Dazwischen mischten sich unzaehlige Autos, Kleintransporter, LKWs und Taxis. Wir hatten zwar einen recht guten Platz zum Trampen gefunden, doch machte es uns die Mischung aus privaten und oeffentlichen Verkehrsmitteln schwierig, mit unserem gehobenen Daumen die Aufmerksamkeit der fuer uns richtigen Fahrzeuge auf uns zu lenken. Ohne ueberhaupt einen Blick auf uns zu werfen, kam ploetzlich ein Transporter direkt auf uns zugebraust. Eine Gruppe jugendlicher Katholiken war auf dem Weg nach El Triunfo, was ungefaehr der Haelfte unseres Weges bis zur hondurischen Grenze entsprach.

Als wir ausstiegen, war es gerade erst kurz nach 8 Uhr morgens, doch unsere Maegen knurrten schon wieder. Da rief uns eine froehliche Stimme in ihr Mini-Restaurant hinein, in dem wir kurz darauf Reis mit Bohnen und Tortillas verspeisten.

Wieder an der Strasse folgte ein Auto nach dem anderen. Ohne ueberhaupt nachdenken zu koennen, kamen wir an der Grenze an. Dort trafen wir, welch ein Zufall, zwei Mexikaner, die auf dem Weg nach Panama waren. Wir baten um eine Mitfahrgelegenheit bis Nicaragua, der sie ohne zu zoegern zustimmten. Auf der hondurischen Seite sprachen wir lange mit einem der Mexikaner, waehrend der andere die bueokratischen Sachen erledigte. Sie schienen Probleme mit der Registrierung ihres Autos zu haben und schlugen uns vor, um Zeit zu sparen, lieber schon trampen zu gehen. Sollten wir bis zu ihrem Auftauchen keinen Fahrer gefunden haben, wuerden sie uns spaeter am Ende des Grenzuebergangs mitnehmen. Gesagt, getan. Wir gaben unser Bestes ein Auto anzuhalten, doch vorerst vergebens. Da tauchten die Mexikaner, nach nur einer knappen halben Stunde, ploetzlich am letzten Kontrollpunkt auf, passierten ihn und brausten mit grinsenden Gesichtern einfach an uns vorbei. Ich konnte es nicht glauben. Sie hatten uns vorgelogen Probleme mit ihrer Einreise zu haben, einfach nur um uns loszuwerden. Das war alles geplant! Oh, war ich sauer!

Carolina on the left

Carolina on the left

Voller Energie nach diesem Erlebnis, hielten wir bald einen LKW an, der uns bis Jicaro Galan mitnahm. Weiter ging es bis Choluteca, wo uns Carolina auflass. Sie kam gerade von einer Einkaufstour mit ihrer Mutter zurueck und war auf dem Weg nach San Francisco, einem Dorf ca. 10 km vor San Marcos, nahe der nicaraguischen Grenze. Carolina war eine lustige Gespraechspartnerin, die uns nicht nur sofort zu sich nach Hause zum Uebernachten einlud, sondern auch gleich zu einer Beerdigung im Nachbardorf mitnahm. Erst kuerzlich war ein 60jaehriger Herr an den gesundheitlichen Folgen seines uebermaessigen Alkoholverzehrs gestorben. Jetzt war das ganze Dorf auf den Beinen, um dem Herrn auf seinem Weg zum Grabe

having a last look

having a last look

zu geleiten. Als wir auf der Beerdigung auftauchten, schaute uns die ganze Gesellschaft etwas schraeg von der Seite an. Naja, ist ja auch irgendwie eigenartig, wenn zu solch einer Veranstaltung zwei Unbekannte auftauchen, noch dazu “Gringos” bzw. “Norteamericanos” (Nordamerikaner), wie sie uns hinter unserem Ruecken faelschlicherweise fluesternd bezeichneten.

Carolina fand das alles voellig normal und stellte uns gleich einigen Dorfbewohnern vor. Sie war aber auch ein Persoenchen, das nicht so ganz ins traditionell-eingebuergerte Dorfleben passte. Mit ihren 27 Jahren hatte sie noch keinen passenden Ehemann gefunden, was daran lag, dass sie sich nicht einem Mann unterordnen wollte. Denn noch galt in der hiesigen Region, dass die Frauen die Maenner zu bedienen hatten und selbst Schlaege mit dem Guertel, erteilt vom Ehemann, einstecken muessen. So Carolina’s Worte. Das kam fuer sie gar nicht in Frage. “Wer mich schlaegt, der kriegt es doppelt zurueck!” Ja, bei solch einer Einstellung, gestand Carolina, wird sie in ihrer Gegend wohl nicht fuendig werden. “Am liebsten waere mir ja ein Nordamerikaner”, waren Carolinas abschliessende Worte zu diesem Thema.

Im Hause von Carolina’s Mutter angekommen, wurde uns ein Zimmer zum Uebernachten angeboten. Dort konnten wir uns bequem auf dem Fussboden ausbreiten und hatten zudem ein eigenes Bad. Bevor wir aber zum Reinigen unserer dreckbedeckten Koerper gingen, mussten wir unsere knurrenden Maegen stillen. Unser Campingkocher war mal wieder die grosse Attraktion an diesem Abend und wurde von klein und gross ausgiebig bestaunt. Wir bereiteten Nudeln mit Sojafleisch zu, was sogar die Hunde der Familie anzog. Dazu gab es leckere Salatblaetter, je einen Apfel und von der Familie eine Portion roter Bohnen mit Tortillas. Beschweren konnten wir uns wahrlich nicht. Obendrauf gab es am spaeten Abend auch noch gefrorene Schokobananen am Stiel. Einfach koestlich!

Rubia, Carolina’s Mutter, erzaehlte uns von ihren fuenf Soehnen, die allesamt seit vielen Jahren in den USA leben. Drei von ihnen hatte sie glaube ich schon seit 12 Jahren nicht mehr gesehen. Das lag weniger am Interesse der Soehne, ihre Mutter zu besuchen, sondern an den fehlenden Visas fuer die USA, die die Soehne bisher nicht erhalten hatten. Wir erfuhren in dem Zusammenhang auch, dass nur die Menschen im Dorf ein schoenes Haus besassen, welche Verbindungen zu bzw. Verwandschaft in den USA hatten. Statt sich als zuerueckgebliebener Rest der Familie auf der finanziellen Hilfe der Soehne bzw. Brueder auszuruhen, halfen Rubia und Carolina armen Menschen in der Nachbarschaft, an Kleidung und sonstige Notwendigkeiten kostenlos heranzukommen. Als wir das hoerten, holten wir sofort Augustas’ alte Sandalen und unseren alten Tagesrucksack hervor, und spendeten diese der Nachbarschaftshilfe. Auf solch einen Moment hatten wir nur gewartet, um die zwar etwas ledierten, aber weithin noch nutzbaren Dinge weiterzugeben.

Mario, our funny truck driver

Mario, our funny truck driver

Am naechsten Morgen ging es mit dem ersten Lift direkt bis zur nicaraguischen Grenze, die nicht sehr gemuetlich wirkte. Wir gingen zum Ende des Grenzuebergangs und nach einer Weile hielten wir Mario, einen LKW-Fahrer an. Der war auf dem Weg nach Managua, was uns gelegen kam, denn wir wollten nach Granada gelangen. Die Unterhaltung mit Mario war sehr lustig und liess die Zeit im doch recht langsamen Gefaehrt schnell vergehen. Wir hielten unterwegs fuer ein Reis-Bohnen-Salat-Mahl an und wurden dann von Mario in Tipitapa herausgelassen.

Dort kostete es uns einige Zeit, bis wir endlich mit einem weiteren LKW bis zur Kreuzung in Richtung Granada mitgenommen wurden. Augustas wollte bereits eine Uebernachtungsmoeglichkeit suchen, auf die ich noch gar nicht so richtig Lust hatte. Irgendwie wollte ich nach Granada und glaubte auch noch daran, dass wir dort landen wuerden. Trotzdem akzeptierte ich seinen Vorschlag, in einem naheliegendem, offensichtlich fuer religioese Veranstaltungen existierendem, ueberdachten Gebaeude zwecks Uebernachtung nachzufragen. Dort wurden wir abgewiesen. Kaum waren wir zurueck auf der Strasse, hielt auch schon Aracely an. Augustas nutzte den Moment des Halts, um zwecks eines passenden Zeltplatzes in Granada zu fragen, denn dorthin war Aracely unterwegs. Ohne gross zu ueberlegen schlug Aracely ihren Garten vor. Mit grossen Bingo!-Augen schauten wir uns beide an. Wir schwangen uns auf die Ladeflaeche und los gings. In Granada liess uns Aracely dann vorne einsteigen und wir zogen zu

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ihrem ca. 13 km noerdlich von Granada entferntem Haus weiter. Und zwar direkt entlang des Strandes! Was fuer eine Fahrt. Neben der tollen Sicht, die Strandhaeuser, den Nicaraguasee und einen grossen Vulkan bot, begegneten uns auch zahlreiche Kuehe, Voegel, Kinder und andere Fahrzeuge. Ich stellte mir gleich vor, wie wir am naechsten Morgen von dort wieder lostrampen wuerden, direkt am Strand entlang!

we prefered to camp outside

we prefered to camp outside

Dazu kam es aber nicht. Aracely lud uns ein, fuer einige Tage in ihrem Haus zu bleiben. Sie bot uns sogar ein Zimmer fuer uns allein an, was wir aber eher als Aufenthaltsraum nutzten. Da der Wind nachts so schoen bliess, bevorzugten wir es unser Zelt draussen aufzustellen und dort die Naechte zu verbringen. Lewis, Aracely’s liebenswerter Ehemann, freute sich wie ein Streuselkuchen, als seine Frau uns zwei Streuner mitbrachte. Wir verstanden uns auf Anhieb. Als Lewis von unseren Segelabenteuern hoerte, wurde er ganz neidisch. Er ist vernarrt in Segelschiffe und konnte kaum glauben, dass wir einfach so mit einem mitgefahren waren und dann auch noch nach Kuba.

Da es waehrend der Woche nur von 6 – 10 Uhr morgens fliessendes Wasser gab (Sparmassnahme der Stadt), wuschen wir unsere staubbesetzten Koerper direkt im Nicaraguasee. Das war herrlich, vor allem weil das Wasser warm war. Wir mussten ewig lange in den See hineinlaufen, da die Tiefe sich nur langsam veraenderte. Es war unendlich spassig, sich, endlich in der Tiefe angekommen, einzuseifen.

eating the first vegan and greatest ever pizza in my life

eating the first vegan and greatest ever pizza in my life

Wir blieben zwei Tage in Granada. Einen Tag nahm uns Aracely auf eine Mini-Tour durch Granada mit und lud uns zum Pizza essen ein. Es war meine erste Pizza seit 2 Jahren, eine vegane Version, die unbeschreiblich lecker war! Leider hatte sie wenig Zeit und da der oeffentliche Transport zu ihrem Haus sehr unzuverlaessig war, fuhren wir mit ihr wieder zurueck. Ich fand das ein wenig schade, denn Granada strahlte eine tolle Atmosphaere aus. Sie erinnerte uns ein wenig an San Cristobal de las Casas in Mexiko, wo wir damals gar nicht wieder wegwollten.

Samstag morgen ging es nach Riviera, um zur Ometepe-Insel zu gelangen. Dort gab es zwei grosse Vulkane, die wir uns gerne naeher anschauen wollten. Wir setzten also gegen Mittag mit einer klapprigen Faehre ueber, die statt der angekuendigten halben Stunde, knapp 1,5 Stunden fuer die Fahrt brauchte. Wir trampten weiter die Inselstrasse entlang und wurden von Rolando aufgelesen. Dieser lebte seit 12 Jahren in einem Waisenhaus, da er beide seiner Eltern verloren hatte. Er sah trotz alledem sehr gluecklich aus. Je naeher wir der Waisenkinder-Gemeinde kamen, desto mehr wuchs unser Interesse das Leben vor Ort selbst zu sehen. Rolando lud uns zu einer Rundfahrt auf dem Gelaende ein. Waehrend der Rundfahrt war niemand zu sehen, denn alle befanden sich zur regulaeren Messe in der Kirche. Rolando zeigte uns die Schule, die Werkstaetten, die Wohnbloecke fuer kleine Maedchen und Jungen, die getrennt waren, die restlichen Wohnbloecke fuer Jugendliche, fuer die Voluntaere sowie das Haus des Direktors. Es gab auch ein Gebaeude, dass etwas abseits von den anderen lag, in dem behinderte Kinder untergebracht waren. In der Waisenkinder-Gemeinde lebten Kinder, die entweder ihre Eltern oder aber Elternteile verloren hatten. Es gab auch Kinder dort, die wegen finanziell fehlender Mittel sonst keine anstaendige Ausbildung haetten absolvieren konnten. Im Waisenhaus gab es neben der schulischen Ausbildung eine handwerkliche, haeusliche und landwirtschaftliche Schulung, die jeweils am Nachmittag stattfand. Die Maedchen wurden vorwiegend im Naehen von Kleidung oder dem Schneiden von Haaren geschult, waehrend die Jungen in elektronischen und mechanischen Gebieten ausgebildet wurden. Doch das war keinesfalls auf das Geschlecht beschraenkt. Interessant war, dass Jungen im Alter von 12 Jahren an ihre Waesche mit der Hand selber waschen mussten. Zudem hatten sie eine grosse Gartenanlage, in dem es Pflichtsstunden abzuarbeiten galt, um den Obst- und Gemueseanbau von klein auf zu erlernen. Die Kinder werden solange unterstuetzt, bis sie eine Ausbildung an der Universitaet in Managua erfolgreich abgeschlossen haben. Rolando arbeitete mittlerweile fuer die Waisengemeinde, denn er fuehlte sich nur dort wirklich zu Hause. Die Gemeinde wurde vor 13 Jahren von einem amerikanischen Pater gegruendet und konnte mittels der Unterstuetzung von Spenden aus anderen zentralamerikanischen sowie europaeischen Laendern ihre gute Arbeit bis heute fortsetzen.

Wir waeren gern fuer eine Nacht dort geblieben, doch kam es letztlich nicht dazu. Deswegen fuhren wir weiter bis San Francisco, wo wir am Strand uebernachteten. Heute ging es weiter bis Altagracia, doch nach einem kurzen Aufenthalt entschieden wir uns wieder umzukehren. Da es Sonntag war, wurden wir zwecks des schlechten Transportes vorgewarnt, doch wir gingen trotzdem zur Strasse. Nachdem bereits mehrere Fahrzeuge ohne anzuhalten an uns vorbeigerollt waren, entschieden wir uns statt wie vorgehabt den anderen Vulkan zu umrunden, lieber wieder zurueck nach Mayogalpa zu fahren und unsere Reise nach Panama fortzusetzen.

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