Laguna Lachua – wie sie ungesehen an uns vorbeizog (September 17)

November 29, 2006  
Themen: Guatemala

Wir packten fix zusammen und gingen zum Fluss, da wir uns nach einem reinen Koerper sehnten. Als wir endlich herausfanden, wie wir zum Fluss hinabsteigen koennen und alles fuer ein Bad bereit hatten, tauchten ploetzlich vier Maenner auf. Laut vor sich hinschreiend liefen sie auf der gegenueberliegenden Seite den Fluss hinunter. Wir versteckten uns im Gebuesch, weil uns irgend etwas nicht geheuer vorkam.

Ich wollte so sehr ein Bad nehmen, dass ich einfach nur das Gute in der Situation sah. Ein paar Jugendliche, die an ihrem freien Tag zum Fluss fahren, um ein Bad zu nehmen. Wahrscheinlich war das auch alles, aber irgendetwas hielt uns zurueck. Vor allem Augustas war nicht sicher, ob unser Auftauchen gut war. Knurrend resignierte ich und wir packten unsere Sachen zusammen.

Letztlich glaube ich, dass wir von unserem Gefuehl nur deshalb an einem Bad gehindert wurden, da kurz nach Auftauchen an der Strasse ein Wagen aufkreuzte, der fuehr uns hielt. Den ganzen Morgen war uns nur ein Auto zuvor begegnet, dass aber vollgestopft mit Familienmitgliedern auf einem Feiertagsausflug war und wahrlich keinen Platz fuer weiter Passagiere hatte.

Wir nahmen die Chance war und huepften auf den Anhaenger des Lastwagens. Es war wie meistens ein Pick-Up. Der Fahrer war sehr in Eile, was unsere Hintern deutlich zu spueren bekamen. Die Strecke San Ramon bis in die Naehe von Nueva Xalbat war eine Tortur. Die Strasse war mit unzaehligen, teilweise immensen Loechern versehen und bestand ausschliesslich aus Steinen, Sand oder nasser Erde. Die Strassensituation schien dem Fahrer gut bekannt zu sein, da er trotz der enormen Geschwindigkeit alle Hindernisse meisterte, ohne allerdings auf seine “Ladefracht” (uns) zu achten.

Niedlich war wie der Fahrer bei unserer Verabschiedung selbst ausstieg und seinem winzigen, verschlafenen und gut durchgeruettelten Hund auf den Boden setzte und eine Schale mit Wasser vorsetzte.

Die Kreuzung, an der wir herausgelassen wurden, war nicht sehr einladend. Ueberall auf dem Boden war Abfall zu finden. Viele herumstehende Maenner hatten Bier in der Hand und unterhielten sich lautstark ueber Gott und die Welt. Unsere Maegen meldeten sich mit Gegroell, so dass wir sie erst einmal fuellten. Waehrenddessen versuchte ich Toilettenpapier zu kaufen. Im ersten Laden sprach ich den Verkaeufer an, der gerade vor seinem Mini-Fernseher sass. Nach drei Versuchen ihn aufzuwecken, um mir eine Rolle WC-Papier zu verkaufen, gab ich auf. Besonders, da inzwischen ein Freund von ihm aufgetaucht war, der nur kurz ein “Hallo” hauchte und schon hatte er die Aufmerksamkeit des Verkaeufers fuer sich gewonnen. Der Herr wollte mich also offensichtlich nicht bedienen. Nun gut, es gab andere Laeden und so ging ich eben zum naechsten.

Wir entfernten uns ein wenig von dieser Kreuzung in Richtung unseres Reiseziels Laguna Lachua. Da wollten wir hin, da uns Carlos, unser Gastgeber aus Santa Cruz Verapaz, bereits von diesem Ort vorgeschwaermt hatte. Zu Fuss gingen wir so weit, dass wir von der Kreuzung aus nicht mehr gesehen werden konnten. Einige Baeume boten genug Schatten, so dass wir einfach dort Platz nahmen. Wir sassen auf unseren Rucksaecken, machte Spaesse miteinander, stoeberten in unseren Buechern und fielen irgendwann mit dem Ruecken auf dem Rucksack liegend in einen erholsamen Tagschlaf. Kaum waren wir aufgewacht und wieder bei vollem Bewusstsein, hielt ein LKW fuer uns an. Dieser befand sich auf dem Weg nach Ixcan Playa Grande und nahm uns kurzerhand mit. Da die Sitze bereits belegt waren, lud er uns mit all unserem Gepaeck auf sein Bett ein. Es war eng, aber wir waren gluecklich. Nach einem anfaenglichen Gespraech fiel uns die Pistole auf, die der Fahrer zwischen seinen Beinen liegen hatte. “Ups”, dachte ich, “wofuer ist die wohl bestimmt?” Hatten wir uns etwa in unserem Gefuehl getaeuscht? Augustas und ich wechselten die Blicke und wir gaben uns zu verstehen, dass es zwar ungewoehnlich war, aber wohl harmlos zu werten ist. Trotzdem laeuteten noch die Alarmglocken. Spaeter sinierten wir tuschelnd, dass die Pistole notwendig war, um die transportierte Ware vor Raeubern zu schuetzen. Ob ein Ueberfall zu den alltaeglichen Dingen eines Lastwagenfahrers gehoert sei dahin gestellt. Wir wussten aber von unserer bisherigen Reise durch Guatemala, dass selbst vor Apotheken bewaffnete Maenner standen und werteten das somit als eine kulturelle Angelegenheit.

In Ixan Playa Grande versuchten wir unseren Hunger zu stillen. Wir suchten ein kleines Restaurant, wo wir Bohnen mit Reis essen konnten. Im ersten wollte man uns glatt weg nicht servieren. Wohl deswegen, weil wir kein Huehnchen essen. Wir gingen zum naechsten und bekamen unseren Reis mit Bohnenmuss und etwas Salat. Anschliessend gingen wir zum Ortsende um weiterzutrampen. Um den richtigen Weg zu gehen, fragten wir nach einigen vergeblichen Versuchen in einem Geschaeft fuer Haushaltsgeraete nach. Man gab uns Auskunft und interessierte sich merklich fuer uns. Die Moeglichkeit nutzten wir um frisches Trinkwasser zu bekommen. Wir gingen weiter, machten kurz an einer Tankstelle halt und als wir die verliessen, hielt ploetzlich ein Auto fuer uns an. “Wo wollt ihr hin?” “Richtung Laguna Lachua.” “Da fahr ich auch hin, steigt ein. Wir waren sehr skeptisch. Warum hielt er einfach so an? Aber gut, wir stiegen ein. In unserem weiterem Gespraech erfuhren wir dann, dass die Dame aus dem Haushaltsgeraetegeschaeft mit dem Fahrer bekannt war. Sie erklaerte dem Fahrer, dass wir uns auf dem Weg zur Lagune befaenden und schwups lud er uns zu einer Fahrt ein.

Der Fahrer teilte uns so ganz nebenbei mit, dass er auf dem Weg nach Coban ist. Er wolle nur seine Sachen zusammenpacken und noch am gleichen Abend nach Coban fahren. Wir witterten unsere Chance und fragten gerade heraus ob er uns mitnehmen koennte. Das verwirrte den Fahrer. Wollten die beiden nicht zur Lagune? Warum  wollen sie ploetzlich nach Coban? Wir verstanden seine Verwirrung, scheiterten letztlich aber ihn darauf einzustimmen uns nach Coban mitzunehmen. Wir fuhren also mit ihm bis zu einer Kreuzung, die ca. 4 Kilometer von der Lagune Lachua entfernt lag.

Das Ambiente dort kam uns nicht geheuer vor. Von rechts starrte uns ein Mann auf einem Fahrrad an. Von links kam ein weiterer Herr, der sichtlich betrunken war und brabbelte uns irgend etwas zu. Wir ignorierten ihn und gingen kurzum Richtung Lagune. Obwohl es schon spaet war, konnten wir es mit zuegigem laufen noch vor Einbruch der Dunkelheit bis zur Lagune schaffen. Wir baten einige Male um Auskunft, wie weit es noch bis zur Lagune ist. Als wir bereits zwei Kilometer zurueckgelegt hatten, trafen wir auf einen Fahrradfahrer, der einen Stapel Holz auf dem Gepaecktraeger balancierte. Unser Stoppaktion brachte ihn ganz schoen ins wanken, was er uns aber gluecklicherweise nicht uebel nahm. Von ihm erfuhren wir dann exakte Auskuenfte ueber den noch verbleibenden Weg und ueber Moeglichkeiten, die Nacht in der Lagune zu verbringen. Wir mussten uns spurten, da die Oeffnungszeit bereits schon vorbei war. “Bis vier Uhr wird eingelassen”, meinte er. Es war bereits fuenf Uhr, also hoechste Zeit anzukommen. Er beruhigte uns mit den Worten, “die Waerter werden euch sicher hineinlassen, da dort immer viele Leute zelten”.

Wir legten eine kurze Pause ein. Nahe bei stand ein Haus, die Mutter und ihre Kinder vor dem Haus sitzend. Eines ihrer Maedchen kam auf uns zu. Sie hockte sich neben uns, begutachtete schweigend unsere Rucksaecke und fragte nach fuenf Minuten, “Habt ihr Knete (Geld) in den Rucksaecken?” Die Kleine war gerade einmal vier Jahre alt und fragt uns so etwas. Solche Ereignisse zeigen uns jedesmal, dass Menschen in Entwicklungslaendern bzw. -gebieten durch verschiedene westliche Einfluesse gepraegt werden. Sei es der Tourismus, der zu einem solchen Verhalten fuehrt, oder aber die Entwicklungshilfe, die mit falschen Konzepten ansetzt. Uns wird dabei traurig ums Herz.
“Wollt ihr etwas essen?”, riss die Kleine uns aus unseren Gedanken. Ja, wollten wir, wussten aber gleich, dass wir dafuer kraeftig zur Kasse gebeten werden wuerden. “Gib mir Geld!”, kam noch aus dem Mund der Vierjaehrigen. So wenig die Kleine dafuer konnte, dass sie uns derartige Fragen und eine solche Forderung stellte, so sehr wollten wir weiterziehen und die Situation hinter uns lassen.

Kurz darauf trafen wir auf einen Reiter. Hoch oben auf seinem weissen Schimmel ritt er uns entgegen. Als er uns entdeckte, breitete er beide Arme aus und hiess uns lautstark, mit einem alkoholisiertem Unterton, willkommen. Oh nein, nicht auch noch das! Er redete wie wild auf uns ein, da wir aber eiligen Schrittes weiterzogen und ihn dabei hoeflich gruessten, verabschiedete er sich bald und zog in seine Richtung weiter. Puh, den waren wir los.

Wir liefen und liefen und ploetzlich machte es ‘knack’. Was war das? Meine Rucksacktrage stand schraeg, daneben kullerte das Rad mit einem Stueck der Achse. Die Achse war gebrochen, was soviel hiess wie wir konnten nicht weiter. Keine zwei Minuten spaeter tauchte ein LKW auf. Die ganze Zeit zuvor passierte uns nicht ein einziges Gefaehrt, sollte das ein Zeichen sein? Es war ein riesiger Transporter, mit einer endlos langen, offenen Ladeflaeche. Die Ladeflaeche war mit Metallstangen ueberdacht, an denen bei Regen eine grosse Plastikplane befestigt werden konnte.

Wir legten mit den Beiden die letzten zwei Kilometer bis zur Lagune zurueck. Als wir die hohen Preise fuer den Eintritt in das Gebiet der Lagune sahen, reagierten wir blitzschnell. Wir fragten die Fahrer nach ihrem Reiseziel, was zufaelligerweise Coban war. Das ist es!, dachten wir. In Coban koennten wir die Trage reparieren lassen, in der Lagune dagegen muessten wir viel Geld bezahlen und wuerden keine Werkstatt auftreiben koennen. Wir baten also die Fahrer, uns bis nach Coban mitzunehmen. Sie waren ein wenig skeptisch, als wir aber die Lage mit der Rucksacktrage erneut schilderten, stimmten sie zu.

Die Fahrt ging los und wir wurden angemahnt, uns nahe dem Fahrerhaus zu platzieren und uns gut festzuhalten. Das taten wir auch die ganze Reise ueber. Einen Grossteil der Strecke passierten wir stehend, uns and den Metallstangen festhaltend. Da die Strassen aus purem Erd-Stein-Geroell bestanden, war es einfach zu schwierig sich sitzend an einem Platz zu halten. Stehend konnten wir die Erschuetterungen leichter wegstecken. Kamen wir allerdings in Doerfern vorbei, war es ratsam sich hinzusetzen und moeglichst nicht aufzufallen. Anfangs taten wir das nicht, was grosses Interesse der Dorfbewohner an uns weckte. Schliesslich sieht man nicht alle Tage zwei Weisse auf der Ladeflaeche eines Transporters reisen. Auf der Fahrt regnete es teilweise sehr stark, da wir aber nahe der Regenplane fuer die Ladeflaeche sassen, schluepften wir einfach darunter und blieben trocken.

Wir kamen gegen 11 Uhr nachts in Coban an. Diesmal hatten wir keine Wahl, wir mussten fuer eine Unterkunft bezahlen. Da wir in Coban nur ein Hostel kannten, da wir dort zuvor das Internet genutzt hatten, baten wir die Fahrer uns direkt vor dem Hostel “Chipi-Chipi” herauszulassen. Beim Abladen fragte der Beifahrer nach Geld. Da ich aber zuvor mit ihnen abgestimmt hatte, dass sie uns kostenlos nach Coban bringen, liess er bald davon ab. Ein Versuch schadet ja nicht…
Wir hatten Glueck bei unserer Ankunft. Einer der Tourguides, der fuer die Besitzer des Hostels arbeitet, stand vor der verschlossenen Hosteltuer. Er klingelte und man liess uns problemlos im Hostel einziehen. Wir bekamen ein Zimmer fuer uns allein, trotz das es vier Betten hatte. Wir hatten unser eigenes Bad und wurden aufgeklaert, dass nur in der Nacht ausreichend Wasser vorhanden ist, um die Dusche zu betreiben. Wir fanden uns im Himmel wieder. Wir duschten ausgiebig, bereiteten unser “Abendbrot” vor und gingen gegen 2 Uhr jeder in unser eigenes Bett.

Kommentare