Ruhig Blut bewahren in San Ramon (September 16 – 17)

November 29, 2006  
Themen: Guatemala

In San Ramón angekommen, mussten wir unsere Hintern erst einmal wieder gerade biegen. Es war eine wirklich holprige Fahrt und noch dazu hatte uns der Weg zu einem Ort gefuehrt, von dem es laut unserer Karte keine Verbindungsstrasse in Richtung Ixcan Playa Grande (Cantabal) gab. Aber da wir herausgefunden hatten, dass dies der richtige Weg dorthin war, gingen wir einfach weiter.

Wir waren mal wieder hungrig und liessen uns nahe eines recht grossen Hauses nieder, um unser vorbereitetes Mahl auf dem Ruecken unserer Rucksaecke einzunehmen. Da kamen auch schon Kinder angelaufen und fragten nach unserer Herkunft. Wir erstatteten Auskunft und bald darauf wurden wir von deren Mutter auf die Veranda gebeten. Uns wurde ein Tisch freigeraeumt, zwei Stuehle hingestellt, Wasser zum Waschen unseres Gemueses gebracht, ein Brett mit Messer bereitgestellt, damit wir das Gemuese kleinschneiden konnten und bald fuer unsere Unterhaltung gesorgt. Kaum sassen wir und labten uns an unserem Essen, kam der Vater und ein Freund der Familie. Der Vater bot uns an, in seinem Zimmer auszuruhen, was wir allerdings ablehnten. Schliesslich war noch Zeit und wir konnten vielleicht noch weiterreisen. Keine zehn Minuten spaeter stieg die ganze Familie in ein Auto ein und mit den Worten “ihr koennt gerne hier bleiben, wir kommen erst Montag wieder zurueck”, verliess der Wagen auch schon das Grundstueck und weg waren sie. Wir schauten uns etwas verduzt an. Nun gut dachten wir, besser wir essen schnell auf und packen zusammen, damit wir nicht unsere naechste Mitfahrgelegenheit verpassen.

Nach endlosem Warten und nicht einem Auto in Sicht freundeten wir uns langsam mit dem Gedanken an, auf der Veranda im ersten Stock des Hauses unser Zelt aufzubauen. Waehrend des Wartens kam ein Feldarbeiter vorbei, der uns freudig begruesste. Wir erklaerten ihm, dass wir auf der Durchreise waeren und versuchten heute noch weiter zu ziehen. Auch das uns der Hausherr eingeladen hatte, auf dem Grundstueck zu verweilen. Der Feldarbeiter bekraeftigte die Einladung des Hausherrn und meinte, “Ihr koennt gerne hier bleiben, das ist in Ordnung. Ich wohne weiter oben die Strasse hinauf, dort koennt ihr mich jederzeit aufsuchen.” Wir waren froh ueber eine weitere Zustimmung zu unserem Aufenthalt auf dem Grundstueck, da uns die kurze Begegnung mit dem Besitzer unwirklich vorkam.

Gegen halb sechs Uhr abends gaben wir unsere Versuche weiterzutrampen auf und bereiteten unser Nachtlager vor. Wir wollten uns auch waschen und suchten krampfhaft nach einer Moeglichkeit. Da es bereits dunkelte wollten wir nicht mehr zum Fluss hinunter gehen. Auch haetten wir dazu unsere Rucksaecke zuruecklassen muessen, was uns nicht geheuer war. Wir gingen also hinter das Haus, wo die Wasserrohre lagen. Eines konnte aus der Leitung geloest werden. Leider war die Qualitaet des Wassers schmutziger als wir selbst, so dass wir von einer Reinigung absahen.

Waehrend wir durch den wilden Garten wanderten, kam ploetzlich ein alter Mann gefolgt von mehreren Frauen und Kindern auf uns zu. Er fragte aergerlich, was wir auf dem Grundstueck zu suchen haetten. Wir klaerten ihn ueber unsere Lage auf, berichteten ueber die Einladung des Besitzers und das Aufeinandertreffen mit dem Feldarbeiter sowie dessen Zustimmung zu unserem Aufenthalt. Der alte Mann blieb skeptisch, besonders da die im folgenden jungen Frauen auf ihn einredeten. Ich blieb ruhig und erklaerte unsere Situation wieder und wieder. Mir waren die Worte der beiden Bauingenieure, die uns vor einigen Tagen bis Santa Eulalia mitgenommen hatten, noch laut und deutlich im Ohr. Als eines der Maedchen unsere am Waschbecken liegenden Sachen sah, nahm sie diese hoch und warf sie ohne Beachtung in die Waschbecken hinein. Augustas gefiel das ganz und gar nicht. “Was machst du bitte schoen mit unseren Sachen?”, fragte er. Sie erwiderte daraufhin erzuernt, “ich bin fuer dieses Grundstueck waehrend der Abwesenheit des Besitzers verantwortlich und ich will wissen was ihr hier zu suchen habt”. Ich hielt Augustas mit leiser Stimme energisch zurueck und erklaerte ihm, sich aus dieser Situation herauszuhalten und freundlich zu sein. Ich sprach immer wieder auf die Frauen und den alten Mann ein und um unsere Harmlosigkeit zu beweisen, lud ich alle ein mit uns nach oben zu kommen, damit sie unser Zelt inspizieren koennen. Mir war klar, dass diese Menschen wohl noch nie ein Zelt gesehen hatten, so dass ich ihnen erklaerte, wie es funktioniert. Oben angekommen schauten sie das Zelt an und begannen zu tuscheln und zu lachen. Kurz darauf gaben sie uns schweigend ihren Segen und liessen uns allein. Die Situation war gerettet, wir konnten bleiben.

Die Nacht war fuerchterlich. Es war das erste Mal, dass uns das Dach ueber den Kopf nicht ausreichte. Der Wind bliess so stark, dass die Regenguesse durch die Veranda gegen unser Zelt schlugen. Augustas musste aus dem Zelt steigen, um die Plastikplanen als Regenschutz am Zelt zu befestigen. Am Morgen war herrlicher Sonnenschein, nichts erinnerte an das Unwetter der letzten Nacht. Nur unser Muell war verschwunden.

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